Georg-Elser-Straße
von Simon Haas
Johann Georg Elser (*1903; †1945) war ein Schreiner aus Württemberg, der als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus in die Geschichte einging. Sein Attentat auf Adolf Hitler und einen großen Teil der NS-Führung am 8. November 1939 scheiterte nur knapp. Die Bombe mit Zeitzünder explodierte wie geplant, doch unerwartet hatte die NS-Führungsspitze den Raum bereits 13 Minuten zuvor verlassen.
Die Georg-Elser-Straße in Marburg liegt im Stadtwald und grenzt an ein Netz aus Straßen, die nach Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus benannt wurden. Sie mündet in die Dietrich-Bonhoeffer-Straße und verläuft parallel zur Hedwig-Jahnow-Straße.
Georg Elser wurde erst spät geehrt, nachdem seine Verhörprotokolle 1964 gefunden wurden. Erst ab 1984 wurden Straßen nach ihm benannt.
Sein Leben
Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 im württembergischen Hermaringen als ältester Sohn geboren. Mit fünf jüngeren Geschwistern wuchs Georg Elser auf dem elterlichen Hof auf.
Nach der Schule schloss er 1923 als Jahrgangsbester eine Schreinerlehre ab und arbeitete in den folgenden Jahren an vielen verschiedenen Orten.
Elser trat 1928 oder 1929 dem Roten Frontkämpferbund bei, dem paramilitärischen Kampfverband der KPD. Wie stark sein Engagement für die kommunistische Partei war, ist allerdings unklar. Laut Selbstaussage war er nur zahlendes Mitglied des Frontkämpferbundes.
Im Jahr 1930 wurde er Vater. Bedingt durch seine finanziell schwierige Situation als Arbeiter wurde er aber nie wirklich sesshaft.
Von 1932 bis 1939 lebte Elser hauptsächlich wieder in seiner Heimatstadt Königsbronn. Unter anderem bei der Arbeit in einer Uhrenfabrik, einer Armaturenfabrik mit geheimer Rüstungsproduktion und einem Steinbruch erhielt er Zugang zu Wissen und Gegenständen, die er für den späteren Bau der Zeitbombe benötigte.
Das Attentat am 8. November 1939
Wie jedes Jahr seit der „Machtergreifung“ traf sich Hitler auch am 8. November 1939 mit der NS-Führungsspitze und ihren Anhängern im Münchner Bürgerbräukeller, um den Opfern des 1923 gescheiterten Hitlerputsches zu gedenken. Mehr als 1500 Menschen waren in dem Bürgerbräukeller anwesend. Dicht vor dem Rednerpult Hitlers saßen Goebbels, Himmler, Bouhler und weitere prominente Nationalsozialisten.
Dieses Mal hielt Hitler eine aufputschende Rede gegen England, nachdem die Wehrmacht vor wenigen Wochen Polen überfallen und den Zweiten Weltkrieg herbeigeführt hatte. Die Rede fiel ungewohnt kurz aus, da Hitler wieder zurück nach Berlin musste. Der Flug fiel wegen Nebels aus und er nahm mit Goebbels zusammen einen früheren Zug.
Goebbels schrieb an dem Tag in sein Tagebuch:
„In Nürnberg kommt eine Hiobsbotschaft, ich muß dem Führer ein Telegramm überreichen, nach dem kurz nach unserem Verlassen des Bürgerbräus dort eine Explosion stattfand. 8 Tote und 60 Verletzte. Das ganze Gewölbe heruntergestürzt. Das ist ungeheuerlich.“ [1]
Das Attentat auf Hitler und die NS-Führung wurde alleine von Georg Elser geplant und durchgeführt. Als die Zeitbombe in der Säule hinter Hitlers Rednerpult explodierte, hatten die meisten Anwesenden den Raum bereits verlassen. Nur um 13 Minuten verfehlte es sie.
