Leopold-Lucas-Straße
von Jannik Merte
Die Leopold-Lucas-Straße ist nach dem jüdischen Historiker und Rabbiner Leopold Lucas benannt. Leopold Lucas ist in Marburg geboren und im Konzentrationslager (KZ) Theresienstadt in Tschechien ums Leben gekommen. Um sein Leben zu würdigen, wurde die ehemalige Schwanhofgasse im Jahre 1986 in die heutige Leopold-Lucas-Straße umbenannt. Heute ist die Straße in Marburg für die vielen Schulen bekannt, die sich dort befinden.
Leben
Leopold Lucas wurde am 18. September 1872 in Marburg geboren. Seine Eltern, Bernhard und Berta Lucas, waren Teil einer angesehenen Familie in Marburg und sogenannte „Schutzjuden“. Darunter ist zu verstehen, dass sie durch finanzielle Mittel Schutz für sie selbst, ihre Familie, ihr Eigentum und ihre Religion erworben haben.
Leopold Lucas hat sein Abitur am Gymnasium Philippinum erlangt. Auch dieses befindet sich heute in der Leopold-Lucas-Straße. Im Anschluss daran hat er Geschichte, jüdische Wissenschaft, Philosophie und orientalische Sprachen in Berlin studiert. Darauf folgte seine Promotion in Tübingen zum Doktor der Philosophie. Nur wenige Jahre später war Leopold Lucas als Rabbiner in Glogau (Niederschlesien) tätig. Im Judentum übernimmt ein Rabbiner die Aufgaben des Pfarrers im Christentum. Er leitete die Gottesdienste und verfügte über die Kenntnis über die Tora.
In seinem Leben beschäftigte sich Leopold Lucas ausgiebig mit der Geschichte der Juden und des Judentums. Zudem war er Mitgründer der „Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums“. Während der Zeit des Nationalsozialismus lehrte er an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Jedoch wurde am 7. April 1933 durch das NS-Regime das sogenannte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes, welches auch als „Arierparagraph“ bezeichnet wird, war es, jüdische Beamte und Angestellte aus deren beruflicher Position zu entlassen. Gleichzeitig sollte ihr gesellschaftliches Ansehen herabgesetzt werden. Auch der Rabbiner Leopold Lucas war davon betroffen.
Leopold Lucas ist schließlich in 1943 im KZ Theresienstadt gestorben, in welches er mit seiner Ehefrau verschleppt wurde. Seine Ehefrau wurde im folgenden Jahr im KZ Auschwitz ermordet. Aus ihrer Ehe gingen zwei Söhne hervor. Leopold Lucas ist auf dem „Alten jüdischen Friedhof“ in Marburg beigesetzt. Dieser ist heute ein Kulturdenkmal.
Dr. Leopold-Lucas-Preis
Im Jahr 1972 hat der Sohn von Leopold Lucas, Franz D. Lucas, den sogenannten „Dr. Leopold-Lucas-Preis“ ins Leben gerufen. Dieser wurde anlässlich des 100. Geburtstags des verstorbenen Leopold Lucas errichtet. Bis heute wird der Preis jährlich verliehen. Damit ausgezeichnet werden diejenigen, die besondere Leistungen in den Bereichen Theologie, Philosophie und Geistesgeschichte erbringen. Zudem werden damit Menschen gewürdigt, die sich für Völkerverständigung und Toleranz einsetzen. Das Lebenswerk von Leopold Lucas spielt bis heute eine zentrale Rolle und hat bereits mehrere Jahrzehnte beeinflusst.
Wie haben Zeitgenossen Leopold Lucas gesehen?
Das folgende Zitat stammt von Leo Baeck, einem Rabbiner und bedeutenden Vertreter des deutschen liberalen Judentums, anlässlich des 25-jährigen Rabbiner Jubiläums von Leopold Lucas. Er sagte Folgendes:
„Über den Kreis Ihrer Gemeinde hinaus hat Ihre Arbeit sich erstreckt. Ihre wissenschaftliche Arbeit und das weittragende Verdienst, das Sie durch die Gründung der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums erworben haben, gibt Ihnen Ihren Platz im deutschen Judentum.“ (1)
Aus diesem Zitat geht hervor, dass sich Leopold Lucas tatkräftig für das Judentum eingesetzt und dieses in Deutschland mitgeprägt hat. Es macht zudem deutlich, wie viel Arbeit und Engagement Leopold Lucas in seine Tätigkeit steckte. Betrachtet man seine berufliche Laufbahn, ist festzustellen, dass Leopold Lucas ein sehr einflussreicher und bedeutender Historiker sowie Rabbiner war.
