Dietrich-Bonhoeffer-Straße
von Celine Wisker
Die Dietrich-Bonhoeffer-Straße befindet sich im Stadtwald in Marburg und wurde nach dem Theologen und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Dietrich Bonhoeffer benannt. Dieser schrieb aus dem Gefängnis heraus Briefe unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ gegen die Nationalsozialisten, die zu den erfolgreichsten theologischen Werken des 20. Jahrhundert wurden. (Bild Nr. 1)
Früher befand sich im heutigen Stadtwald die Tannenberg-Kaserne Marburg, denn aufgrund eines Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Stadt Marburg, verpflichtete sich diese dazu, das Gelände dem Deutschen Reich kosten- und lastenfrei zu überlassen. Die Kaserne entstand in der Zeit von 1937 bis 1938 und wurde ab 1945 von amerikanischen Streitkräften als Quartier genutzt. Danach wurde sie 1951 für fünf Jahre an französischen Truppen übergeben. Die Freigabe dieser Liegenschaft erfolgte dann im Jahr 1956, wenige Wochen vor dem Einzug der ersten Freiwilligen der Bundeswehr. (Bild Nr. 2)
Im Rahmen der Konversion im Jahr 1993, also der Umwandlung von militärischer in zivile Nutzung, wurde das Regiment aufgelöst und somit die Tannenberg-Kaserne in zivilen Wohnraum und Gewerbeflächen umgewandelt. Im Jahr 1995 nahm die Stadt Marburg den 50. Jahrestag des Kriegsendes als Anlass, den Straßen in der ehemaligen Tannenberg-Kaserne Namen von Widerstandskämpfern zu geben, unter denen sich auch die Dietrich-Bonhoeffer-Straße befand, zusammen mit der Anne-Frank-Straße.
Dietrich Bonhoeffer
Dietrich Bonhoeffer lebte von 1906 bis 1945 und war nicht nur ein Theologe und Pfarrer, sondern auch ein Protestant, der sich der Bekennenden Kirche anschloss und sich offen gegen die Nationalsozialisten wendete. Er war der Sohn des bekannten Psychiaters und Neurologen Karl Bonhoeffer. Bereits mit 25 Jahren hatte Dietrich Bonhoeffer seine Promotion und Habilitation abgeschlossen und wurde 1931 ordiniert, wonach er dann als Studentenpfarrer arbeitete und an der Berliner Universität lehrte. (Bild Nr. 3)
Die evangelische Kirche in Deutschland zur Zeit der Nationalsozialisten war gespalten. Während die Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ der NSDAP folgte, sah sich die „Bekennende Kirche“, zu der auch Dietrich Bonhoeffer gehörte, dazu aufgefordert, sich der NSDAP zu widersetzten und berief sich in ihrem Handeln auf ein „kirchliches Notrecht“. Sie selbst betitelten ihre Tätigkeiten nicht als politischen Widerstand, allerdings reichten ihre Verkündungen von non-konformen Meinungen dem NS-Regime aus, um sie als staatsfeindlich zu klassifizieren und somit zu verfolgen. Dietrich Bonhoeffer selbst war der Ansicht, dass es falsch sei, Christen mit jüdischem Hintergrund zu diskriminieren und aus der Kirche auszuschließen. Um Pfarrer jüdischer Abstammung vor dem Handeln der NSDAP zu schützen, gründete er zusammen mit Martin Niemöller und weiteren Anhängern den „Pfarrernotbund“, welcher die Grundlage für die Bekennende Kirche bildete. Bonhoeffer war ein äußerst intelligenter und aufmerksamer Mensch. Er erkannte die Gefahr bereits, bevor sie überhaupt richtig eintraf. Die Evangelische Kirche in Deutschland schrieb in einem Artikel über Dietrich Bonhoeffer: „Oft erkannte Dietrich Bonhoeffer die Zeichen der Zeit früher als andere. […] Er wollte gehört werden – nicht um seiner selbst willen, sondern weil er etwas zu sagen hatte.“, denn er warnte die Menschen in einem Radiovortrag, den er zufällig zwei Tage nach der Machtergreifung Adolf Hitlers hielt, dass aus einem „Führer“ auch ein „Verführer“ werden könne und traf dabei genau ins Schwarze.
