Graf-von-Stauffenberg-Straße
von Matthias Schäfer
Die Graf-von-Stauffenberg-Straße befindet sich im Südwesten Marburgs und bildet eine Brücke von der Gisselberger Straße zu dem nach prominenten Gegnern und Opfern der NS-Zeit benannten Straßenkomplex am Stadtwald. Der Namensgeber der Straße ist der ehemalige NS-Oberstleutnant und spätere Widerständler gegen die politische Führung Nazi-Deutschlands Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944). Trotz seines letztlich gescheiterten Attentats auf Hitler stellt sich aufgrund seiner durchaus heiklen und umstrittenen Vergangenheit als Teilhaber im Nazi-Regime die Frage, ob die Benennung einer Straße nach ihm angemessen ist.
Leben und Werdegang
Von Stauffenberg wurde am 15. November 1907 als Sohn des ehemaligen Oberhofsmarschalls Alfred Schenk Graf von Stauffenberg und seiner Frau Caroline Gräfin von Üxküll-Gyllenband, in Jettingen in eine traditionsreiche Adelsfamilie hineingeboren. Nach seinem Besuch einer Privatschule und seinem Abitur am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart 1926, entschied sich von Stauffenberg für eine militärische Laufbahn im Sinne des Staates. Über zwei Stationen in unterschiedlichen militärischen Einrichtungen erfolgte seine Ausbildung und mündete nach dem Amtsantritt Hitlers in seine Beförderung zum Leutnant der Reichswehr am 1. Mai 1933. Durch die Weiterbildung an der Kavallerieschule in Hannover, einem Studium an der Kriegsakademie und der Generalstabsausbildung, erreichte von Stauffenberg schließlich den Rang des zweiten Generalstabsoffiziers und nahm aktiv an der Kriegsplanung des Zweiten Weltkrieges Teil. Unter anderem bei der Besetzung des Sudetenlandes 1938, der Invasion Polens im darauf folgenden Jahr, der Westoffensive gegen Frankreich und beim Afrikafeldzug im Jahr 1943 spielte von Stauffenberg eine zentrale Rolle. Wegen seiner wachsenden Skepsis und Ablehnung der Kriegsführung Hitlers im Laufe des Krieges, welche ihn schließlich zum Hauptakteur in der Operation „Walküre“, dem geplanten, jedoch gescheiterten Mordanschlag auf Hitler am 20. Juli 1944, machte, wurde Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Nacht auf den 21. Juli 1944 zusammen mit seinen Mitverschwörern erschossen.
Politische Gesinnung
Zu Beginn war von Stauffenberg trotz anfänglicher politischer Skepsis gegenüber Teilen der NSDAP ein Freund der revisionistischen und nationalistischen Ideale des Nationalsozialismus.
Wegen seiner stark patriotischen und militaristischen Natur sah er es als Pflicht an, das nach dem Ersten Weltkrieg stark gebeutelte und durch den Versailler Vertrag schwer belastete Deutschland wieder zu neuer Kraft zu bringen.
So sprach sich Stauffenberg auch bei der Reichspräsidentenwahl 1932 für Hitler aus, dessen Politik der Wiederaufrüstung und Vergrößerung des Militärs er stark befürwortete.
In der Zeit seiner militärischen Fortbildung wuchs sein Zuspruch zum Nationalismus umso mehr. So fühlte er sich in den anfänglichen militärischen Erfolgen, der Einnahme Polens im Osten sowie dem Sieg über Frankreich im Westen, in seiner Hingabe für Deutschland bestätigt.
Doch mit einer zunehmend aussichtslosen Situation im Krieg durch die steigenden Schwierigkeiten an der Ostfront, der Landung der Alliierten in der Normandie und der sich trotz allem nicht veränderten Herangehensweise Hitlers, begann sich Ablehnung sowie der Gedanke eines für ihn notwendigen Umsturzes für das Wohl Deutschlands in Stauffenbergs Einstellung breitzumachen.
Zusätzlich schien ihm der immer skrupelloser werdende Charakter des NS-Regimes zu missfallen. Seine Überzeugung darüber, dass es zur Abschaffung der Führungsriege kommen musste, um die Zukunft des Deutschen Reiches zu retten, veranlasste Stauffenberg schließlich dazu, ein oppositionelles militärisches Lager aufzubauen und schließlich einen Staatsstreich, das Unternehmen „Walküre“, ins Leben zu rufen.
