Chronik des Salomo bar Simson über die Judenverfolgungen während des Ersten Kreuzzugs im Jahre 1096 (um 1140)
1A.Prolog
Und nun will ich den Ablauf des Verhängnisses (= Verfolgung) auch von den übrigen Gemeinden erzählen, die um Seines einzigen Namens willen getötet worden, wie treu sie am Ewigen, dem Gott ihrer Väter, festhielten und Seine Einheit bekannten bis zum letzten Atemzug:
Es geschah im Jahre 4856 (nach der Weltschöpfung) [nach christlicher Jahresszählung im Jahr 1096] , im Jahre 1028 unseres Exils [nach der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahre 68 n.Chr.], im elften Jahr des Zyklus 256, als wir auf Heil und Trost gehofft hatten, nach der Weissagung des Propheten Jeremia: ,Jauchzet Jakob Freude und jubelt an der Spitze der Völker ...', aber es ward verkehrt in Kummer und Seufzen, Jammer und Weinen, viel Schlimmes hat uns betroffen, wie es in allen (biblischen) Scheltreden ausgesagt ist, Geschriebenes wie Ungeschriebenes ist über unsere Seele ergangen.
Erhoben hatten sich nämlich vorerst Unverschämte, ein grimmiges und unberechenbares Fremdvolk, Franzosen und Deutsche; sie planten, in die heilige Stadt zu ziehen, die durch gewalttätige Völkerschaften entweiht war, dort das Grab <ihrer Schmach>[1] aufzusuchen, die im Land ansässigen Ismaeliten von dort zu vertreiben und das Land für sich zu erobern. ,Sie setzten ihre Zeichen als Zeichen ein' - sie brachten ein verpöntes Zeichen an ihrer Kleidung an, längs und quer[2] - jeder Mann und jede Frau, die sich hatten hinreißen lassen, den Irrweg zum Grab <ihrer Schmach> zu gehen, bis daß sie zahlreicher waren als Heuschrecken auf Erden, Männer, Frauen und Kinder. Über sie heißt es: ,Einen König haben die Heuschrecken nicht'.
Es geschah, als sie durch die Städte kamen, wo Juden waren, da sprachen sie zueinander: „Wohlan, wir haben uns auf den weiten Weg gemacht, das Haus der Schmach aufzusuchen und unsere Rache an den Ismaeliten zu vollziehen, dabei sind es doch die Juden, die unter uns wohnen, deren Väter ihn grundlos getötet und ans Kreuz geschlagen haben. Wir wollen zuerst an ihnen Rache üben und sie vertilgen unter den Völkern, daß des Namens Israel nicht mehr gedacht werde, es sei denn, sie werden wie wir und bekennen sich zum Sohn [der Menstruierenden][3]”.
[…]
2A. Speyer
In jenem Jahre fiel das Passa-Fest auf Donnerstag und der Neumond des Ijar auf Freitag und Sabbat. Und am achten Ijar, einem Sabbat, [3. Mai 1096] erhoben sich die Feinde wider die Gemeinde von Speyer und töteten von ihnen elf heilige Seelen, die ihren Schöpfer geheiligt hatten am heiligen Sabbat, da sie nicht bereit waren, sich mit ihrem Gestank verstänkern[4] zu lassen. Dort war eine angesehene und fromme Frau, die schlachtete sich selbst zur Heiligung des Namens. Sie war die erste der Schlachtenden und Geschlachteten in sämtlichen Gemeinden, und die übrigen wurden durch den Bischof [Johannes I, 1090-1104] ohne Verstänkerung gerettet, gemäß allem, was oben geschrieben.
3A. Worms
Am 23. Ijar [18. Mai 1096] erhoben sie sich wider die Gemeinde von Worms, und die Gemeinde hatte sich in zwei Gruppen geteilt, die einen waren in ihren Häusern geblieben, die anderen zum Bischof geflüchtet. Da erhoben sich die ,Steppenwölfe` wider die Daheimgebliebenen und plünderten sie aus, Männer, Frauen und Kinder, jung und alt. Sie brachten die Wohntürme zum Einsturz und zerstörten die Häuser, raubten und plünderten. Sie nahmen die Tora (-Rolle) und traten sie in den Schmutz, zerrissen und verbrannten sie, und fraßen die Israeliten mit allen Mäulern.