Bonhoeffer wollte allerdings Abstand von dem vorherrschenden Kirchenkampf nehmen und entschied sich deshalb, eine Pfarrstelle in London anzunehmen. 1935 wurde er jedoch gebeten, nach Deutschland zurückzukommen, um die Ausbildung der angehenden Pfarrer in einem Predigerseminar zu übernehmen. Nach der Schließung durch die politische Polizei des NS-Regimes fand dies weiterhin, allerdings illegal, in „Sammelvikariaten“ statt. Ihm war bei seiner Lehre wichtig zu vermitteln, dass das Leben nach einer inneren Christusverbindung gelebt und sich dabei nach den Worten Jesu orientiert werden sollte.
Hans von Dohnanyi war Jurist und Widerstandskämpfer, der sich 1943 an einem Attentatsversuch gegen Hitler beteiligte und zudem der Schwager von Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer entschied sich aufgrund der Judenverfolgung dazu, sich in die Staatsstreichplanung einweihen zu lassen. Seine Aufgabe war es, bei Auslandsreisen Verbindungen zu alliierten Regierungen zu knüpfen, wobei er getarnt als Pastor des militärischen Geheimdienstes arbeitete. Seine Täuschung fiel ihm nicht leicht, allerdings begründete er in einem seiner Texte sein Handeln mit den Worten: „So oder so wird der Mensch schuldig und so oder so kann er allein von der göttlichen Gnade und der Vergebung leben.“
Anfang April wurde er dann verhaftet und blieb ohne Gerichtsverfahren für zwei Jahre im Gefängnis Tegel inhaftiert. Da die Verschwörungspläne gegen Hitler noch nicht aufgeflogen waren, entschied er sich, in den Verhören die Wahrheit für sich zu behalten. Zu dieser Zeit schrieb er auch seine bedeutendsten theologischen Werke, bevor er am 09. April 1945 im KZ Flossenbürg erhängt wurde. (Bild Nr. 4)
Eines seiner letzten Werke war das Gedicht: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“, welches er aus dem Gefängnis an Weihnachten 1944 an seine Frau schickte. Er gab damit den Menschen, umgeben von Unmenschlichkeit, Hoffnung und das nicht nur mit dem Verfassen dieses Briefes, sondern auch damit, an seinem Glauben festzuhalten und sich für die Gerechtigkeit auf der Welt einzusetzen. Eine Version, die als ein Lied vorgetragen wurde war diese: https://www.youtube.com/watch?v=bsn3V22Q8YQ
„Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsse alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ - Dietrich Bonhoeffer
Es war eine angemessene Entscheidung der Straße den Namen von Dietrich Bonhoeffer zu geben, da dieser den Mut aufgefasst und sich gegen die Nationalsozialisten gewendet hat, obwohl ihm das sein Leben kostete. An diesen Mut muss erinnert werden, wodurch eine Straßenbenennung das Mindeste ist, um seinen Einsatz zu würdigen.
Anhang:
Textquellen:
- https://www.ekd.de/dietrich-bonhoeffer-portraet-54499.htm (09.05.2022, 14:54)
- https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/lebenszeichen/theologe-dietrich-bonhoeffer-100.html (09.05.2022, 15:33)
- https://militarisiertelandschaftkurhessen.com/2020/09/09/strongstandort-marburg/ (10.05.2022, 13:02)
- https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/dietrich-bonhoeffer/ (09.05.2022, 15:35)
- https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/innenpolitik/kirchen-im-ns-regime.html (15.05.2022, 20:24)
Bildquellen:
- https://www.pflegesuche.de/map/karte_50.7893707_8.7379319.png (15.05.2022, 20:48)
- https://militarisiertelandschaftkurhessen.files.wordpress.com/2018/12/tannenberg-kaserne_in_marburg-1950.jpg (15.05.2022, 18:46)
- https://www.gdw-berlin.de/typo3temp/_processed_/csm_67781x_aecfdf2cfa.jpg (17.05.2022, 19:14)
- https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/files/images/Geschichte/Haeftlinge/Biografien/Dietrich-Bonhoeffer/_520xAUTO_crop_center-center_none/Bonhoeffer-Gedenktafel-1-1.jpg (15.05.2022, 19:13)
- https://www.youtube.com/watch?v=bsn3V22Q8YQ (17.05.2022, 17:52)
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