So äußerte sich von Stauffenberg in einem Gespräch mit der Frau seines Regimentskammeraden Bernd von Pezold vor dem Attentat am 20. Juli 1944:
„Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen.“ (1)
Operation „Walküre“
Die eigentlich von dem NS-Regime geplante Unternehmung, um Aufständische niederzuschlagen, nutze Graf von Stauffenberg als Gelegenheit, die Intention Hitlers, auf Kommando in den eigenen Reihen stationierte Einsatztruppen zu aktivieren, um die Führungsriege zu stürzen und mit seinen Mitstreitern aus dem Durcheinander heraus ein neue Regierung aufzubauen. Dies sollte geschehen, indem der Mord an Hitler weiteren Funktionären aus den nationalsozialistischen Reihen angeheftet werden sollte, um diese aus dem Amt stoßen zu können und somit Platz für sich selbst zu schaffen. Beteiligt an „Walküre“ waren neben Stauffenberg unter anderem Henning von Tresckow, General Friedrich Olbricht und Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim. Bereits am 11. und 15. Juli hatte von Stauffenberg vor, den Plan durchzuführen, jedoch brach er beide Versuche ab. Am 20. Juli 1944 kam es schließlich zum Anschlag. Mit einem Sprengsatz versteckt in einem Aktenkoffer, welchen Stauffenberg bei einer Besprechung im „Führerhauptquartier“ mit einem Zeitzünder versehenen hatte und auf einen Tischblock in der Nähe Hitlers platzierte, sollten Hitler sowie weitere hochrangige Anwesende ausgeschaltet werden. Der Versuch scheiterte. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass von Stauffenberg durch die spontane Vorverlegung der Besprechung nicht wie geplant zwei, sondern nur eine Sprengladung vorbereiten konnte. Zusätzlich boten der aus Holz gebaute Raum sowie der massive Tisch, auf welchem der Koffer stand, eine erheblich hemmende Wirkung der Explosion. Hitler kam mit leichten Verletzungen davon und nach der Erklärung, dass er gegenüber der durch den Staatsstreich angeführten Behauptung noch am Leben war, endete das Unternehmen „Walküre“ in der Exekution von Stauffenberg und seinen Mitverschwörern.
Ist die Straße also nach einem Held benannt?
Trotz seines letztendlichen Versuches, Hitler und andere hohe Vertreter eines grausamen, mörderischen und gnadenlosen Regime zu töten, ist es meines Erachtens nach falsch, Stauffenberg in irgendeiner Weise als Vorbild zu sehen. Zwar ist bei ihm eine im Laufe der Zeit zunehmend kritische Haltung gegenüber dem NS-Regime festzustellen und obwohl es sogar zum heroisierenden Film in Starbesetzung, unter anderem mit Tom Cruise, „Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat“ kam, wiegen seine Handlungen sowie seine politische Einstellung schwer. Neben seiner offenkundigen Teilnahme bei den fatalen Angriffen an der Westfront sowie beim Afrikafeldzug, sind zusätzlich stark nationalistische, ideologische und rassistische Tendenzen in Stauffenbergs Grundeinstellung nachzuweisen.
So schrieb Stauffenberg beispielsweise nach dem Start der Invasion auf Polen an seine Frau:
„ Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden werden unserer Landwirtschaft recht gut tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu gebrauchen, arbeitsam, willig und genügsam.“ (2)
Abschließend betrachtet ist es wohl definitiv einen Gedanken wert, die Namensgebung der Graf-von-Stauffenberg-Straße insbesondere im Bezug auf die Namen der anliegenden Straßen zu überdenken. Eine Person dieser Gesinnung an ein Straßennetz mit Namen wie der Anne-Frank-Straße, der Dietrich-Bonhoeffer-Straße, oder der vieler weiteren Opfer des NS-Regimes wie Edith Stein oder Hedwig Jahnow anzuschließen, ist in meinen Augen eher diskutabel. Denn zwar ist ein klares Umdenken in Stauffenbergs Handeln zu erkennen, jedoch ist es schwierig, im Nachhinein beispielsweise seine Einstellung gegenüber der Verbrechen der Nationalsozialisten differenziert zu bewerten, während seine persönliche Schuld meines Erachtens nach anhand seiner Taten klar belegbar ist.
Quellen
https://www.dhm.de/lemo/biografie/claus-schenk-graf-von-stauffenberg.html
https://www.dhm.de/lemo/biografie/claus-schenk-graf-von-stauffenberg.html -18.05.22
https://www.planet-schule.de/wissenspool/spuren-der-ns-zeit/inhalt/stauffenberg/hintergrund -22.05.22
https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/268510#Abkehr_von_Hitler -22.05.22
https://www.hausaufderalb.de/claus-schenk-graf-von-stauffenberg -19.05.22
https://beruhmte-zitate.de/autoren/claus-schenk-graf-von-stauffenberg/- 18.05.22
https://www.youtube.com/watch?v=_XynifPbnKE -19.05.22
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/geschichte/sein-wahres-gesicht-76041 -21.05.22
https://www.deutschlandfunk.de/diskussion-ueber-das-attentat-vom-20-juli-der-umstrittene-100.html -21.05.22
https://www.heise.de/tp/features/Stauffenberg-Die-wirklich-wahre-Geschichte-3421542.html -21.05.22
https://www.grin.com/document/232984
https://de.wikipedia.org/wiki/Claus_Schenk_Graf_von_Stauffenberg#cite_note-25
https://de.wikipedia.org/wiki/Attentat_vom_20._Juli_1944
Zitatnachweis
(1) https://beruhmte-zitate.de/autoren/claus-schenk-graf-von-stauffenberg/ - 18.05.22
- Zitiert nach: Heinrich August Winkler
(2) https://beruhmte-zitate.de/autoren/claus-schenk-graf-von-stauffenberg/ - 18.05.22
- zitiert in: Joachim Kramarz, Claus Graf Stauffenberg, 15. November 1907 - 20. Juli 1944, Das Leben eines Offiziers, Frankfurt a.M. 1965.
Bildnachweis
Bild 1: Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944). Der Fotograf ist unbekannt
Bild 1: https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/ba008157 (Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv.-Nr.: F 60/715, 22.05.22)
Bild 2:
Stauffenberg, Hitler und Keitel im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“, erstellt am 15. Juli 1944
Bild 2: 20.07.1944 - Attentat auf Adolf Hitler, ZeitZeichen - Zeitzeichen - Sendungen - WDR 5 - Radio - WDR -22.05.22
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