Dokument 17
Auszug aus einem Brief des hessischen Auswanderers Johann Christian Lenz aus Amerika über die Stellung der verheirateten Frau in Amerika, 7. Januar 1868
Urheber
Johann Christian Lenz
Datum
07.01.1868
Bestand/Sign.
Druck: W. Helbig u.a. (Hrsg.) Briefe aus Amerika. Deutsche Auswanderer schreiben aus der Neuen Welt 1830--1930, München, S. 138 f.
Bestand/Inventar
1
Johann Christian Lenz, der fünfte Sohn eines Kuhhirten aus der Provinz Hessen-Nassau, beschreibt in einem langen Brief aus Lenesville vom 7.1.1868 die Stellung der verheirateten Frau in Amerika.
Ein Brief aus Amerika
Lenesville den 7ten Januar 1868
Lieber Bruder!
[...] für deinen Wilhelm ist es hier nichts, denn Er hat lange nichts mir [mehr] gearbeited, und Steiger kan Er her nicht werden, weil Er die Sprache nicht kann, las Ihn lieber heiraden und bei Euch bleiben; für den Schmidt ist es hier fül beser, denn die Schmidt verdienen hier fül Gelt, für den Schullerer ist es auch beser hier als bei Euch in Deutschland; in den großen Stätten werden die Schullerer gut bezahlt von 30 bis 50 Dahler den Monad, wen einer Deutsch und Englisch kan, bekomd einer noch mir [mehr], das Englische hat er balt gelerd, wen Er einen guten Kobf hat, es gieb hier Deutsch und auch Enlische Schulen und auch woh beites gedriben wird; die lebens midel sind hier auch sehr deuer, es ist in zwei Jahr keine fole Ernde gewesen; von dem Carl Wihl kan ich Dir nicht fül schreiben, den wür Wohnen 10 bis 12 [Meilen] von einander, da ich Ihn das leze mahl sah vor drei Jaher, da sagte Er mir, daß Er nicht mir bei Seiner Frau sei, sondern Ein jedes Lebe vor Sich, der grose Buhb sei bei Ihm, die ander Kinder bei Seiner Frau; wer schuld ist, weis ich nicht regt, Er oder Sie. Er sachte, das seine Frau schult sei, aber wih ich höre, so ist Er schult, Er hat seine Frau über jede kleinigkeit geschlagen, und das geht hier nicht; hier mus die Frau als Frau behandelt werden und nicht als ein Schuhlumb, wie ich es in Deutschland so oft gesehn habe, daß der Man mit der Frau mahen kan, was Er wiel; wer seine Frau in Deutschland gerne schlägt, der bleibe besser in Deutschland, hir geht das nicht oder Er hat balt keine Frau mir [...].
Du schreibst, daß es Dir ein räzel ist, daß hier einer Arm bleid, der ander Reig [reich] wird, ich dönke doch, Du hast es genug in Deutschland for Augen, wär Lügen und betrüchen kann und jeden vervordeilen wiel, daß der geschwinder reig wird, als der redlig durch die Welt geht; es ist war, daß füle Deutsche hir reig werden, ich köne edliche, die haben fül, aber sie haben Saufhäuser, und auch sonst gibst noch schlege [schlechte] Häuser [...]. Wen Du ein mahl durch die Stadt Louisville ginst, da wirds Du in manchen Strasen nichts als Werzhäuser sehn und das sind fast ale Deutsche, die die Saufhäuser haben, und ich sage Dir, es sind Teufelhäuser; da sitzen die Männer und saufen, und ihre Weiber und Kinder haben kein Broht und keine Kleider am Leib; ich habe edige gekant, die reig hier herr kamen und haben ales versofen und Sich zulezt eine Kugel vor den Kobf geschosen [...]
Herzlichen Grüse von uns allen Dein Bruder
Christian Lenz
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