Der Reichsverband der Deutschen Industrie zur politischen Entwicklung in Berlin. Schreiben des Geschäftsführenden Präsidialmitglieds des RDI, Ludwig Kastl, an den RDI-Präsidenten Gustav Krupp von Bohlen und Halbach vom 26. 1.1933
Bei Erörterung der politischen Lage [mit Staatssekretär Planck] erfuhr ich ... als neuesten Stand das Bestreben der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten, die Harzburger Front wieder herzustellen. Man spricht von einem Kampf-Kabinett Papen-Hitler-Schacht, bei dem Papen die Spitze darstellen soll und Hitler Wehrministerium und Ministerium des Innern erhalten soll, Schacht Finanzministerium, Hugenberg Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium. Ich halte diese Kombination, an der sich keiner der gegenwärtigen Minister beteiligen wird, für äußerst bedenklich und gehe so weit zu befürchten, dass eine derartige Kombination als offene Kampfansage gegen den größten Teil der Bevölkerung angesehen würde und man nicht ohne Unruhen durchkommen würde, wenn es tatsächlich dazu käme. Im Augenblick bestehen noch immer erhebliche Zweifel, ob der Herr Reichspräsident sich auf einen solchen Vorschlag einlassen wird. Andeutungen sprechen dafür, dass man nicht ganz ohne Erfolg ihm klargemacht haben soll, dass ein solches Kabinett ein ganz großes Kabinett werden würde mit größten Aussichten auf Stabilität. Man hat sogar von einem so genannten Bombenkabinett gesprochen, worauf ich scherzweise bemerkte, dass mir bedauerlicherweise der Nachdruck mehr auf Bomben als auf Kabinett zu liegen scheine. Das Zentrum ist entschiedener Gegner und die Sozialdemokraten selbstverständlich erst recht. Ein anderer Ausweg, der versucht wird, ist der, den Reichstag am 31. d. M. zusammentreten zu lassen - die Regierung wird kurzen Vertagungen widersprechen - und einmal abzuwarten, was bei dem Zusammentritt des Reichstags herauskommt. Bleibt dann nichts anderes übrig als eine Auflösung, so soll hinterher die Frage erneut geprüft werden, ob man die Neuwahl bis zum November verschieben kann. Der Reichspräsident soll sich angeblich nur dann für einen solchen Weg entscheiden, wenn ein derartiger Vorschlag entweder von den Parteien selbst gebracht oder toleriert würde, so dass konkrete gesetzliche Notmaßnahmen unterbleiben könnten. In diesem Falle würde das Kabinett Schleicher bleiben. Vom Standpunkt der Wirtschaft aus gesehen, würde natürlich ein solcher Ausweg weitaus jedem anderen vorzuziehen sein...
Dokumentenbuch von Bülow 1, Record Group 238, Case 10, N.A., Zit. nach: Reinhard Neebe, Großindustrie, Staat und NSDAP 1930-1933, Göttingen 1981, S. 152PDF-Version von Reinhard Neebe, Großindustrie, Staat und NSDAP 1930-1933, Göttingen 1981, unter http://www.digam.net/expo/grossindustrie/index.htm
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