Stresemannstraße
von Kira Friebertshäuser
Die für ihre schönen Kirschblüten bekannte Stresemannstraße im Marburger Südviertel ist im Frühling ein sehr beliebter Foto-Hotspot aufgrund ihrer beidseitigen Bepflanzung mit den japanischen Zierkirschen.
Gustav Stresemann, nach dem die Straße benannt ist, wurde bekannt als Reichskanzler und Außenminister der Weimarer Republik und hatte wesentlichen Anteil an der Stabilisierung der Demokratie in der Weimarer Republik.
Historie
Die Straße hat auch einen historisch sehr interessanten Hintergrund. Ihren Namen trägt die Straße erst seit 1945. Zuvor trug sie den Namen „Moltkestraße“.
Dies war eine Bezeichnung „zu Ehren des großen Militärstrategen“ (https://archivschule.asprit.de/DE/forschung/kursprojekte/marburger-strassennamen/friedrich-naumann-strasse.html, 4. Absatz, Z.3), womit Helmuth Johannes Ludwig von Moltke, gemeint war. Dieser wurde 1906 Nachfolger von Alfred von Schlieffen, welcher den Schlieffenplan im ersten Weltkrieg entwarf, Chef des Großen Generalstabes in Berlin und entwickelte operative Feldzugspläne.
Insgesamt 25 Straßen im Marburger Südviertel spiegelten durch ihre Straßennamen die nationalsozialistische Ideologie der NS-Zeit wider. Daher wurden sie 1945 nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs umbenannt, um die NS-Ideologie in keiner Weise zu unterstützen.
Die Moltkestraße wurde in diesem Zusammenhang in die „Stresemannstraße“ umbenannt, womit ein direkter Bezug zur Weimarer Republik geschaffen wird, in welcher der Politiker Gustav Stresemann als Außenminister und kruzzeitiger Reichskanzler agierte.
Stresemann
Gustav Stresemann wird am 10. Mai 1878 in Berlin geboren. Als Sohn des Bierhändlers Ernst Stresemann lernt er früh erste Einblicke in die Handelswelt kennen. Als einziges seiner Geschwister besucht Stresemann eine Universität und absolviert von 1897-1900 ein Studium der Nationalökonomie. Drei Jahre später heiratet er Käte Kleefeld, mit der er zwei Söhne bekommt.
Als Stresemann 1907 für die nationalliberale Partei in den Reichstag gewählt wird, ist er mit nur 29 Jahren der jüngste Abgeordnete. 1917 übernimmt er den Parteivorsitz und gilt nur ein Jahr später im November 1918, kurz nach der Novemberrevolution, als Mitbegründer der Deutschen Volkspartei DVP, bei welcher er ebenfalls den Parteivorsitz übernimmt. 1919 wird er Mitglied der Nationalversammlung und 1920 wird er erneit als Mitglied in den Reichstag gewählt, dem er bis zu seinem Tod beisitzt.
Drei Jahre später, am 13. August 1923, wird Gustav Stresemann Reichskanzler der Großen Koalition, bestehend aus der Deutschen Volkspartei DVP, der Zentrumspartei, der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und der Deutschen Demokratischen Partei DDP.
In seiner Amtszeit fordert er das Ende der Besetzung von Rheinland und Ruhrgebiet durch Frankreich auf einem Weg des passiven Widerstands, bei dem er am Ende auf das im deutsch-französischen Krieg annektierte Elsass-Lothringen verzichtet. Durch diesen Kompromiss mit Frankreich wird ein Ausgleich zwischen beiden Staaten geschaffen und die deutsche Souveränität wird zunehmend wiederhergestellt. Stresemann führt das Ende der Inflation, welche durch die Verschuldung Deutschlands im Ersten Weltkrieg ausgelöst wurde, durch die Einführung der Deutschen Rentenbank und die Währungsreform im November 1923, herbei. Im gleichen Monat entzieht die SPD der Regierung Stresemanns das Vertrauen, begründet durch das Vorgehen gegen die kommunistischen Umsturzversuche in Sachsen und Thüringen. Als Reaktion kündigt Gustav Stresemann am 23. November 1923 nach nur etwas mehr als drei Monaten Amtszeit seinen freiwilligen Rücktritt an.