Es geschah nach Ablauf von sieben Tagen, am Neumondstag des Monats Siwan, [25. Mai 1096] dem Tag, da Israel an den Sinai gelangte, um die Tora zu empfangen, da wurden die in Schrecken versetzt, die noch im Gemach des Bischofs[5] verblieben waren; die Feinde mißhandelten sie wie die vorigen und übergaben sie dem Schwerte. Sie aber wurden bestärkt durch das Beispiel ihrer Brüder, ließen sich töten und heiligten den göttlichen Namen vor aller Augen, sie streckten den Hals aus und ließen sich den Kopf abschlagen um ihres Erschaffers Namen willen. Einige von Ihnen legten Hand an sich und erfüllten (was geschrieben steht): ‚Die Mutter wird über den Kindern zerschmettert', und der Vater fiel über den Söhnen, denn er ward über ihnen geschlachtet. Sie schlachteten ein jeder seinen Bruder und seinen Angehörigen, seine Frau und seine Kinder, auch Bräutigame ihre Verlobten und barmherzige Frauen ihre einzigen Kinder. Alle nahmen einmütig das himmlische Urteil über sich an; bei der Hingabe ihrer Seele an ihren Besitzer riefen sie aus: „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einer”. Und die Feinde zogen sie aus, schleppten sie hin und warfen sie weg und ließen von ihnen keinen übrig außer ganz wenigen, denen sie Gewalt antaten, indem sie sie gegen ihren Willen mit dem Stinkwasser tauften. An die achthundert betrug die Anzahl der Getöteten, die an jenen zwei Tagen getötet worden, und alle wurden nackt zu Grabe gebracht. Über sie klagt Jeremia: ,Die auf Purpur Erzogenen lagern auf Kot'. Namentlich habe ich sie oben erwähnt – Gott gedenke ihrer zum Guten!
4A. Mainz
Und es geschah, als die heiligen Männer, die Frommen des Höchsten, die heilige Gemeinde zu Mainz, Schutz und Schild aller Gemeinden, deren Name in alle Lande ausgeht, vernahmen, daß einige von der Gemeinde zu Speyer getötet worden und daß das Schwert die Gemeinde zu Worms zum zweiten Mal betroffen hatte, da erlahmte ihre Hand, ihnen zerschmolz das Herz zu Wasser. Sie schrien zum Ewigen von ganzem Herzen und sprachen: „Ewiger, Gott Israels, willst Du denn (ein Ende) machen dem Überrest Israels? Wo sind all Deine furchtbaren Wundertaten, von denen unsere Väter uns erzählt: Hast Du uns nicht aus Ägypten und aus Babel heraufgeführt, und wie viele Male hast du uns errettet? Wie hast du uns nun verlassen, uns aufgegeben, Ewiger, (um) uns in die Hand des bösen Edom zu überantworten uns zu vernichten. Sei nicht fern von uns, denn Not ist nahe, und wir haben keinen Helfer”. – Da kamen zusammen die Vornehmen Israels, guten Rat zu halten, ob sie gerettet werden könnten. Sie sprachen zueinander: „Wir wollen einige von unseren Ältesten erwählen, um zu erfahren, was wir tun sollen, denn dieses große Übel hat uns verschlungen”. Und sie kamen überein, für ihr Leben Lösegeld zu entrichten und ihr Vermögen auszustreuen, um die Fürsten, Statthalter, Bischöfe und Grafen zu bestechen.
Da erhoben sich die Obersten der Gemeinde, die beim Bischof angesehen waren, gingen zum Bischof [Erzbischof Rothard/Ruthard von Mainz, 1088-1109], zu seinen Ministerialen und Dienern, mit ihnen zu reden, und sprachen zu ihnen: „Was sollen wir machen auf die Kunde hin, die wir vernommen über unsere Brüder in Speyer und in Worms, daß sie getötet worden”? Da erwiderte man ihnen: „Hört auf unseren Rat, bringt all euer Vermögen in unser Schatzhaus, ihr aber, eure Frauen, eure Söhne und Töchter und alle Eurigen bringt ins Gemach des Bischofs, bis daß vorüberziehen diese Horden, dann werdet ihr euch retten vor den Irrenden”. Das taten sie, diesen Rat gaben sie, um uns zusammenzubringen und uns an sie auszuliefern, uns zu ergreifen wie die Fische sich verfangen im argen Netz. Und sie nahmen unser Vermögen, wie sie letzten Endes taten, und das Ende erlaubt Rückschlüsse auf den Anfang. Auch hatte der Bischof seine Ministerialen und Diener, die Großen, die Freien des Landes versammelt, um uns zu helfen, anfangs war es nämlich sein Wille, uns zu retten mit aller Macht. Und wir gaben ihm viel Bestechungsgeld dafür, seinen Ministerialen und seinen Dienern, mehr als sie für unsere Rettung verlangt hatten. Doch am Ende taugte die ganze Bestechung und Beschwichtigung nicht dazu, uns am Tag des Grimms vor der Katastrophe zu schützen.