Allerdings gab es auch Menschen, denen die Religion und die Taten von Leopold Lucas ein Dorn im Auge waren. Zu diesen gehörten vor allem die Nationalsozialisten, die im Zuge der Schoah (Holocaust) mehrere Millionen Juden ermordeten und ihnen Rechte entzogen. Als jüdischer Historiker und Rabbiner unterstützte Leopold Lucas die Propaganda, die durch die Nationalsozialisten verbreitet wurde, nicht. Für seinen Glauben und seine Religionszugehörigkeit musste er schließlich, wie etwa sechs Millionen andere Juden auch, mit seinem Leben bezahlen.
Weshalb wurde die Straße in Leopold-Lucas-Straße umbenannt?
Auf Antrag des ehemaligen Marburger Oberbürgermeisters Dr. Hanno Drechsler wurde die Schwanhofgasse in Leopold-Lucas-Straße umbenannt. Diese Entscheidung begründet er folgendermaßen:
„Gerade die Schulen waren es, die die Umbenennung der Schwansgasse in Leopold-Lucas-Straße besonders sinnvoll erscheinen ließen, denn durch sie wird der neue Straßenname die wünschenswerte Publizität erhalten. Über 4200 Schüler kommen täglich in diesem Bereich. Der Name des Mannes, nach dem die Straße, an der ihre Schule liegt, benannt ist, wird – so hoffe ich – von manchen Lehrern als willkommenes Stichwort im Geschichts- und Gemeinschaftskundeunterricht genutzt werden. Wenn von dem Schicksal der Juden im NS-Staat die Rede ist, wenn die Zahl von sechs Millionen unschuldigen Opfern einer unmenschlichen Ideologie und gnadenlosen Bürokratie unfaßbar und abstrakt im Raum steht, dann wird die Individualität eines Einzelnen mit Namen Leopold Lucas und der überschaubaren Gruppe jener Juden, die einst Mitbürger in Marburg waren, dem unfaßbaren Geschehen ein Gesicht geben.“ (2)
Aus damaliger und auch aus heutiger Sicht ist die Umbenennung der Schwanhofgasse in Leopold-Lucas-Straße legitim und gerechtfertigt. Die Geschehnisse in der NS-Zeit waren grausam und sind unumkehrbar. Daher ist es richtig, die Aufmerksamkeit auf die grausamen Taten in der Vergangenheit zu legen. Straßen nach Opfern des Nationalsozialismus zu benennen, ist hierfür gut geeignet. Auf diese Weise geraten sowohl deren Lebenswerk, als auch die Schoah nicht in Vergessenheit.
Des Weiteren ist es überzeugend, die Schwanhofgasse aufgrund der Lage in Leopold-Lucas-Straße umzubenennen. Somit sollten viele Schüler*innen, wie der damalige Marburger Oberbürgermeister Hanno Drechsler erwähnte, auf ihn aufmerksam gemacht werden. Aus einer Umfrage einer achten Klasse des Gymnasium Philippinum im Jahre 2017 ging jedoch hervor, dass nur zwei von 25 Schüler*innen Leopold Lucas kennen. An dieser Stelle sollte in Zukunft angesetzt werden und mehr Aufklärung stattfinden.
Quellen
https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/evangelisch-theologische-fakultaet/fakultaet/lucas-preis/ (letzter Zugriff: 20.05.2022, 18:34 Uhr)
https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/evangelisch-theologische-fakultaet/fakultaet/lucas-preis/person/ (letzter Zugriff: 20.05.2022, 18:35)
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Lucas (letzter Zugriff: 19.05.2022, 16:23 Uhr)
https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Theresienstadt (letzter Zugriff: 19.05.2022, 16:23 Uhr)
https://de.wikipedia.org/wiki/Dr.-Leopold-Lucas-Preis (letzter Zugriff: 19.05.2022, 16:25 Uhr)
https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Schutzjuden (letzter Zugriff: 19.05.2022, 16:26 Uhr)
Leopold Lucas – Weg-weisend! (op-marburg.de) (letzter Zugriff: 12.04.2022, 11:46 Uhr)
LeMO NS-Regime - Ausgrenzung und Verfolgung - "Arierparagraph" (dhm.de) (letzter Zugriff: 30.06.2022, 16:57)
Zitate:
(1) https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/evangelisch-theologische-fakultaet/fakultaet/lucas-preis/person/ (letzter Zugriff: 20.05.2022, 18:35 Uhr)
(2) https://histodrom.gpmr.de/?p=2829 (letzter Zugriff: 16.05.2022, 13:20 Uhr)
Bilder:
Bild Leopold Lucas: https://histodrom.gpmr.de/wp-content/uploads/2019/01/Leopold-Lucas-Portrait-002.jpg (letzter Zugriff: 12.04.2022, 12:15 Uhr)
Stadtplan vor 1933: http://www.digam.net/image.php?file=img/dokumente/10148/1.jpg&b=850&h=auto (letzter Zugriff: 12.04.2022, 10:58 Uhr)
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