Bericht über den Gesundheitszustand polnischer Arbeiter aus dem Jahre 1942, die zwangsweise in der Fabrik der "Dynamit-Actien-Gesellschaft zu Allendorf" arbeiten mußten.
Ärztliches Gutachten über strafgefangene Lagerinsassen
Abschrift.
Herrn
Dr. von Hoermann
Dr. D/V. 3.7.1942
Gestern Abend meldeten sich bei den strafgefangenen Polen gut 2/3 der Lagerinsassen krank. Bei der Untersuchung musste ich feststellen, dass bei fast allen diesen Leuten es sich um schwerste Oedeme der Füsse bis teilweise hinauf zum Hüftgelenk handelte, die ausnahmslos als Hungerödem zu bezeichnen sind. 20 Strafgefangene mussten sofort ins Krankenrevier, und es ist wohl vor 10 - 14 Tagen nicht mit Arbeitsfähigkeit dieser Leute zu rechnen. Weitere 25 Mann habe ich zu leichter Arbeit bestimmt, obschon auch dieses nur in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um Strafgefangene handelt, zu verantworten ist. Zu Beginn dieser Woche ist einer der Strafgefangenen an diesem Hungerödem gestorben. Wenn die Ernährung dort nicht anders wird, so ist mit weiteren Todesfällen zu rechnen, abgesehen davon, dass in Kürze bei dieser Ernährung wohl kaum noch Strafgefangene da sein werden, die arbeitsfähig sind.
Mir ist bekannt, dass bei der Behandlung dieser Gefangenen jegliche Härte geboten ist, dass aber ausdrücklich angeordnet ist, die Verpflegung so gut wir nur möglich zu halten, um eben die Arbeitskraft der Gefangenen zu erhalten. Da die jetzigen Zuteilungen in keiner Weise ausreichen, bitte ich im Interesse der Erhaltung von Arbeitskräften für das Werk, die entsprechenden Stellen der D A F., des Wirtschaftsamtes usw. auf diesen Zustand hinzuweisen, u. für Abänderung zu sorgen. Die jetzt erkrankten Leute müssen ja auch weiterhin verpflegt werden, ohne dass eine Arbeitsleistung von ihnen erwartet werden kann, und ich halte es deshalb für ein Gebot der Vernunft, die Verpflegung von vornherein so zu halten, dass die Arbeitskraft erhalten bleibt, da sonst eine unproduktive Belastung entsteht.
Einige Tage nach der Einstellung der Strafgefangenen traten die oben genannten Erscheinungen zum 1.mal auf. Damals konnten wir durch Umstellung der Ernährung (vor allen Dingen weniger Flüssigkeit und kompaktere festere Kost und Weglassen jeglicher scharfer Gewürze) die Erkrankung bald beheben. Seit 10 Tagen ist aber in der Verpflegung wieder eine Verschlechterung eingetreten und als Folge davon erneutes Auftreten dieser schweren Oedeme. Ich halte es für richtig, wenigstens einige Male in der Woche den Gefangenen ihr Essen in getrennter Form und nicht als Suppe zu geben (z.B.: Kartoffeln mit oder ohne irgendeine Tunke und Gemüse beides für sich), jedenfalls das Essen flüssigkeitsarm zu halten.
gez. Dr. Derichs
Betriebsarzt
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