4B.Gottfried von Bouillon, Kaiser Heinrich IV. und Papst Urban II.
Zu jener Zeit erhob sich ein Herzog namens Gottfried [Gottfried von Bouillon, 1060-1100, Herzog von Niederlothringen, Führer des 1. Kreuzzugs 1096-1099] , mögen seine Gebeine zermalmt werden, von harter Geistesart, denn ein Geist der Ausschweifung hatte ihn verleitet, mit denen zu ziehen, die zur Stätte ihrer Schmach gehen. Er hatte den bösen Schwur getan, er werde sich nicht auf die Fahrt begeben, ohne das Blut des Gehenkten mit dem Blute Israels gerächt zu haben, er werde weder Überrest noch Flüchtling lassen, von denen, die Juden genannt seien – erfüllt ward sein Zorn an uns.
Doch da wurde einer aufgerichtet, in die Bresche zu springen, ein Vorbild seiner Generation, gottesfürchtig, gebunden auf dem inneren Altar, R. Kalonymus, Vorsteher der Gemeinde zu Mainz, der einen Boten zu König Heinrich [Kaiser Heinrich IV., 1050-1106] ins Königreich Pule[6] – der (König) hielt sich nämlich neun Jahre[7] lang dort auf – gesandt und ihm von den Geschehnissen Mitteilung gemacht hatte. Da entbrannte der Zorn des Königs, er sandte Briefe in alle Lande seines Reiches, an die Fürsten, Bischöfe und Grafen, auch an Herzog Gottfried, Worte des Friedens und bezüglich der Juden, sie seien zu beschützen, keiner dürfe sie antasten, ihnen etwas antun, vielmehr solle man ihnen Unterstützung und Zuflucht bieten.[8] Da schwor der böse Herzog, es sei ihm nie in den Sinn gekommen, ihnen etwas Böses zu tun. Und zu alledem hatten sie ihn in Köln mit 500 Mark Silber bestochen, auch in Mainz hatten sie ihn bestochen, und er hatte ihnen in der Macht versprochen, Frieden zu gewähren. Doch der Friedenstifter war von uns gewichen und hatte seine Augen von seinem Volk abgewendet.
[…]
Papst Urban II
Da kam auch der Satan, der Papst des bösen Rom [Papst Urban II, 1088-1099], und ließ einen Aufruf ausgehen unter allen Völkern [Kreuzugsaufruf auf dem Konzil zu Clermont, Nov. 1095], die an den Abkömmling des Ehebruchs[9] glaubten, das sind die vom Berge Se'ir, sie sollten sich zusammentun und gen Jerusalem hinaufziehen und sich die Stadt er-obern, als gebahnten Weg für die Irrenden, die zum Grab <ihrer Schmach> zogen, wen sie zum Gott über sich angenommen hatten. So kam der Satan [Papst Urban II.] und mischte sich unter die Nationen, sie versammelten sich alle wie ein Mann, den Befehl auszuführen, und sie kamen wie der Sand am Meeresstrand, und ihre Stimme war gewaltig wie Gewitter und Sturm. Und es geschah, als sich versammelten ,die Tropfen am Eimer', da hielten sie üblen Rat wider das Volk des Ewigen; sie sprachen, warum sollten sie sich abmühen, Krieg zu führen gegen die Ismaeliten um Jerusalem herum, wo doch unter ihnen ein Volk sei, das ihre ,Furcht` nicht respektiere, ja dessen Väter sogar ihren Gott gehenkt hätten: „Warum sollten wir sie am Leben lassen, warum sollten sie unter uns weilen? Wir wollen unsere Schwerter an ihrem Kopf erproben, danach begeben wir uns auf den Weg unseres Irrtums”.[10] Da blieb dem Volk unseres Gottes das Herz stehen, in ihnen erhob sich kein göttlicher Geist mehr, böse Schläge waren es, und sie wurden etliche Male geschlagen. So kamen sie und warfen ihr Flehen vor dem Ewigen nieder, sie fasteten und verringerten ihr Blut und Fett, und es schmolz das Herz Israels in seinem Innern.
