3. Februar 1933:
Die Ernennung des nationalsozialistischen Führers Adolf Hitler zum Reichskanzler hat, wie überall im deutschen Vaterland, so auch in Marburg unbeschreiblichen Jubel ausgelöst. Um ihrer Freude besonderen Ausdruck zu verleihen, hatte die hiesige Ortsgruppe der NSDAP für heute Abend eine öffentliche Kundgebung in den Stadtsälen mit vorausgehendem Fackelzug durch die Straßen der Stadt Marburg anberaumt. Lang vor Beginn des Fackelzuges hatte sich auf den Straßen und Plätzen der Stadt eine ungeheure Menschenmenge eingefunden, die den vorbeimarschierenden Parteinmitgliedern, denen sich auch der Stahlhelm und die Marburger Korporationsstundenten angeschlossen hatten, in größter Begeisterung zujubelte. Die sich an den Umzug anschließende Kundgebung in den Stadtsälen war überfüllt. In beiden Sälen standen die Massen dicht gedrängt.
23. Februar 1933:
Wahlversammlung der NSDAP – in den überfüllten Stadtsälen sprach der bekannte Rechtssprecher Adolf Hitlers, Rechtsanwalt Frank II aus München.
28. Februar 1933:
Wie in anderen Städten wurden heute auch in Marburg zur Aufrechterhaltung der öffentlich Ordnung und Sicherheit seitens der Polizei umfangreiche Haussuchungen sowohl bei den Geschäftsständen, als auch bei einzelnen Führern der kommunistischen und sozialdemokratischen Partei vorgenommen und vorgefundenes Material beschlagnahmt. Die Aktion verlief ohne Zwischenfall.
04. März 1933:
Der als Abschluss des Wahlkampfes seitens der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im ganzen Reich veranstaltete „Tag der erwachenden Nation“ (5. 3. 33) wurde heute durch eine mächtige abendliche Kundgebung auf dem Marktplatz begangen, wo die Rundfunkübertragung der bei der Königsberger Feier gehaltenen Rede Adolf Hitlers erfolgte. Die Kundgebung, an der die gesamten Stürme der SA, die SS, die Hitler-Jugend und ein großer Teil der Einwohnerschaft teilnahmen, schloss mit einem Fackelzug nach dem Kämpfrasen und mit dem großen Zapfenstreich dort selbst.
13. März 1933:
Die SA besetzte heute die Redaktion und Druckerei des Hessischen Tagesblattes, das in seinem lokalen Teil den Herrn Reichskanzler, die NSDAP und die Angehörige der Marburger Hauspolizei wiederholt verächtlich gemacht hatte. Nachdem der Verleger die Verächtlichmachungen zugegeben, die Berechtigung zum Einschreiten der SA anerkannt und sich schriftlich verpflichtet hatte, weitere Versuche der Schmähung und Verächtlichmachung zum unterlassen, wurde die Besetzung wieder aufgehoben. Das Blatt wurde vom Herrn Oberpräsidenten bis 17. März verboten und ist dann später eingegangen.
24. März 1933:
Marktbesucher des heutigen Krammarktes stellten das Verlangen, die jüdischen Verkaufsstände zu entfernen. Nachdem sich ein jüdischer Händler auch noch ablehnend über die deutschen Gesetze geäußert hatte, wurden 8 Verkaufsstände jüdischer Händler auf Veranlassung der SA geschlossen.
28. März 1933:
Vier Kommunisten wurden von der Polizei in Schutzhaft genommen.
Anlässlich der deutschfeindlichen Auslandspropaganda ist man, wie überall, auch in Marburg zu Gegenmaßnahmen geschritten. Heute Nachmittag wurden von Angehörigen der SS Plakate an die jüdischen Geschäfte angeklebt, die darauf hinwiesen, dass es sich um jüdische Unternehmen handele, bei denen ein Deutscher nicht mehr kaufen solle. Vor den Häusern hatten SA-Posten Aufstellung genommen, die dafür Sorge trugen, dass die Plakate nicht entfernt wurden. Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen.
30. März 1933:
Die Marburger Juden geben durch ihren Vorstand in der Oberhessischen Zeitung eine Erklärung ab, wonach sie von der deutschfeindlichen Auslandspropaganda und den im Ausland verbreiteten Greuelnachrichten über Misshandlung von Juden in Deutschland abrücken. Sie erklären ausdrücklich, dass keinem Juden in Marburg auch nur ein Haar gekrümmt worden sei.
01.April 1933:
Infolge der deutschfeindlichen Auslandspropaganda fand heute Abend durch die SA und SS unter starker Beteiligung der Bürgerschaft eine gegen die Juden gerichtete Boykottkundgebung auf dem Marktplatz statt, die den Zweck hatte, dem Kampf gegen die Greuelpropaganda des Weltjudentums wirksam zu unterstützen.
03.April 1933:
In der heutigen Sitzung der Staatsverordneten-Versammlung wurde unter dem Jubel des Hauses ein Dringlichkeitsantrag der NSDAP einstimmig angenommen, nachdem
Reichspräsident von Hindenburg und
Reichskanzler Hitler
zu Ehrenbürgern der Stadt Marburg ernannt werden.
Ein zweiter, in der heutigen Sitzung der Staatsverordneteten eingebrachter Dringlichkeitsantrag der NSDAP forderte folgende Umbenennung von Straßen und folgende Namen für die städt. Schulen:
Friedrichsplatz – Adolf-Hitler-Platz
Kasernenstraße – Hermann-Göring-Straße
Uferstraße – Bernhard-Rust-Straße
Oberrealschule – Adolf-Hitler-Schule
Südschule – Horst-Wessel-Schule
Nordschule – Schlageter-Schule
Die vorstehenden Anträge wurden in einer an die Sitzung der Stadtverordneten sich anschließenden Magistratssitzung einstimmig angenommen.
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