Dokument 73
Hungersnot in Thüringen. Aus dem Reportagetext „Deesbach überlebt den 73 Winter nicht mehr",
Urheber
Datum
1932
Bestand/Sign.
Bundesarchiv Koblenz
Hungersnot in Thüringen. Aus dem Reportagetext „Deesbach überlebt den 73 Winter nicht mehr",
Die Gemeinden Thüringens erleben eine Notzeit, wie sie deutsche Gemeinden seit Jahrhunderten nicht erlebten. Hunger und Krankheit wüten durch das ganze Land. Die Gemeinden denken, dass sie, wenn rasche Hilfe nicht bald kommt, den Winter nicht mehr überleben werden. In den meisten Orten ist vier Fünftel der Bevölkerung erwerbslos. Die Gemeinden sind aber durch früher gezahlte Unterstützungsgelder derart verschuldet, dass sie ungeheuere Steuern auf das Trinkwasser setzen müssen. Siebenköpfige Familien können für M 1,75 in der Woche das Leben bestreiten. Der übrige Teil ihrer Unterstützung wird für Miete und für das Wassergeld abgezogen. Sogar für jede Kuh und für jede Ziege muss Wassergeld gezahlt werden. Die Heimarbeit ist fast erloschen. Die Gemeindevorsteher mussten den Einwohnern amtliche Bettelscheine ausstellen. Die Bevölkerung ist in tiefe Apathie versunken. Sie haben nicht mehr die Kraft, sich zu empören und zu hoffen. Eine ungeheuere Angst vor dem kommenden Winter bemächtigt sich der Einwohnerschaft.
Bundesarchiv Koblenz
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