Dokument 29
Auszug aus einem Brief des ehemaligen freien Mitarbeiters des Hessischen Tageblatts Dr. G. Hägermannn aus Berlin an den Verleger Hermann Bauer mit dessen persönlicher Einschätzung der Pressearbeit unter der nationalsozialistischen Regierung, 24. März 1933
Urheber
Dr. G. Hägermann
Datum
24.03.1933
Bestand/Sign.
HStAM Best. M 108 Nr.7 / Nachlass Hermann Bauer
Bestand/Inventar
1
Brief eines freien Mitarbeiters von Hermann Bauer vom 24. März 1933.
[Brief des Dr. G. Hägermann aus Berlin an den Verleger Hermann Bauer, dessen Zeitung, das "Hessische Tageblatt", schon am 14. März 1933 für drei Tage verboten worden war.]
Dr. G. Hägermann Berlin W 57, 24. 3. 33
Herrn Verleger Bauer
Marburg
Lieber Herr Bauer,
so wäre der heutige Leiter [Leitartikel] wohl der letzte, den ich Ihnen zu schreiben hatte. Es täte mir aufrichtig leid, denn ich bekenne offen, ich habe die Artikel gern geschrieben, da Sie eine der wenigen Zeitungen in Deutschland machen, in der man überhaupt noch etwas sagen kann. Sonst ist es ja trostlos. ich möchte Ihnen doch noch einmal zu überlegen geben, ob es bei Ihrer Absicht bleiben soll. [...] Darf ich bei der Gelegenheit fragen, warum Sie damals eigentlich verboten worden sind? [...] Im übrigen glaube ich, dass die Regierung und besonders Göbbels noch mancherlei mit der Presse vor hat. Dabei handelt es sich allerdings zunächst um die grosse Presse, die im Ausland gelesen wird. Sie will man ganz unter die Fuchtel bekommen, soweit dies nicht schon der Fall ist. Das Berl[iner]. Tageblatt soll schon verkauft sein, Mosse geht es jedenfalls sehr schlecht, er hatte einen grossen Kredit bei der Dresdner Bank, die unter Reichskontrolle steht, er ist gekündigt worden, um Mosse in die Hand zu bekommen. Ullstein steht noch besser da, aber es wird ihm nicht viel nützen. Göbbels will ein Anzeigenmonopol, mit dem er dann die Presse an die Leine legen will. Wer nicht pariert, wird nicht bedacht. Ob sich das die Inserenten allerdings gefallen lassen, steht dahin. Leider ist Herr Hugenberg im Kabinett, der möglicherweise einen Vorteil dabei zu haben glaubt, ob allerdings auf die Dauer, ist zu bezweifeln.
[...] Die kleine Presse wird man zunächst weniger beachten, man ist allerdings der Meinung, es gäbe viel zu viele Zeitungen in Deutschland, es genüge, wenn man wenige grosse Zeitungen habe, die das ganze Land versorgen, man meint damit offenbar die Parteizeitungen, verkennt aber völlig die Wichtigkeit der Heimatzeitungen. Man denkt vielmehr nur an die Möglichkeit, wenige grosse Zeitungen besser kontrollieren zu können. Ich glaube, dass die kleinen Zeitungen sich wohl halten können, wenn sie klug auf die veränderte Lage eingehen und sich auf sie einstellen, etwa so, wie ich das in meinem Leiter heute anzudeuten versuche, nicht charakterlos, das imponiert den neuen Männern am wenigsten, sondern indem man die Hand annimmt, die Hitler allen angeboten hat, und daraus sein Recht auf Anerkennung ableitet.
Die alten Parteien und Meinungen sind tatsächlich tot, wenn man das hier beobachtet, so gewinnt man erst den richtigen Eindruck von der Totalität des Umschwungs.
Ich hoffe, Sie werden es auch weiter schaffen, ich würde Ihnen gern etwas dabei helfen, denn man kennt ja so die Mentalität. [...]
Mit besten Grüssen Ihr
Hägermann
Bearbeiter: En — URL dieses Dokuments: http://digitales-archiv-marburg.de/index.php?doc=1532
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