Das strategische Konzept der „Nationalen Opposition" für die Etappen bis zur Regierungsübernahme durch Hitler.
Aus einem Schreiben des dem Ruhrbergbau nahestehenden Wirtschaftspublizisten August Heinrichsbauer an Frhr. Heinrich von Gleichen, den Herausgeber der konservativen Wochenschrift „Der Ring",12. 6.1931:
Der Kernpunkt der Auseinandersetzung dreht sich m. E. um die Art der Zusammensetzung der Regierung, die eines Tages dem Kabinett Brüning folgen wird und muss. Mein persönlicher Standpunkt geht dahin, dass es für die nationale Opposition, die ich mit Namen Hitler, Hugenberg, Seldte umreißen möchte, untragbar wäre, die unmittelbare Nachfolgerschaft entweder selbst oder durch Personen, die als Parteiangehörige hervorgetreten sind, zu übernehmen. Zunächst werden die von dem künftigen Kabinett zu lösenden Aufgaben - gleichgültig, wie es im Einzelnen personell zusammengesetzt ist - so schwierig sein, dass mit ihrer Lösung ein Höchstmaß von Unpopularität untrennbar verbunden ist...
Dazu kommt noch, dass die nationale Opposition ein politisches und wirtschaftliches Sanierungsprogramm zur Zeit noch nicht hat; selbst wenn sie es hätte, würden seiner Verwirklichung die allergrößten Schwierigkeiten entgegenstehen, da im In- und im Ausland sehr viele potente Leute darauf warten,
einem solchen „nationalen" Sanierungsprogramm Schwierigkeiten zu bereiten. Das gilt besonders von der Außen- und der Reparationspolitik, die beide... in ihren Grundlinien so festliegen, dass auch eine noch so klug und geschickt geführte nationale Opposition an ihnen nicht viel ändern kann; jede eigene Machtübernahme wäre deshalb außen- und reparationspolitisch sehr schnell verbunden mit einer Beugung früherer Verheißungen und Ansichten. Mir persönlich scheint es am besten, wenn das jetzige Kabinett abgelöst wird von einem Kabinett starker und entschiedener Persönlichkeiten (wobei man zur Beruhigung ängstlicher Leute im In- und Ausland ruhig Brüning mit irgendeiner Funktion betrauen könnte), deren Angehörige der nationalen Rechten nahestehen müssten und denen von der Rechten wohlwollende (und natürlich weitgehend verabredete) Opposition zu machen wäre... Notwendig erscheint mir aber, im Reich keinen Schritt zu tun, der nicht von einer entsprechenden Handlung in Preußen begleitet ist... Ich bin fest davon überzeugt, dass das ganze jetzige System des anonymen, demokratischen Parlamentarismus im Laufe der Zeit von einem neuen System abgelöst wird, das auf die Führerverantwortlichkeit und auf die Gefolgschaftsverbundenheit abgestellt ist und das erhebliche Anklänge an den italienischen Faschismus haben wird, ohne ihn natürlich bis ins einzelne kopieren zu brauchen bzw. zu dürfen. Es kommt mir nur darauf an, diesem künftigen System den Weg zu erleichtern und ihn ihm nicht unnötig zu erschweren.
Bundesarchiv Koblenz, NI. Luther Nr. 336
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