Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen
17. Dezember 1820* (Hessisches Regierungsblatt 1820, S. 535 ff.)
Ludwig von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc.Nachdem Wir die, in Gemäßheit des Art. 21 Unsers Edicts vom 18. März d.J. über die landständische Verfassung geäußerten Wünsche Unserer getreuen Stände über die constitutionellen Bestimmungen vernommen und in Beziehung auf die selben Unsere Entschließungen gefaßt haben; so finden Wir Uns nunmehr bewogen, diese Entschließungen und die durch dieselben nicht abgeänderten verfassungsmäßigen Bestimmungen Unsers Edicts vom 18. März d.J. über die landständische Verfassung, so wie auch aus dem Wahlgesetze, der Geschäftsordnung, dem Edicte über das Staatsbürgerrecht und dem Edicte über den Staatsdienst in eine Urkunde zusammenzufassen und Wir verordnen daher Folgendes, als
Die Verfassung des Großherzogthums
Titel I : Von dem Großherzogthum und dessen Regierung im Allgemeinen
Artikel 1Das Großherzogthum bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes.
Artikel 2(1) Die Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands, oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, bilden einen Theil des Hessischen Staatsrechts und haben, wenn sie von dem Großherzoge verkündet worden sind, in dem Großherzogthume verbindende Kraft.
(2) Hierdurch wird jedoch die Mitwirkung der Stände in Ansehung der Mittel zur Erfüllung der Bundes-Verbindlichkeiten, in so weit dieselbe verfasungsmäßig begründet ist, nicht ausgeschlossen.
Das Großzogthum bildet, in der Gesammt-Vereinigung der älteren und neueren Gebietstheile, ein zu einer und derselben Verfassung verbundenes Ganzes.
Artikel 4(1) Der Großherzog ist das Oberhaupt des Staats, vereinigt in Sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie, unter den von Ihm gegebenen, in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus.
(2) Seine Person ist heilig und unverletzlich.
(1) Die Regierung ist in dem Großherzoglichen Hause erblich nach Erstgeburt und Linealfolge, vermöge Abstammung aus ebenbürtiger, mit Bewilligung des Großherzogs geschlossener Ehe.
(2) In Ermangelung eines durch Verwandtschaft, oder Erbverbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen geht die Regierung auf das weibliche Geschlecht über. Hierbei entscheidet die Nähe der Verwandtschaft mit dem letzten Großherzoge, bei gleicher Nähe das Alter.
(3) Nach dem Uebergange gilt wieder der Vorzug des Mannesstammes.
(4) Die diesen Grundsätzen gemäßen näheren Bestimmungen, so wie die Bestimmungen über die Regentschaft während der Minderjährigkeit, oder anderer Verhinderung des Großherzogs, werden durch das Hausgesetz festgesetzt, welches in so ferne einen Bestandtheil der Verfassung bildet.
Titel II. Von den Domänen
Artikel 6 Ein Drittheil der sämmtlichen Domänen, nach dem Durchschnitts-Ertrag der reinen Einkünfte berechnet, wird, nach der Auswahl des Großherzogs, an den Staat abgegeben, um, mittelst allmäligen Verkaufs, zur Schuldentilgung verwendet zu werden.Artikel 7
(1) Die übrigen zwei Drittheile bilden das schuldenfreie unveräußerliche Familien-Eigenthum des Großherzoglichen Hauses.(2) Die Einkünfte dieses Familienguts, worüber eine besondere Berechnung geführt wird, sollen jedoch in dem Budget aufgeführt und zu den Staatsausgaben verwendet werden, die zu den Bedürfnissen des Großherzoglichen Hauses und Hofes erforderlichen Summen sind aber darauf vorzugsweise radicirt und, ohne ständische Einwilligung, soll auch von diesem Familiengute nichts verhypothecirt werden.
Artikel 8
Bei künftigen Erwerbungen wird, nach den Rechtstiteln des Erwerbs, festgesetzt werden, ob sie zu dem Staats- oder dem Familien-Vermögen gehören.Artikel 9
(1) Das Veräußerungs-Verbot des Art. 7 bezieht sich nicht auf die Staats- und Regierungshandlungen mit auswärtigen Staaten.(2) Auch sind darunter der Verkauf entbehrlicher Gebäude, der in andern Staaten gelegenen Güter und Einkünfte, die Vergleiche zu Beendigung von Rechtsstreitigkeiten, die bloßen Austauschungen und die Ablösung des Lehns- und Erbleih-Verbands, der Grundzinsen und der Dienste nicht begriffen.