Die Vorbereitungen begannen ein Jahr zuvor: Elser besuchte die vorige Gedenkfeier im Bürgerbräukeller, er arbeitete in einem Steinbruch, um an Sprengstoff zu gelangen, und er entwickelte einen Zeitzünder. Schließlich aß er regelmäßig abends im Bürgerbräukeller und ließ sich einschließen, um dort im Geheimen zu arbeiten. In über 30 Nächten höhlte er die Säule aus. Den Schutt schmuggelte er mit hinaus, wenn er den Bürgerbräukeller am nächsten morgen verließ. Die Arbeit dauerte lange, da er vorsichtig sein musste.
Anfang November 1939 versteckte er dann die selbstgebaute Bombe mit Zeitzünder und Sprengstoff im geschaffenen Hohlraum in der Säule. Die Bombe explodierte wie von Elser geplant am 8. November um 21:20 Uhr, die Säule stürzte ein und Hitlers Rednerpult wurde von Schutt begraben. Allerdings war Hitler zu der Zeit schon auf dem Rückweg.
Verhaftung & Verhör
Am 8. November 1939, dem Tag des Anschlags, versuchte Elser in die Schweiz zu flüchten. Noch vor der Explosion wurde er festgenommen, als er versuchte die Grenze illegal zu passieren. Er führte Teile eines Zünders, Aufzeichnungen zu Rüstungsproduktionen sowie eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers mit sich. Außerdem trug er ein Abzeichen des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes.
Als die Nachricht des Attentats ankam, erregten diese Gegenstände Verdacht und Elser wurde zur Staatspolizeistelle in München gebracht. Dort wurde er verhört und schwer gefoltert. Auch seine Angehörigen wurden festgenommen und verhört.
Elser gestand die Tat in der Nach auf den 14. November 1939. Daraufhin wurde er nach Berlin gebracht und vom 19. bis 23. November 1939 erneut vernommen. Insbesondere die Frage nach Hintermännern sollte geklärt werden, da ein solches Attentat Georg Elser alleine kaum zugetraut wurde. Das dabei entstandene Berliner Verhörprotokoll [2] ist heute die wichtigste Quelle über Georg Elser, seine Motive und die Tat.
Seine Ermordung
Schließlich wurde Elser im KZ Sachsenhausen und später im KZ Dachau als „Sonderhäftling“ gefangen gehalten. Nach dem siegreichen Ende des Krieges sollte er nämlich in einem Schauprozess verurteilt werden. Er war die gesamte Haftzeit über fünf Jahre hinweg in einer Zelle mit Werkbank in Isolation.
Als die Amerikaner immer näher rückten und auch die NS-Führung erkannte, dass der Krieg endgültig verloren ist, wurde Georg Elser am 9. April 1945 im KZ Dachau erschossen. Seine Leiche wurde verbrannt.
Im Zuge eines letzten Racheakts wurden am selben Tag auch Dietrich Bonhoeffer, Karl Sack und weitere Widerstandskämpfer ermordet.
Motive & politische Einstellung
Georg Elser im Verhör über sein Tatmotiv:
„Durch meine Überlegungen kam ich zu der Überzeugung, dass durch die Beseitigung dieser 3 Männer andere Männer an die Regierung kommen, die an das Ausland keine untragbaren Forderungen stellen, ‚die kein fremdes Land einbeziehen wollen‘ und die für eine Besserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft Sorge tragen werden.“ [2] (S.91)
Georg Elser war ein Gegner des Nationalsozialismus. Er mied Hitlers Reden und verweigerte nach 1933 den Hitlergruß. Er stand dem totalen Führungsanspruch, der Propaganda und der Einschränkung der Religionsfreiheit sehr kritisch gegenüber.
Er sympathisierte eher mit der KPD, bei deren paramilitärischen Kampfverband er zahlendes Mitglied war. Als Arbeiter sah er die Verschlechterung der Lebensbedingungen nach Hitlers Machtergreifung 1933.
