Friedrich Stampfer über das „Kabinett der Barone":
In der Zentrumsfraktion des preußischen Landtags galt Papen als ein etwas einfältiger Kavalier... Mitglied des Zentrums war er, weil sich das für einen katholischen Edelmann so gehörte, und ungezählte Male hatte er im Landtag für Braun und Severing gestimmt, bis er schließlich unter dem Einfluss der steigenden Welle der Reaktion seinen Beruf zum Führer erkannte und seine eigenen Wege ging. Warum auch nicht? Er war Anfang der Fünfzig, hatte Geld und beste Beziehungen, die bis in die französische Schwerindustrie hineinreichten, er war der Freund Schleichers und Oskar von Hindenburgs, und darum auch bei Meißner hoch im Kurs. Er hatte auch noch andere Freunde, die Literaten des Herrenklubs, die ihm ihren Geist liehen. Woran sollte es da fehlen? Daß ein solcher Mann deutscher Reichskanzler werden konnte, war ein Zeichen einer auf die Spitze getriebenen Günstlingswirtschaft. Es war aber auch ein Beweis dafür, dass die alte Herrenkaste die Fähigkeit zu regieren nicht mehr besaß. Das Kabinett Papen war die destilliert reine Klassenherrschaft des Adels und der Großbourgeoisie. Neben sechs Aristokraten saßen zwei Bürgerliche, davon einer der Vertreter des größten Chemietrusts der Welt. Dagegen befand sich in dem neuen Kabinett - zum ersten mal in der Republik - kein einziger Vertreter der Arbeiterschaft. Im Herrenklub des Herrn von Gleichen waren von Papen, von Braun und von Gayl Mitglieder, von Schleicher und Graf Schwerin von Krosigk häufige Gäste. Das war die neue Regierung der Republik. Die Herren waren ganz unter sich und mochten nun zeigen, was sie konnten. Das Ergebnis war, dass sie binnen acht Monaten vor einem Pöbel kapitulierten, dessen sie sich zwar im Kampfe gegen die Arbeiterschaft gern bedienten, den sie aber aus tiefster Seele verachteten.
Stampfer, Die ersten 14 Jahre der Deutschen Republik, S. 626f.
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