(3) In allen diesen Fällen wird aber den Ständen eine Berechnung über den Erlöß und dessen Wiederverwendung zum Grundstocke vorgelegt werden.
Artikel 10
Eben dieses gilt auch von den zum Staats-Vermögen gehörenden Domänen, wenn, nach Abzahlung der Schulden, der Erlöß aus den Veräußerungen nicht mehr zur Schuldentilgungs-Kasse abzuliefern ist.Artikel 11
Dem Großherzoge steht das Recht zu, heimgefallene Lehen wieder zu verleihen.
TITEL III. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Hessen
Artikel 12Der Genuß aller bürgerlichen Rechte in dem Großherzogthume, sowohl der Privatrechte, als der öffentlichen (oder des Staatsbürgerrechts) steht nur den Inländern zu.
Artikel 13Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben:
1. durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter damals Inländer waren;
2. durch Verheirathung einer Ausländerin mit einem Inländer;
3. durch Verleihung eines Staatsamts;
4. durch besondere Aufnahme.
(1) Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer männlichen Geschlechts, welche in keinem fremden persönlichen Unterthans-Verband stehen und wenigstens drey Jahre in dem Großherzogthume wohnen.
(2) Die in dem Besitze einer oder mehrerer Standesherrschaften sich befindenden Häupter der jetzigen standesherrlichen Familien haben jedoch das Staatsbürgerrecht ungeachtet eines fremden persönlichen Unterthans-Verbands.
Nicht christliche Glaubensgenossen haben das Staatsbürgerrecht alsdann, wenn es ihnen das Gesetz verliehen hat, oder wenn es Einzelnen entweder ausdrücklich, oder, durch Uebertragung eines Staatsamts, stillschweigend verliehen wird.
Artikel 16Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe ziehet den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Seine Ausübung wird gehindert:
1. durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition;
2. durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger;
3. während der Dauer einer Curatel und
4. für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung eines Andern Kost oder Lohn empfangen, während der Dauer dieses Verhältnisses.
Das Recht des Inländers geht verloren:
1. durch Auswanderung;
2. durch Verheurathung an einen Ausländer. Die Wittwe erhält jedoch die Rechte einer Inländerin wieder, wenn sie entweder im Großherzogthume geblieben ist, oder dahin, mit Erlaubniß der Staatsregierung und unter der Erklärung, sich darin niederlassen zu wollen, zurückkehrt.
Alle Hessen sind vor dem Gesetz gleich.
Artikel 19Die Geburt gewährt Keinem eine vorzügliche Berechtigung zu irgend einem Staats-Amte.
Artikel 20Die Verschiedenheit der in dem Großherzogthume anerkannten christlichen Confessionen hat keine Verschiedenheit in den politischen oder bürgerlichen Rechten zur Folge.
Artikel 21Den anerkannten christlichen Confessionen ist freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet.
Artikel 22Jedem Einwohner des Großherzogthums wird der Genuß vollkommener Gewissensfreiheit zugesichert. Der Vorwand der Gewissensfreiheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgend einer, nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen.
Artikel 23Die Freyheit der Person und des Eigenthums ist in dem Großherzogthume keiner Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen
Artikel 24Jedem Hessen stehet das Recht der freyen Auswanderung, nach den Bestimmungen des Gesetzes, zu.
Artikel 25Die Leibeigenschaft bleibt, nach den deßfalls bestehenden Gesetzen, für immer aufgehoben.
Artikel 26Ungemessene Frohnden können nie Statt finden und die gemessenen sind abzulösen.
Artikel 27Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung, nach dem Gesetze, in Anspruch genommen werden.
Artikel 28In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Hesse zur Vertheidigung des Vaterlands verpflichtet und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden.
Artikel 29Jeder Hesse, für welchen keine verfassungsmäßige Ausnahme bestehet, ist verpflichtet, an der ordentlichen Kriegs-Dienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den gleich Verpflichteten das Loos, mit Gestattung der Stellvertretung.
Artikel 30Alle Hessen sind zu gleichen staatsbürgerlichen Verbindlichkeiten und zu gleicher Theilnahme an den Staatslasten verpflichtet, in so ferne sie nicht eine verfassungsmäßige Ausnahme für sich in Anspruch zu nehmen haben.
Artikel 31Niemand soll seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
Artikel 32Das Materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren, innerhalb der Gränzen seiner gesetzlichen Form und Wirksamkeit, sind von dem Einflusse der Regierung unabhängig.
Artikel 33(1) Kein Hesse darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen, verhaftet oder bestraft werden.
(2) Keiner darf länger, als 18 Stunden, über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen werden und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer anderen Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden.