Der zweite zentrale Punkt für seine Abneigung waren die aggressiven außenpolitischen und militärischen Bestrebungen der NS-Politik. Trotz der Eingeständnisse an die deutschen territorialen Forderungen auf der Münchner Konferenz 1938, sah er einen Krieg als unvermeidlich an. Elser war überzeugt, dass Hitler einen Krieg plant, der nur durch dessen Ermordung abgewendet werden kann.
Was wäre wenn…
Ein Gedanke aus Goebbels Tagebuch nach dem Attentat:
„Der Führer und wir alle sind wie durch ein Wunder dem Tode entronnen. Wäre die Kundgebung wie alle Jahre vorher programmgemäß durchgeführt worden, dann lebten wir alle nicht mehr.“ [1]
Erinnerung: Falsche Gerüchte & später Ruhm
Auch nach 1945 erfuhr Georg Elsers Familie nicht von dessen Schicksal. Sie erhielten keine Entschädigung und erst 1950 wurde er für tot erklärt. Darüber hinaus wurden Vorwürfe laut, dass Elser ein Instrument der NS-Führung gewesen sei.
Sogar viele Historiker unterstützten diese Behauptung, bis 1964 per Zufall die Berliner Verhörprotokolle Elsers entdeckt wurden. Sie bewiesen seine Alleintäterschaft und widerlegten die Gerüchte.
Damit begann eine Phase der intensiven Aufarbeitung. In den 1980er Jahren wurde der Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim gegründet. Er verfolgt das Ziel, „dass Georg Elser in der Erinnerungskultur des deutschen Widerstands gegen die nationalsozialistische Diktatur der herausragende Stellenwert eingeräumt wird, der ihm zusteht.“ [3].
Im Jahr 1984 wurde die erste Straße nach ihm benannt. Denkmäler und über 70 weitere Widmungen folgten, davon die meisten erst im 21. Jahrhundert. [4]
Bewertung
Georg Elser ragt ohne Zweifel unter dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus heraus. Er sah klarer in die Zukunft als manch einer in die Vergangenheit, fasste aus der Situation die nötige Konsequenz und hatte sowohl den Mut als auch die Fähigkeiten den ausgefeilten Attentatsplan alleine umzusetzen.
Andererseits nahm Elser mit dem Anschlag eine große Zahl an Toten in Kauf. Aber angesichts des unvorstellbaren Leids, das Hitler nach 1939 noch über die Welt gebracht hat, sind diese Opfer verschwindend gering. Außerdem war das Attentat relativ zielgerichtet.
Die Ehrung des Widerstandskämpfers Georg Elser erfolgte spät, aber ist außerordentlich verdient. Wir sollten die Erinnerung an Menschen wie ihn bewahren. Er steht für die Verantwortung, Widerstand gegen verbrecherische Regime zu leisten. Straßenwidmungen eignen sich für diese Erinnerung im Alltag sehr gut.
Quellen
[1] Joseph Goebbels, Tagebücher 1924-1945, Eintrag vom 9. November 1939
https://www.georg-elser-arbeitskreis.de/texts/goebbels.htm (22.5.22; 20:00)
[2] Berliner Verhörprotokoll
https://georg-elser-arbeitskreis.de/texts/geverhoer1.htm (22.5.22; 20:00)
[3] Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim
https://www.georg-elser-arbeitskreis.de/heidenheim/index.htm (22.5.22; 22:15 Uhr)
[4] https://www.georg-elser-arbeitskreis.de/texts/denkmale.htm (4.7.22; 12:15 Uhr)
- https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Elser (22.5.22; 22:00 Uhr)
- https://www.georg-elser-arbeitskreis.de/index.htm (22.5.22; 22:00 Uhr)
- https://www.lpb-bw.de/georg-elser-dossier/ (22.5.22; 22:00 Uhr)
- https://www.georg-elser.de/ (22.5.22; 22:00 Uhr)
- https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/georg-elser/ (22.5.22; 22:00 Uhr)
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