Auszug aus der propreußischen "Hessischen Morgenzeitung" aus Kassel vom 8. Oktober 1866, in der die Verkündigung der Besitzergreifung in Kassel beschrieben wird.
Die Verkündigung der Besitzergreifung durch Preußen
Am heutigen Tage ist mit unserm hessischen Vaterlande jene große bedeutungsvolle Wandelung vor sich gegangen, welche durch das Ergebniß des deutschen Krieges von diesem Sommer bewirkt worden ist. Die vielhundertjährige Selbstständigkeit des hessen=kasselschen Landes, welches zwei Monate gleich einem eroberten Lande besetzt und verwaltet war, ist in förmlicher und feierlicher Weise zu Grabe getragen und die Gemeinschaft mit einem andern, weit größeren Staatswesen hat sich, und zwar aller Voraussicht wie aller Hoffnung nach in keiner blos vorübergehenden Weise, eröffnet. Untergegangen in seiner Selbstständigkeit ist Kurhessen für immer, untergegangen sind aber zugleich, was auch die Folgezeit bringen mag, alle die zahllosen, so lange geduldig ertragenen Leiden, die nur in einem Kleinstaat möglich sind und aus einer kleinlichen Auffassung der öffentlichen Dinge wie der Volkswohlfahrt hervorgingen. [...] Die Opfer, welche bei so großen Veränderungen unvermeidlich sind, können durch die neue Entwicklung der Dinge später reichlich ersetzt werden und das, was selbst Preußens treueste Freunde an Wünschen und Bestrebungen aufgeben müssen, wird wenigstens aufgewogen durch die Erhöhung der Fähigkeit in Weiterverfolgung der nationalen Ziele. [...]
Die feierliche Verkündigung der Besitzergreifung erfolgte heute Vormittag um 11 Uhr durch den Präsidenten Hrn. v. Moeller vom Balkon des s.g. rothen Palais aus. [...] [Er] hielt folgende Ansprache: "Meine Herren! Es vollendet sich das wichtigste Ereigniß in der Geschichte des Landes. Das hessische Volk tritt aus seinen engen Grenzen heraus, um als Glied des preußischen Volkes unter Führung der Hohenzollern größere Ziele zu verfolgen, den Ruhm und die Geschicke Preußens zu theilen. Die Tausende, welche hier versammelt sind, geben lebendiges Zeugniß, daß das Hessenvolk die unermeßliche Bedeutung dieses Ereignisses für sein Glück und seine Wohlfahrt zu erfassen und zu würdigen weiß. Mag Mancher mit Wehmuth auf den nothwendigen Untergang des Kurstaates blicken, einst werden Alle die Wandlung segnen, und die kommenden Geschlechter werden diese Zeit preisen, daß sie ihnen den deutschen Großstaat gegeben, daß sie ihnen den Grund gelegt hat zu den stolzen Glücke, Preußen zu sein, und zu der Wohlfahrt, wozu auch die Provinz unter dem weisen Scepter der Hohenzollern emporblühen wird. Die Verheißung und die Bürgschaft dieses Glückes geben die königlichen Worte der allerhöchsten Proclamation [...].
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