In den drei folgenden Kabinetten amtiert Stresemann als Außenminister, wobei er sich durch Annäherungen an Frankreich und andere europäische Mächte eine Reintegration Deutschlands in die europäische Staatengemeinschaft erhofft. Der 1924 in Kraft tretende Dawes-Plan, bei dessen Verhandlungen Stresemann maßgeblich beteiligt war, sieht eine Senkung der von Deutschland zu zahlenden Reparationskosten vor. Durch diesen Vertrag sorgt Stresemann vorerst für eine wirtschaftliche Stabilisierung der Deutschen Reichs.
Im Jahr 1926 wird Gustav Stresemann, gemeinsam mit dem französischen Außenminister Aristide Briand, der Friedensnobelpreis verliehen. Dies geschieht aufgrund der im Vorjahr von Stresemann angeregten Locarno-Konferenz, nach deren Verträgen Deutschland, Frankreich und Belgien keine gewaltsamen Veränderungen ihrer gemeinsamen Staatsgrenzen mehr vornehmen dürfen. Im August des Folgejahres unterzeichnet der deutsche Außenminister einen Nichtangriffspakt, den Briand-Kellogg-Pakt, benannt nach dem französischen und dem US-Außenminister Frank Billings Kellogg, den insgesamt 63 weitere Staaten unterschreiben. Durch das Inkrafttreten der Locarno-Verträge und des Briand-Kellogg-Paktes galt die Lage in Europa als militärisch stabilisiert.
Am 03. Oktober 1929 stirbt Gustav von Stresemann als Außenminister der Deutschen Reichs im Alter von nur 51 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in seiner Geburtsstadt Berlin.
Insgesamt kann man von Stresemann sagen, dass er in seiner Zeit als Reichskanzler und Außenminister sehr selbstlos gehandelt hat. Er handelte eher aus Vernunft als auch Überzeugung und wollte dem Deutschen Reich zu einem besseren Status verhelfen, was ihm auch gelungen ist. Mit seinem Tod 1929 hinterließ er ein Deutschland, welches sich in einer sowohl politisch, als auch wirtschaftlich stabilisierten Situation befand.
Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn, zeigt seinen Einsatz für das Deutsche Reich und dessen Stellung in der Weltpolitik. Stresemann führte Deutschland zum Ende der Inflation und durch das Einbinden in die europäische Staatengemeinschaft aus der politischen Isolation.
Mit der Umbenennung der Moltkestraße zur Stresemannstraße wird eine deutliche Ablehnung gegenüber der Kriegsstrategien von Moltke im ersten Weltkrieg deutlich. Gleichzeitig wird eine Unterstützung der selbstlosen und gut überlegten Politik Stresemanns gezeigt, durch die die Demokratie in der Weimarer Republik über einen längeren Zeitraum gesichert werden konnte.
Quellen:
Bildquellen:
https://www.giessener-zeitung.de/2021/05/02/im-marburger-suedviertel-die-japanische-kirschbluete/ (20.05.2022; 22:13)
https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/98001933 (20.05.2022; 22:19)
Textquellen:
https://learnattack.de/schuelerlexikon/geschichte/stresemann (20.05.2022; 22:20)
https://archivschule.asprit.de/DE/forschung/kursprojekte/marburger-strassennamen/friedrich-naumann-strasse.html (20.05.2022; 22:21)
https://www.myheimat.de/marburg/politik/marburger-oberbuergermeister-teil-10-eugen-siebecke-1945-1946-d2766713.html (20.05.2022; 22.27)
https://www.dhm.de/lemo/biografie/gustav-stresemann (20.05.2022; 22:29)
https://demokratie-geschichte.de/koepfe/2362 (20.05.2022; 22:30)
https://www.op-marburg.de/Marburg/Die-Kirschblueten-in-der-Stresemannstrasse-in-Marburg-bluehen-wieder (20.05.2022; 22:31)
https://de.wikipedia.org/wiki/Helmuth_Johannes_Ludwig_von_Moltke (01.07.2022; 11:07)
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.