Ernst-Moritz-Arndt-Straße
von Tim Hopfgarten
Die Ernst-Moritz-Arndt-Straße befindet sich in der Nähe des Marburger Südbahnhofes und verbindet die Heinrich-Schütz-Straße und den Rollwiesenweg, dabei kreuzt sie die Fichtestraße.
Ihr Namensgeber ist der bedeutende Schriftsteller, Historiker und Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Ernst Moritz Arndt (1769-1860).
Seine Schriften haben einen großen Beitrag zum Widerstand gegen Napoleon und zu der Einigung der deutschen Nation geleistet.Trotzdem ist seine Person umstritten, aufgrund seiner antisemitischen und stark nationalistischen Überzeugungen.
Leben
Ernst Moritz Arndt wurde 1769, zwischen dem Siebenjährigen Krieg und der Französischen Revolution, in eine bäuerliche Familie hineingeboren, jedoch hatte sein Vater das Glück, sich aus der Leibeigenschaft freigekauft zu haben.
Von 1787 bis 1789 besuchte er das Gymnasium im Katharinenkloster in Stralsund und setzte das Lernen bis zum Abschluss in 1791 von seinem Elternhaus aus fort. Danach begann er seine akademische Karriere an der Universität Greifswald und besuchte später auch die Universität Jena. Dabei waren seine Studienfächer evangelische Theologie, Geschichte, Erdkunde, Völkerkunde sowie auch Sprachen und Naturwissenschaften. 1800 erhielt er schließlich die Professur für Geschichte und Philologie. In den folgenden Jahren kritisierte er die Leibeigenschaft in seinen Werken wie z. B. in „Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen”. Gleichzeitig widmete er sich seiner antinapoleonischen Flugschrift „Geist der Zeit”. Nachdem die preußischen Truppen den napoleonischen Truppen unterlegen waren, flüchtete er nach Schweden. 1809 kehrte er schließlich mit der Hilfe von Freiherr von Stein illegal nach Deutschland zurück. Nach kurzer Zeit wurde er dessen Privatsekretär, da beide das deutsche Nationalbewusstsein stärken wollten. Währenddessen musste er nach St. Petersburg ziehen. Zu Beginn der Befreiungskriege kehrte er 1813 nach Pommern zurück, wo er die deutsche Nationalbewegung durch weitere Schriften unterstützte. Im Rahmen der „Demagogenverfolgung” wurde er, aufgrund von seinem Werk „Geist der Zeit 4”, vom Lehramt suspendiert und angeklagt. Seinen Einzug in die Frankfurter Nationalversammlung vollzog er schließlich am 18. Mai 1848, bei welcher er ein Mitglied der Kaiserdeputation war und ein demokratisches Parlament ablehnte. Nachdem ein Jahr später die Nationalversammlung aufgelöst wurde, nahm er seine akademischen Aktivitäten wieder auf. Den Rest seines Lebens verbrachte er damit, weiterhin aktiv patriotische Schriften zu verfassen und zu veröffentlichen, bis er schließlich 1860 verstarb.
Errungenschaften und Vermächtnis
Ernst Moritz Arndt war nicht nur für seine Zeitgenossen durch seinen Beitrag zur Abschaffung der Leibeigenschaft, ein bedeutender Dichter, sondern hat durch seine Werke, demokratische Grundgedanken sowie den Kampf für die deutsche Einheit und Freiheit verbreitet. Daher wurde er zu Lebzeiten sehr verehrt und seine Schriften motivierten zur Gründung zahlreicher patriotischer Vereinigungen, unter anderem auch hier in Marburg.
Sein wohl bekanntestes Lied „Was ist des Deutschen Vaterland?”, in dem Arndt die deutsche Einheit forderte - den Zusammenschluss aller deutschsprachigen Länder Europas zu einem großen Nationalstaat - war lange Zeit die inoffizielle Hymne der deutschen Einigungsbewegung. Für Arndt wurde eine Reihe von Denkmälern errichtete, zum Beispiel in Bonn und Stralsund.
[Zitate aus „Des Deutschen Vaterland” (1813)]
Was ist des Deutschen Vaterland?
Ist’s Pommerland? Westphalenland?
Ist’s, wo der Sand der Dünen weht?
Ist’s, wo die Donau brausend geht?
O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer seyn.
[...]
Was ist das Deutsche Vaterland?
So nenne endlich mir das Land!
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt,
Das soll es seyn!
Für seine Werke nutzte er eine allgemeinverständliche Sprache, denn besonders seine Flugschriften sollten den gebildeten wie auch den ungebildeten Leser ansprechen und auffordern.