5A. Köln und die niederrheinischen Orte
Nun will ich berichten, was die Gemeinde zu Köln getan und wie sie den einzigen und erhabenen Namen heiligten:
Es geschah am fünften Siwan [29. Mai 1096], dem Vortag des Wochenfestes, da gelangte die Kunde nach Köln, der schönen Stadt, dem Ort der Gelehrtenversammlung, wo die Gelehrtenversammlung zusammenkam; und da Verdienst ja durch Verdiente zustandekommt, gingen von dort aus Leben, Lebensunterhalt und festes Recht für all unsere an allen Enden zerstreuten Brüder. Man begann das Töten unter ihnen vom (Wochen-)Fest bis zum achten Tamus. [1. Juli 1096] Und als sie hörten, daß die Gemeinden [Speyer, Worms und Mainz] umgekommen waren, flüchtete jeglicher Israelit zu seinem heidnischen Bekannten, dort blieben sie die zwei Festtage über. Und es geschah am dritten Tag, als es Morgen ward, da waren Donner. Da erhoben sich die Feinde wider sie, brachen in die Häuser ein, raubten und plünderten; sie zerstörten die Synagoge, rissen Tora-Rollen heraus, gingen übel mit ihnen um und traten sie in den Gassenschmutz. Am Tage, da sie gegeben, da die Erde erzitterte und ihre Säulen erbebten – und nun zerrissen, verbrannten und zertraten sie verwegene Übeltäter, Wüteriche kamen hinein und entweihten sie. Darob willst Du sie nicht heimsuchen?! Wie lange noch willst Du schweigend zusehen, wie der Frevler verdirbt?! Sieh, Ewiger, und schau her, wie erniedrigt ich bin!
Und an jenem Tage fanden sie einen Frommen namens Mar Isaak bar Eljakim; wie er aus seinem Hause trat, ergriffen ihn die Feinde und führten ihn hinaus zum Haus ihrer Schmach, da spuckte er es ihnen ins Gesicht und dies vor ihrem Götzendienst, schmähte und beschimpfte sie, so daß sie ihn zur Heiligung des Namens töteten, er hatte nämlich nicht fliehen wollen aus Ehrfucht vor dem Wallfahrtsfest (= Wochenfest), auch weil er sich freute, das himmlische Urteil auf sich zu nehmen. Und auch eine angesehene Frau fanden sie dort namens Frau Rebekka. Als sie aus dem Hause trat, trafen die Feinde sie an mit goldenen und silbernen Geräten in den Ärmeln, die wollte sie zu ihrem Mann, R. Salomo, bringen, denn der hatte sich bereits aus seinem Hause zu einem heidnischen Bekannten begeben; da nahmen sie ihr die Kostbarkeiten weg und töteten sie. Dort starb diese Gerechte in Heiligkeit; und noch eine Frau, Frau Madrona. Und die übrige Gemeinde wurde gerettet, da sie sich im Haus eines Bekannten befanden, wohin sie geflüchtet waren. Dort hielten sie sich auf, bis sie der Bischof [Hermann III., Erzbischof von Köln 1089-1099] in seine Orte[11] bringen ließ am zehnten des Monats Siwan [3. Juni 1096], er verteilte sie über sieben seiner Ortschaften, um sie zu retten. Dort waren sie bis zum Neumond des Tamus, wobei sie tagtäglich den Tod erwarteten; sie pflegten tagtäglich zu fasten, auch an den beiden Tagen des Neumonds Tamus, die fielen auf Montag und Dienstag, [23. und 24. Juni 1096] sowie am folgenden Tag. So fasteten sie drei Tage und Nächte ununterbrochen.
5B.
Und am dritten Tag wurden die im Dorf Neuss getötet, und man begrub sie. Da es der Tag ihres Festes war, hatten sich alle aus den Dörfern dort zusammengerottet.
