Die Auszüge aus den Berichten der Regierungspräsidenten und der Landräte aus dem Sommer 1934 geben einen Eindruck von der Stimmung der Bevölkerung wieder.
Die Lage im Regierungsbezirk Kassel im Sommer 1934
Der Stellvertretende Landrat berichtet am 2.8.1934 aus dem Kreis Marburg-Land:
3. Kirchenpolitik
[...] Der Widerstand der Pfarrer gegen alle die bisher eingerichteten Maßnahmen erklärt sich so, daß diese Maßnahmen als ein Eingriff in die Freiheit der Kirche angesehen werden. [...] Gerade die ländliche Bevölkerung ist mit der alten überlieferten christlichen Lehre so im Innern verbunden, daß sie eine grundlegende Änderung ihrer Anschauung auf diesem Gebiet keinesfalls mit dem Herzen mitmachen kann. Gerade auf diesem Gebiet werden dem Einzelnen, auch wenn er Nationalsozialist ist, Zweifel in die Brust gelegt. Auf der andern Seite wird der in der evangelischen deutschen Welt hervorgerufene unglückliche Kampf von wirklichen Christen so sehr bedauert, zumal diese innere Zersplitterung von Seiten der katholischen Kirche mit Freuden begrüßt wird - leider eine Tatsache, die nicht von der Hand zu weisen ist. Das sind alles Dinge, die einer wirklichen Volksgemeinschaft in stärkstem Maße entgegenarbeiten. Wenn auf politischem Gebiet wirklich eine Volksgemeinschaft erzielt ist, so ist auf religiösem Gebiet ein solcher Kampf entbrannt, der unser Volk in große und kleine Gruppen zu zersplittern droht. [...]
Der Landrat des Kreises Herrschaft Schmalkalden vom 4.8.1934:
3. Kirchenpolitik:
a) Evangelische Kirche: Bis jetzt konnte der Kirchenfriede rein äußerlich erhalten bleiben. Die evangelischen Pfarrer (ausschließlich Pfarrer Frank, hier, welcher der NSDAP angehört) sind mit dem Reichsbischof nicht einverstanden, angeblich fürchten sie für das Bekenntnis. [...] Die Bevölkerung hängt an der lutherischen Bekenntniskirche und wünscht, daß auch bei der Jugenderziehung in der HJ und in den Verbänden den religiösen Erfordernissen Rechnung getragen wird. Bis tief in die ältesten Parteikreise wird in dieser Beziehung heftige Kritik an den höheren Jugendführern geübt, die vielfach als christentumsfeindlich und kirchenfeindlich empfunden werden. Der Dienst der SA, ferner Führerbesprechungen usw. werden vielfach in die Zeiten der Hauptgottesdienste gelegt. Dadurch werden viele alte PG. in ernste Gewissensqualen gebracht, welche sich sagen, daß der Führer das nicht wünsche, aber untergeordnete Stellen wahrscheinlich absichtlich so etwas anordneten, um das Verhältnis zur Kirche zu trüben. [...]
c) Deutsche Glaubensbewegung: Diese wird hier abgelehnt und gibt es hier nicht.
Regierungsrat Bierbach berichtet aus dem Regierungsbezirk Kassel am 4. September 1934:
VII. Juden und Freimaurer
Die Judenfrage hat sich noch nicht beruhigt. Nachdem Übergriffe gegen Juden bestimmungsgemäß verhindert worden sind, macht sich das Judentum auf dem Lande wieder bemerkbar. Der Viehhandel liegt in vielen Kreisen noch fast völlig in jüdischen Händen. Die Bauern handeln vielfach lieber noch mit den Juden als mit christlichen Viehhändlern. [...] Im Kreis Schlüchtern wurde festgestellt, daß die Kinder der Bibelforscher am politischen Leben kein Interesse zeigen. Sie singen keine vaterländischen Lieder mit und grüßen auch nicht mit dem Deutschen Gruß.
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