Auszüge aus der Rede des Vizekanzlers Franz von Papen am 17. Juni 1934 vor dem Universitätsbund in Marburg, die sein Sekretär Edgar J. Jung verfaßt hatte.
Aus der Marburger Rede des Vizekanzlers Franz von Papen
[...] Außerdem muß sich der Staatsmann noch über ein zweites Erfordernis klar werden, nämlich darüber, daß eine Zeitenwende zwar eine totale ist, also alle Lebensäußerungen und Lebensumstände erfaßt und verändert, daß aber vor diesem gewaltigen Hintergrund das politische Geschehen des Vordergrundes sich abspielt, auf welches allein der Begriff der Politik angewandt werden darf. Der Staatsmann und Politiker kann den Staat reformieren, aber nicht das Leben selbst. Die Aufgaben des Lebensreformers und des Politikers sind grundverschiedene. Aus dieser Erkenntnis heraus hat der Führer in seinem Werk "Mein Kampf" erklärt, die Aufgabe der Bewegung sei nicht die einer religiösen Reformation, sondern die einer politischen Reorganisation unseres Volkes. Die Zeitenwende als totaler Begriff entzieht sich deshalb bis zu einem gewissen Grade der staatlichen Formung. Nicht alles Leben kann organisiert werden, weil man es sonst mechanisiert. Der Staat ist Organisation, das Leben Wachstum [...].
Die Vorherrschaft einer einzigen Partei anstelle des [...] Mehrparteiensystems erscheint mir geschichtlich als ein Übergangszustand, der nur solange Berechtigung hat, als es die Sicherung des Umbruchs verlangt und bis die neue personelle Auslese in Funktion tritt. Denn die Logik der antiliberalen Entwicklung verlangt das Prinzip einer organischen politischen Willensbildung, die auf Freiwilligkeit aller Volksteile beruht. Nur organische Bindungen überwinden die Partei und schaffen jene freiheitliche Volksgemeinschaft, die am Ende dieser Revolution stehen muß [...].
Ich bin der Überzeugung, daß die christliche Lehre schlechthin die religiöse Form alles abendländischen Denkens darstellt und daß mit dem Wiedererwachen der religiösen Kräfte eine neue Durchdringung auch des deutschen Volkes mit christlichem Gute stattfindet, dessen letzte Tiefe eine durch das 19. Jahrhundert gegangene Menscheit kaum erahnt. Um diese Entscheidung, ob das neue Reich der Deutschen christlich sein wird oder sich im Sektierertum und halbreligiösen Materialismus verliert, wird gerungen werden. Sie wird einfach sein, wenn alle Versuche, sie von der Staatsgewalt her in Richtung einer gewaltsamen Reformation zu beeinflussen, unterbleiben. Es ist zuzugeben, daß in diesem Widerstand christlicher Kreise gegen staatliche und parteiliche Eingriffe in die Kirche ein politisches Moment liegt. Aber nur deshalb, weil politische Eingriffe in den religiösen Bezirk die Betroffenen zwingen, aus religiösen Gründen den auf diesem Gebiete widernatürlichen Totalitätsanspruch abzulehnen. Auch als Katholik habe ich Verständnis dafür, daß eine auf Gewissensfreiheit aufgebaute religiöse Überzeugung es ablehnt, sich von der Politik her im Ureigensten kommandieren zu lassen. Man soll sich deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, daß etwa aufgezwungene Glaubenskämpfe Kräfte auslösen würden, an denen auch Gewalt scheitern muß. Man sollte auch in jenen Kreisen, die eine neue, arteigene, religiöse Einigung erhoffen, sich einmal die Frage stellen, wie sie sich die Erfüllung der deutschen Aufgabe in Europa vorstellen, wenn wir uns freiwillig aus der Reihe der christlichen Völker ausschalten. Jedes Wirken in den europäischen Raum hinein erscheint mir unter solchen Voraussetzungen als unmöglich. Die Tatsache einer gemeinsamen europäischen Kultur und Zivilisation, für die wir selbst soviel beigesteuert haben, verpflichtet trotz aller völkischen Besonderheit der einzelnen Kulturleistung. Wir dürfen uns nicht geistig an den Grenzen abschließen und uns freiwillig in ein Ghetto begeben. Hier liegt die wirkliche Reaktion, das Sichverschließen gegenüber der geschichtlichen Notwendigkeit und der Sendung eines Volkes, das, wenn es ein wirklich großes Volk war, noch immer den Gedanken des Reiches pflegte [...].
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