Und dort war der Fromme Mar Samuel bar Ascher, den töteten sie am Ufer des Rheins und seine beiden Söhne mit ihm; sie begruben ihn im Sand am Fluß, und einen seiner Söhne hängten sie am Eingang seines Hauses auf, um ihn zu verhöhnen. (Auch ein Frommer gelangte dorthin, der hieß R. Isaak haLevi, den hatten sie mit harten Qualen gepeinigt.) Als sie seine Foltern sahen, verstänkerten sie ihn gegen seinen Willen[12], vor lauter Schlägen, die ihm zugefügt, wußte er nämlich nicht, wie ihm geschah. Und als er wieder zu sich kam, kehrte er nach drei Tagen zurück, ging nach Köln, betrat sein Haus und wartete ein wenig, nur eine Stunde, dann ging er an den Rhein und ertränkte sich im Fluß. Über ihn und seinesgleichen heißt es: ,Aus Baschan will ich wiederbringen, aus den Tiefen des Meeres ...`. Er trieb auf dem Wasser, bis er zum Dorf Neuss kam, dort warf ihn das Wasser ans Ufer. Er wurde an Land gespült neben jenen Frommen, Mar Samuel, der in Neuss umgebracht worden; so wurden jene beiden Frommen dort am Flußufer im Sand gemeinsam in einem Grab beigesetzt. Sie hatten den himmlischen Namen geheiligt im Angesicht der Sonne.
Und Mar Gedalja war im Dorf Bonn vor dem Verhängnis, aber seine Gattin und ihre Kinder wurden ebenfalls dort im Dorf Neuss getötet; sie hatten den Namen sehr geheiligt.
[…]
5G
Von allen sieben Ortschaften, wohin sich die Gemeinde von Köln zerstreut hatte, wurden nur die wenigen gerettet, die sich in der Ortschaft Kerpen befanden, die wurden nicht getötet.
Aber der Feind, der über den Ort herrschte, tat Böses in anderer Hinsicht: Er befahl nämlich seinen Knechten, sie sollten die Grabsteine von den zu Köln Begrabenen nehmen und ihm ein Gebäude aus Grabsteinen errichten; das taten sie.
Doch als sie die Steine auf Rampen hinaufzogen auf den Bau, um die Mauer zu errichten, kam etwas ins Rollen vom Ewigen her, der ein eifriger Rächer ist; ein Stein fiel dem Feind, dem Herrscher des Ortes, auf den Kopf, so daß er eine Kopfverletzung und einen Hirnschaden davontrug und starb. Und danach wurde sein Weib verrückt, und sein Kebsweib verlor den Verstand, und sie starb an jener Krankheit. So zeigte uns Gott, ein eifriger Rächer, daß er an ihnen Rache geübt, für was sie getan. Ebenso möge er rächen das Blut seiner Knechte, das vergossen wurde und täglich vergossen wird um Seinetwillen, bald in unseren Tagen.
6. Epilog
Und wie die Feinde nach ihrem Mutwillen gehandelt an jenen Gemeinden, wie wir berichtet haben, so taten sie auch an anderen Gemeinden, in der Stadt Trier, in Metz und in Regensburg, in Prag, und in Veschel (= Vysehrad) und in Böhmen. Und alle heiligten den großen und furchtbaren Namen voll Liebe und Eifer. Und alles geschah im selben Jahr innerhalb eines Zeitraums, denn diese ganze gute Generation hatte sich Gott zum Erbteil erkoren, durch sie Verdienst zu schaffen den künftigen Generationen nach ihnen. So möge es wohlgefällig sein vor dem hohen und erhabenen Gott, daß Er ihren Nachkommen den Lohn für das Tun der Früheren auszahle, ihr Verdienst, ihre Gerechtigkeit, ihre Frömmigkeit und ihre Vollkommenheit mögen uns beistehen bis in Ewigkeit, Sela, uns die Erlösung näherzubringen, uns zu führen über den Tod hinaus im Lande der Lebendigen.
Zit. nach MGH Hebräische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland, Bd. 1: Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des Ersten Kreuzzugs, hg. von Eva Haverkamp, Hannover 2005, S. 246ff.; S. 562-614.
R.N.
Aufgabenstellungen:
1. Welcher Denkfehler der Kreuzfahrerführung liegt den Geschehnissen als Ursache zugrunde?
2. Wie ist es zu erklären, dass die Opfer ihren Angriffen kaum aktive Abwehr entgegensetzen?
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.