Doch durch den stark nationalistischen und patriotischen, aber auch antisemitischen, Ton in seinen Werken, betrachteten die Nationalsozialisten unter Hitlers Führung Arndt als einen ihrer Vordenker und nutzten seine Werke und Zitate, um ihre Ideologie zu rechtfertigen. Zudem wurden zwischen 1933 und 1945 einige Schulen, Kasernen und Straßen von den Nationalsozialisten nach Arndt umbenannt, da er für sie als “hinreißendes Beispiel von vaterländischer Begeisterung” galt (Studiendirektor Walter anlässlich der Namensgebung des Remscheider Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, zitiert nach Remscheider General-Anzeiger vom 29. September 1937).
Folglich kritisieren Historiker, Arndt sei antisemitisch und nationalistisch gewesen, auch wenn er ein demokratischer Vordenker gewesen sei.
Denn anders als beim späteren Nationalsozialismus stand bei ihm nicht die Herrschaft eines Volkes über andere im Fokus. Sein Begriff der Volksfreiheit meint die Stellung gegen Fremdherrschaft im Allgemeinen.
Durch seine starke Kritik an der Leibeigenschaft und seinen Begriff der Volksfreiheit wird Arndt von Historikern eine antifeudale Haltung zugeschrieben.
Problematik
Obwohl das Hauptaugenmerk seiner Schriften auf Freiheit und Einheit lag, vertrat er eine klare antisemitische, nationalistische, frankophobe und rassistische Haltung.
[Zitate zum grafischen Einbinden]
„Man sollte die Juden aus der Fremde in Deutschland schlechterdings verbieten und hindern"~ („Geist der Zeit”)
“Ich will den Hass gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer." ~ („Geist der Zeit 2”)
Umbenennung Universität Greifswald
1933 benannten die Nationalsozialisten die Universität in Greifswald um in „Ernst-Moritz-Arndt Universität”. Dabei sagte der Rektor: „Nur wenn wir so denken [wie Ernst Moritz Arndt], werden wir auch im Sinne des Führers unseres Volkes [Adolf Hitler] handeln […]. Das, was Ernst Moritz Arndt gewollt hat, geht zum guten Teil in unseren Tagen in Erfüllung. Aus seinem Geist heraus lebt nicht zum wenigsten die Gegenwart.“ (Rektor, Prof. Dr. Heinrich Laag, am 28. Juni 1933. Aus: Greifswalder Universitätsreden 37, Greifswald 1933, S. 10 f.) Nun wurde in den letzten Jahren eine intensive Debatte, aufgrund von Protesten für eine Umbenennung ausgelöst, da viele der Meinung sind, ein mutmaßlicher Antisemit und Nationalist sollte nicht gewürdigt werden. Einige Zeit später erfolgte schließlich die Umbenennung in „Universität Greifswald”.
Marl-Hüls distanziert sich
Auch in Hüls, einem Stadtteil von Marl im Kreis Recklinghausen, gibt es bezüglich einer Arndtstraße eine Debatte zur Umbenennung. Diese wurde von Bürgern, wegen Arndts rassistischen und antisemitischen Äußerungen, dringend gefordert.
Doch bisher ohne Ergebnis.
Umbenennung auch in Marburg?
Nun stellt sich auch für Marburg die Frage, ob eine Umbenennung der „Ernst-Moritz-Arndt-Straße” angebracht wäre und folgen sollte. Zwar trug Arndt durch seine Schriften einen großen Teil zum Widerstand und Freiheitsdenken der deutschen Nation bei, aber gleichzeitig förderte er den Hass gegenüber anderen Nationen und Juden.
Was denken Sie?
[Quellennachweis]
https://www.ndr.de/geschichte/Ernst-Moritz-Arndt-Demokrat-oder-Antisemit,ernstmoritzarndt102.html (letzter Zugriff: 22.05.2022)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Moritz_Arndt (letzter Zugriff: 20.05.2022)
https://www.uni-greifswald.de/universitaet/geschichte/zum-universitaetsnamen/zu-ernst-moritz-arndt/biografie-und-bibliografie-von-ernst-moritz-arndt/(letzter Zugriff: 21.05.2022)
http://www.ernst-moritz-arndt.de/procontra.htm(letzter Zugriff:20.05.2022)
https://www.lokalkompass.de/marl/c-politik/arndtstrasse-in-marl-huels-umbenennen-ernst-moritz-arndt-ein-rassist-und-antisemit_a744245(letzter Zugriff: 22.05.2022)
Bild 1 Ernst Moritz Arndt als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Moritz_Arndt#/media/Datei:Ernst_Moritz_Arndt_1848.jpg
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