(1) Die Richter können nur durch gerichtliches Erkenntniß entsetzt, sie können auch nicht wider ihren Willen entlassen und nur dergestalt versetzt werden, daß sie in derselben Dienst-Kategorie verbleiben und weder im Gehalte, noch in dem Dienstgrade zurückgesetzt werden.
(2) Die Directoren der Justiz-Collegien bleiben jedoch den allgemeinen Bestimmungen der Dienst-Pragmatik unterworfen.
Die Presse und der Buchhandel sind in dem Großherzogthume frey, jedoch unter Befolgung der gegen den Mißbrauch bestehenden, oder künftig erfolgenden Gesetze.
Artikel 36Jedem steht die Wahl seines Berufes und Gewerbs, nach eigener Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienste bestehenden Gesetze, ist es jedem überlassen, sich für seine Bestimmung, im Inlande, oder Auslande, auszubilden.
Artikel 37
Die Rechtsverhältnisse der Standesherren werden durch das darüber erlassene Edict vom 17. Februar 1820 bestimmt, welches einen Bestandtheil der Verfassung bildet.
Artikel 38Die besonderen Rechtsverhältnisse des Adels genießen den Schutz der Verfassung.
Titel V: Von den Kirchen, den Unterrichts- und Wohlthätigkeits-AnstaltenArtikel 39
Die innere Kirchen-Verfassung genießt auch den Schutz der politischen.Artikel 40
Verordnungen der Kirchengewalt können, ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Großherzogs, weder verkündet noch vollzogen werden.Artikel 41
Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnissen und bei strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen.Artikel 42
Die Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen Gewalt können jederzeit bei der Regierung angebracht werden.Artikel 43
Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen , Wohlthätigkeits-, so wie der höheren und niederen Unterrichts-Anstalten genießen des besonderen Schutzes des Staates und können unter keiner Voraussetzung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden.Artikel 44
Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottesverehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit können nur mit ständischer Einwilligung zu einem fremdartigen Zwecke verwendet werden.Titel VI: Von den Gemeinden
Artikel 45Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch Gesetz geordnet werden, welches als Grundlage die eigene, selbstständige Verwaltung des Vermögens durch von der Gemeinde Gewählte, unter der Oberaufsicht des Staats, aussprechen wird. Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfassung bilden.
Artikel 46Das Vermögen der Gemeinden kann, unter keiner Voraussetzung, dem Finanz-Vermögen einverleibt werden.
Titel VII: Von dem Staats-DiensteArtikel 47
(1) Niemand kann ein Staatsamt erhalten, ohne seine Fähigkeit dazu, durch ordnungsgemäße Prüfung, bewiesen zu haben.(2) Bei solchen, welche im Auslande bereits Staatsämter bekleidet und dadurch ihre Fähigkeit bewährt haben, leidet diese Regel eine Ausnahme.
Artikel 48
Anwartschaften auf Staatsämter finden nicht Statt.Artikel 49
(1) Die gesetzlichen Bestimmungen über die Pensionirung der Staatsdiener und die Rechte derselben aus den bestehenden Instituten der Wittwen- und Waisen-Kassen stehen unter dem Schutz der Verfassung.(2) Denselben Schutz genießen insbesondere auch die durch die Dienst-Pragmatik bestimmten Rechte der Militärpersonen auf die gesetzlichen Pensionen.
Artikel 50
Untersuchungen gegen Staatsdiener wegen Dienstverbrechen können nicht niedergeschlagen und Staatsdiener, welche des Dienstes dergestalt entsetzt worden sind, daß das Urtheil ihre Unfähigkeit, im Staatsdienste wieder angestellt zu werden, ausdrücklich ausgesprochen hat, nie im Staatsdienste wieder angestellt werden.Titel VIII: Von den Landständen
Artikel 51Die Stände des Großherzogthums bilden zwey Kammern.
Artikel 52Die erste Kammer wird gebildet:
1. aus den Prinzen des Großherzoglichen Hauses;
2. aus den Häuptern standesherrlicher Familien, welche sich in dem Besitze einer oder mehrerer Standesherrschaften befinden, nach dem § 16 des Edictes über die standesherrlichen Verhältnisse;
3. aus dem Senior der Familie der Freyherrn von Riedesel;
4. aus dem katholischen Landesbischof. Im Falle der Erledigung des Stuhls wird der Großherzog einem ausgezeichneten katholischen Geistlichen den Auftrag ertheilen, an der Stelle des Bischofs bei dem Landtage zu erscheinen;
5. aus einem protestantischen Geistlichen, welchen der Großherzog dazu auf Lebenszeit, mit der Würde eines Prälaten, ernennen wird;
6. aus dem Kanzler der Landes-Universität, oder dessen Stellvertreter;
7. aus denjenigen ausgezeichneten Staatsbürgern, welche der Großherzog auf Lebenszeit dazu berufen wird. Die Ernennungen sollen nicht über die Zahl von zehn Mitgliedern ausgedehnt werden.
