Polizeibuch der Stadt Fulda mit Eintragung der polizeilichen Tätigkeiten in den Tagen des Novemberpogroms 1938, vom 7. - 12. November 1938
Nr. 691-694 7.-8.11.1938
keine relevanten Eintragungen
Nr. 695, 9.11.38
Um 2.30 Uhr, meldet der Kaufmann Köhler, Mittelstr. daß bei der Firma Wertheim, Mittelstr. eine Schaufensterscheibe eingeschlagen worden sei. Der mutmaßliche Täter sei in der Richtung nach dem Gemüsemarkt davongelaufen.
Durch Feststellung der Nachtstreifen wurde vorstehende Meldung bestätigt. Auslagen aus dem Fenster wurden nicht entwendet.
Bericht ist vorgelegt.
Nr. 696, 9.11.38
Um 13.20 Uhr wurde fernmündlich die Polizei angerufen und um Entsendung von Polizeibeamten gebeten. Im Stockhaus würden die Fensterscheiben von jüdischen Wohnungen zertrümmert.
Pol.O.M. Braun und sämtliche auf Polizeiwache anwesende Polizeibeamte wurden auf Anordnung des Polizeikommissars entsandt.
Die eingesetzten Polizeibeamten haben die Ruhe und Ordnung wieder hergestellt.
Nr. 697, 9.11.38
Die Ehefrau Fährmann, Schildeckstraße Nr. 7 wohnhaft meldete um 14.50 Uhr und 15 Uhr fernmündlich, daß mehrere Kinder in die Judenschule eingedrungen seien und darinn alles zertrümmern würden.
Pol.Hptw. Watermann wurde entsandt.
Zur Verstärkung wurde um 15.40 Uhr mittels Kraftwagen Pol.Mstr. Neuland, Pol.Hptw. Schmidt II und Gröning entsandt.
Nr. 698, 9.11.38
Um 15.15 Uhr wurden die Beamten auf Befehl des Pol.Kom. Berend ala[r]miert
Nr. 699, 9.11.38
Um 17.30 Uhr wurde fernmündlich durch den Bauunternehmer Bernjus, wohnhaft hier Heinrichstraße 16 mitgeteilt, daß in der Heinrichstraße von den Kindern die Wohnungen der Juden zerstört werden.
Pol.Oberm. Braun, 0.W. Hanstein u. Pol.Hptw. Hasselfeldt begaben sich mittels Kraftwagen nach dort.
Nr. 700, 9.11.38
Um 19.45 Uhr, meldet Stadtsekr. Gutberlet , daß in dem Hause Löherstr. No. 28 Jugendliche Fensterscheiben eingeworfen hätten.
Pol-Mstr. Neuland u. P.O.W. Vöckel wurden mittels Pol.-Kraftwagen entsandt.
Pol-Mstr. Neuland stellte zu vorstehender Sache fest, daß um 18.30 Uhr, von 4 Jugendlichen (15-17 Jahre, 2 Jungens u. 2 Mädels) in der im Erdgeschoß liegenden Wohnung des Juden Claus 4 Fensterscheiben eingeworfen wurden. Die Täter wurden von dem Spenglermeister Krönung verjagt. Er will die Täter aber nicht erkannt haben.
Nr. 701, 9.11.38
Um 19.45 Uhr, wurde gemeldet, daß auf dem jüdischen Friedhof in der Edelzellerstr. Beschädigungen vorgekommen seien.
Pol-Mstr. Neuland und P.H.W. Hasselfeld, P.O.W. Vöckel u. Krim.Oberass. ? wurden entsandt.Pol.Mstr. Neuland meldet nach Rückkehr, daß das Leichenhaus einschließlich Dach demoliert u. sämtliche Grabsteine umgeworfen seien. Beim Eintreffen der Polizei sei niemand auf dem Friedhof gewesen. Anscheinend sei die Demolierung bei einkehrender Dunkelheit verursacht worden.
Nr. 702: 10.11.38
01:15 Uhr Schwerer Verkehrsunfall mit Todesfolge: SS-Mann Helmer aus Giesel stößt mit seinem Motorrad mit einem PKW in Fulda bei der Gastwirtschaft "Zum Rädchen" zusammen und verstirbt auf dem Weg ins Krankenhaus.
Nr. 703, 10.11.38
Um 5.20 Uhr wurde von Friseur Englert fernmündlich mitgeteilt, daß die Synagoge brennen würde.
Feuerwehr wurde sofort alarmiert. Gleichzeitig wurden 5 Beamte an die Brandstelle entsandt.
Um 5.25 Uhr wurde vom Postamt mitgeteilt, daß die Synagoge brennen würde.
Nr. 704, 10.11.38
Um 6.00 Uhr, wurde auf Veranlassung des Pol-Kom. Brand, der Filialleiter Scheuermann von dem Schuhgeschäft Springmann in der Marktstr. in Schutzhaft genommen und sofort dem Amtsgericht zugeführt.
P.H.W. Schmidt I u. Wohn führten den Transport mittels Kraftwagen aus.
Nr. 705, 10.11.38
Um 19 Uhr machte die Ehefrau Minna Katzenstein, wohnhaft in Fulda, Heinrichstr. 16 fernmündlich folgende Mitteilung: Ein uniformierter Mann sei soeben bei ihr in der Wohnung gewesen und gegen Aushändigung einer Quittung ohne Unterschrift 20.- RM Verpflegungsgeld für ihren Ehemann verlangt. Weil die Quittung nicht unterschrieben war, rief die Ehefrau Katzenstein die Polizeiwache an, worauf der fragl. Mann sich entfernte.
Bericht ist von den entsandten Beamten Pol.Hptw. Wohn und Hasselfeldt vorgelegt.
Nr. 707: 11.11.38
23.35 Uhr: Fernmündliche Meldung, "dass sich an der Brandstelle der Synagoge Unbefugte zu schaffen machten, wodurch die Anwohner in ihrer Nachtruhe gestört würden."
noch Nr. 707: 12.11.38
00.15 Uhr: In betrunkenem Zustande eingeliefert wird der Vermessungsinspektor Paul Bartel, nach Ausnüchterung wieder entlassen um 05:50 Uhr. B. "hatte Teile eines Bretterzaunes beseitigt u. sich als Führer von einigen Volksgenossen auf die Brandstelle begeben um dieselbe zu besichtigen". Der beschadigte Bretterzaun wurde soweit möglich wieder befestigt.
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