Der Abdruck der brisanten Abrechnung Papens mit der NS-Ideologie wurde sofort untersagt. Nur in wenigen Zeitungen, vor allem im Ausland, wurde die Papenrede vollständig abgedruckt und kommentiert.
[Unter der Überschrift "Papen und Göring" ist am Schluß eines langen Artikels in der "Neuen Züricher Zeitung" vom 21. Juni 1934 über die Rede des Vizekanzlers von Papen zu lesen:]
Papen bestätigte damit die Unzufriedenheit über die Einschnürung der Persönlichkeitsrechte, die eine Selbstverständlichkeit der bürgerlichen Kultur waren; er charakterisierte mit einem harten und scharfen Wort die grassierende Verachtung des Geistes als einer "Verwechselung von Vitalität und Brutalität", rettete die als "liberalistisch" verfemten Begriffe der Menschlichkeit, Freiheit und Gleichheit vor dem Richter, indem er sie zu germanisch-christlichen Begriffen erhob, verteidigte das Christentum als einheitliche Glaubensgrundlage des deutschen Volkes und scheute sich nicht, auf die Gefahr einer Selbstausschließung des Deutschtums aus der Reihe der christlichen Völker hinzuweisen und damit die Richtigkeit der Besorgnisse angesichts der "neuheidnischen" Verwirrung der Geister in Deutschland zu bekennen.
Vielleicht ist es ein Zeichen opportunistischen und nationalistischen Denkens, wenn Papen die Unmöglichkeit einer Abkehr vom Christentum seinen Zuhörern damit zu beweisen suchte, dass dann ein "Hineinwirken in den europäischen Raum" aufhöre und der gewaltige Gedanke des Reiches gefährdet sei; die Wirksamkeit der Argumente hängt aber schliesslich von der Anpassung an die Zeitströmungen ab. Der Richtung der Strömung und des Sinnes der Geschichte sogar fühlt sich Papen allerdings so sicher, dass er den konservativen Charakter der Revolution des 20. Jahrhunderts gegen die liberale Revolution von 1789 aus der Logik der antiliberalen Entwicklung ableiten zu können glaubt. Vielleicht hing es schon mit diesem gläubigen, in seiner Art romantischen Vertrauen auf eine automatische Entwicklung nach logischen Gesetzen zusammen, dass Papen sich in der entscheidenden Stunde, als er den Pakt zwischen den konservativ-nationalen Kräften und den Nationalsozialisten zustande brachte, über die entwicklungsbestimmende und Geschichte schaffende Rolle von Revolutionären in verhängnisvoller Weise täuschte. Er trägt seit jener Stunde eine schwere Verantwortung; mancher von den Konservativen, die ihm damals vertrauensvoll folgten, mag darum noch einen Groll gegen ihn hegen; aber niemand wird bestreiten, dass Vizekanzler v. Papen sich in Marburg, um eine dem preussischen Korpsgeist angemessene Ausdrucksweise zu gebrauchen, mutig und ehrenvoll "herausgepaukt" hat.
Trotzdem werden die konservativen Kreise eher versucht sein, ihre Hoffnung auf Göring zu setzen; denn der preussische Ministerpräsident verfügt über das, was Papen in nennenswertem Masse nicht besitzt: Macht. Er kann dem Reichskanzler, wenn dieser, hypothetisch gesprochen, einmal gegen die treibenden Kräfte einer zweiten Revolution und für die konservativen Tendenz optieren sollte, in Preussen eine immer noch sehr starke Stütze bieten. Görings Bereitschaft scheint nicht nur in seinen vielfachen Beziehungen zu konservativen Gesellschafts- und Wirtschaftskreisen begründet zu sein, sondern zum Beispiel auch in seinem lebhaften Interesse an der Schaffung des "Feldjägerkorps", der sogenannten "Weissen SA", zum Ausdruck zu kommen, und schließlich war seine Rede vor dem preussischen Staatsrat in ihrer besonderen Art ebenso ein Appell an Hitler wie die Marburger Rede v. Papens.
Neue Züricher Zeitung v. 21. Juni 1934
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