(1) Die zweyte Kammer wird gebildet:
1. aus sechs Abgeordneten, welche der in dem Großherzogthum genügend mit Grundeigenthum angesessene Adel aus seine Mitte wählt;
2. aus zehn Abgeordneten derjenigen Städte, welchen, um die Interessen des Handels, oder alte achtbare Erinnerungen zu ehren, ein besonderes Wahlrecht zustehet.
(2) Diese Städte sind:
a) die Residenzstadt Darmstadt,
b) die Stadt Mainz, von welchen je 2 Abgeordnete zu wählen hat,
c) die Stadt Gießen,
d) die Stadt Offenbach,
e) die Stadt Friedberg,
f) die Stadt Alsfeld,
g) die Stadt Worms,
h) die Stadt Bingen, von welchen jede einen Abgeordneten wählt;
3. aus 34 Abgeordneten, welche nach Wahldistricten gebildet, von den nicht mit einem besonderen Wahlrechte begabten Städten und den Landgemeinden gewählt werden.
(3) Die Art und Weise, wie die durch diese Artikel bestimmten Wahlrechte ausgeübt werden, setzt das Wahlgesetz fest.
Die gebornen Mitglieder der ersten Kammer können von ihrem Rechte nur dann Gebrauch machen, wenn sie das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben und ihnen in Hinsicht auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte kein Hinderniß entgegensteht.
Artikel 55(1) Die Abgeordneten der zweyten Kammer müssen Staatsbürger seyn, welche das 30. Jahr zurückgelegt haben und ein zur Sicherung einer unabhängigen Existenz genügendes Einkommen besitzen.
(2) Als ein solches wird für die Wahlen des Adels betrachtet, wenn der zu wählende adliche Grundeigenthümer 300 fl. directe Steuern für eigenthümliches, oder nutznießliches Vermögen jährlich entrichtet.
(3) Für die übrigen Wahlen wird erfordert, daß der zu wählende 100 fl. directe Steuern jährlich entrichte, oder als Staatsdiener einen ständigen jährlichen Gehalt von wenigstens 1 000 fl. beziehe.
(4) Wenn jedoch in einem Wahl-Bezirke keine 25 Wählbare, welche 100 fl. directe Steuern entrichten, vorhanden seyn sollten, so soll die Zahl 25 durch die zunächst höchst besteuerten in diesem Bezirke, mit Wählbarkeit für das ganze Land, ergänzt werden.
(1) An den Wahlen des Adels nehmen alle adliche Grundeigenthümer, welche 300 fl. directe Steuern entrichten, und das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben, Theil.
(2) Mitglieder der ersten Kammer können daran nicht als Wähler Antheil nehmen.
(1) Die Ernennung der Abgeordneten der Städte und der Wahldistricte geschieht durch drey Wahlen.
(2) Die erste Wahl bestimmt die Bevollmächtigten. Von dieser werden die Wahlmänner und von den letzten die Abgeordneten gewählt.
(3) Zu Wahlmännern wählbar sind die 60 Höchstbesteuerten in dem Districte wohnenden Staatsbürger, welche wenigstens 30 Jahre alt sind.
(4) Die Anzahl der für jeden District und für jede Stadt, sie möge einen oder zwey Abgeordneten zu ernennen haben, zu wählenden Wahlmänner wird auf 25 festgesetzt.
(5) An keinen der in diesem Artikel bestimmten Wahlen kann ein Mitglied der ersten Kammer, oder ein bei den Wahlen des Adels Stimmfähiger, oder Wählbarer Antheil nehmen.
Ein Mitglied der ersten Kammer kann nicht zur zweyten gewählt werden.
Artikel 59(1) Alle Wahlen der Abgeordneten geschehen auf 6 Jahre. Es ist aber nicht verboten, nach dem Ablaufe dieser Zeitperiode, den Gewählten wieder auf 6 Jahre zu wählen.
(2) Während dieser Zeit findet eine neue Wahl von Abgeordneten für den Rest der 6 Jahre nur dann Statt:
1. wenn ein Abgeordneter stirbt, oder unfähig wird;
2. wenn ein Gewählter die Wahl ablehnt. Dieses kann er aber nur wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wenn häusliche Verhältnisse, nach dem Zeugnisse der vorgesetzten Behörde, die persönliche Gegenwart des Gewählten zu Hause wesentlich erfordern. Auch die Staatsdiener sind an diese Regel gebunden, wenn ihnen nicht der Urlaub versagt wird.
