6. ... in Frankfurt
Frankfurt, die größte und wirtschaftlich bedeutendste Stadt im Rhein-Main-Gebiet, erlebte die Zeit des Ersten Weltkriegs als eine Phase des Verlusts zahlreicher Mitbürger sowie der Entbehrungen aufgrund von Lebensmittel- und Brennstoffknappheit. Darüber hinaus hinterließen 1917/18 elf Fliegerangriffe deutliche Spuren in der Stadt.
In der Endphase des Krieges gärte es längst: Der 1914 geschlossene Burgfrieden zwischen Bürgertum und Aristokratie auf der einen und der Arbeiterbewegung auf der anderen Seite hatte im Verlauf des Weltkrieges tiefe Risse bekommen. Unzufriedenheit und Antikriegsstimmung manifestierten sich in Massenstreiks. Zugleich hatte sich die SPD als politische Kraft der starken, traditionsreichen Frankfurter Arbeiterbewegung in eine gemäßigte Mehrheitssozialdemokratie und eine konsequent sozialistische Unabhängige SPD zu spalten begonnen.
In dieser politisch angespannten Situation kam der Impuls zu einem Umsturz der bestehenden Ordnung von außen: „Als Sturmvögel der Revolution“ trafen am 7. November 150 meuternde Matrosen aus Kiel in Frankfurt ein, einen Tag später 80 weitere. Sie stießen mit SPD und USPD auf zwei rivalisierende Arbeiterparteien, die diesen revolutionären Anstoß unterschiedlich aufnahmen. Im Einverständnis mit dem Generalkommando des 18. Armeekorps, das seinen Sitz in Frankfurt hatte, ließ die SPD einen Soldatenrat wählen. Die USPD bildete über ihre Vertrauensleute in den Industriebetrieben einen Arbeiterrat, der von den eigenen Parteigängern dominiert wurde. Dieser Arbeiterrat bekam am 9. November jedoch auf Druck der Mehrheits-SPD eine paritätische Zusammensetzung aus Vertretern beider sozialistischer Parteien. Am 10. November schließlich schlossen sich die Räte der Soldaten und der Arbeiterschaft zu einem gemeinsamen Arbeiter- und Soldatenrat (ASR) zusammen, der als revolutionäres Vollzugsorgan die Macht übernahm.
Für die nächsten Monate blieb das Organ der Revolution der maßgebliche Machtfaktor. Das drängendste Problem war auch in Frankfurt die Demobilisierung zahlloser Soldaten, die verpflegt und untergebracht werden mussten. Auch für die Stadtbevölkerung musste die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Brennstoffen gesichert werden. Dass sich am 10. Dezember der Soldatenrat auflöste, da Frankfurt gemäß dem Waffenstillstand mit der Entente in der neutralen Zone lag und das Generalkommando mit den Soldaten die Stadt verlassen musste, schwächte die revolutionären Kräfte noch nicht entscheidend.
Erst ab Beginn des Jahres 1919 machte sich allmählich der Machtverfall des Arbeiterrates bemerkbar. Zum einen kam es zu einer weiteren Aufsplitterung der Arbeiterbewegung in USPD, KPD und SPD, die sich politisch immer weiter vom Arbeiterrat distanzierte. Zum anderen zeigten die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919, zur preußischen verfassungsgebenden Landesversammlung und schließlich zur Stadtverordnetenversammlung am 2. März 1919, dass die Parteien der Arbeiterbewegung zusehends an politischem Rückhalt in der Bevölkerung verloren.
Mit französischer Billigung kehrten Einheiten der Reichswehr in die Stadt zurück und entmachteten im November 1919 den Frankfurter Arbeiterrat. Im Januar 1920 löste dieser sich selbst auf. Die Revolution hatte damit ihre letzte Bastion in Frankfurt verloren. Wenige Monate später, am 6. April 1920, rückten französische Truppen für etwa sechs Wochen in Frankfurt ein, um die Stadt als militärisches Faustpfand bei der Niederschlagung des Ruhraufstands einzusetzen.
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