(3) Veränderungen in der Steuerquote, oder dem Dienstverhältnisse während der Dauer eines Landtags machen für diesen Landtag nicht unfähig, den Fall der Entsetzung vom Dienste, oder der Suspension vom Dienste und Gehalte, oder des Verlusts oder der Suspension des Staatsbürgerrechts ausgenommen.
Wer als Mitglied der einen oder der andern Kammer auf Landtagen erscheinen will, darf nie wegen Verbrechen, oder Vergehen, die nicht blos zur niederen Polizei gehören, vor Gericht gestanden haben, ohne gänzlich freygesprochen worden zu seyn.
Artikel 61(1) Weder in der ersten noch in der zweyten Kammer darf man sein Stimmrecht durch einen Stellvertreter ausüben lassen, oder für seine Stimme Instructionen annehmen.
(2) In dem Falle jedoch, wenn ein Standesherr durch Minderjährigkeit oder Curatel abgehalten wird, tritt ein Agnat, welcher die Vormundschaft oder Curatel führt, an dessen Stelle, vorausgesetzt, daß derselbe in jeder Hinsicht als gehörig qualificirt erscheint. Auch soll ein Standesherr in solchen Fällen, wo er durch Gründe, welche auch in der zweyten Kammer entschuldigen, verhindert wäre, wenn die erste Kammer diese Gründe für zulänglich erkennt, das Recht haben, sich durch den nächsten Agnaten, wenn dieser gehörig qualificirt ist, für diesen Landtag vertreten lassen.
(3) Dieses Recht steht, unter denselben Bedingungen, auch dem Senior der Familie der Freyherrn von Riedesel zu.
(4) Nie darf aber ein solcher Stellvertreter nach Instructionen handeln, und nie, eben so wenig wie ein aus eigenem Recht Berechtigter, mehrere Stimmen führen.
In den beiden Kammern haben die Mitglieder des Geheimen Staats-Ministeriums und die ernannten Landtags-Kommissarien freien Zutritt ohne Stimmrecht.
Artikel 63(1) Der Großherzog allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische Versammlung zu vertragen, aufzulösen und zu schließen.
(2) Eine willkührliche Vereinigung der Stände ohne Einberufung, oder nach dem Schlusse, der Vertagung, oder Auflösung ist gesetzwidrig und strafbar.
Der Großherzog wird die Stände wenigstens alle drey Jahre versammeln. Im Falle einer Auflösung wird Er binnen 6 Monaten eine neue Ständeversammlung berufen.
Artikel 65In dem Falle einer Auflösung erlöschen alle Rechte aus den bisherigen Wahlen, und es müssen für die neu einberufene ständische Versammlung neue Wahlen Statt finden. Bei diesen Wahlen sind jedoch auch die früher Gewählten wählbar.
Artikel 66(1) Die Stände sind nur befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche die nachfolgenden Artikel zu ihrem Wirkungskreise verweisen.
(2) Die Ueberschreitung dieser Befugniß ist eben so zu betrachten, wie eine willkührliche Vereinigung.
(1) Ohne Zustimmung der Stände kann keine directe oder indirecte Auflage ausgeschrieben oder erhoben werden.
(2) Das Finanzgesetz, welches immer auf drey Jahre gegeben wird, soll zuerst der zweyten Kammer vorgelegt werden, welche darüber, nach einer vorherigen vertraulichen Besprechung mit der ersten Kammer durch die Ausschüsse, ihre Beschlüsse zu fassen hat. Die Beschlüsse der zweyten Kammer kann die erste nur im Ganzen annehmen oder verwerfen.
(3) Geschieht das Letztere, so wird das Finanzgesetz in einer Versammlung der vereinigten beiden Kammern, unter dem Vorsitz des Präsidenten der ersten, discutirt und der Beschluß nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt.
(1) Die Bewilligungen dürfen von keiner Kammer an die Bedingung der Erfüllung bestimmter Desiderien geknüpft werden.
(2) Beide Kammern sind jedoch befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfnisse, sondern auch eine genügende Auskunft über die Verwendung früher verwilligter Summen zu begehren.
(1) Die Auflagen, insoferne sie nicht blos für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, dürfen, nach Ablauf der Verwilligungszeit, noch sechs Monate forterhoben werden, wenn die Ständeversammlung aufgelößt wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern.
(2) Diese sechs Monate werden jedoch in die neue Finanz-Periode eingerechnet.
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