Friedrichsplatz / Adolf-Hitler-Platz
von Veronica Fiamma Crepaz
Allgemeines
Der Friedrichsplatz wurde 1902 in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs eingeweiht und nach dem zweiten Kaiser des Deutschen Reiches, Friedrich III., benannt. Als zentraler Platz des Marburger Südviertels ist er besonders durch sein breites Wasserbecken sowie der Einrahmung durch fünf Straßen augenfällig. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 erfolgte in zahlreichen deutschen Städten eine Umbenennung von Straßen und Bauten zur Ehrung von Politikern und Mitgliedern der NSDAP. Auch in Marburg kam es zu mehreren solcher Namensänderungen, wodurch der Friedrichsplatz schließlich in „Adolf-Hitler-Platz“ umbenannt wurde und erst nach Kriegsende seinen ursprünglichen Namen zurückerhielt. Noch in den Jahren der NS-Diktatur vollendete man die Errichtung des Staatsarchivs, der an die Nordseite des Friedrichsplatzes grenzt. Daraufhin erfolgte ebenfalls eine Änderung des Platzes selbst, indem seine zuvor quadratische Rasenfläche in Richtung Staatsarchiv vergrößert wurde (siehe Anhang). Heute dient der Friedrichsplatz den Marburger Bürgern mit seiner ruhigen Lage primär als öffentlicher Entspannungsort.
Biographie Friedrich III. – entschiedener Monarchist oder liberaler Sprössling Preußens?
Friedrich III. (mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl von Preußen) wurde als erster Sohn des Prinzen Wilhelm – dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm I. – und Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach am 18. Oktober 1831 geboren (Abbildung siehe Anhang). Dadurch, dass Friedrichs Vater als preußischen Thronfolger erwählt worden war, wurde jenem gleichzeitig das Anrecht auf Herrschaftsübernahme mit in die Wiege gelegt. Seine akademische Erziehung und die Ehe mit der britischen Prinzessin Victoria, Anhängerin liberaler Strömungen, hatte zur Folge, dass auch Friedrich zunehmend mit dem Liberalismus in Kontakt geriet. 1863 kritisierte Friedrich öffentlich die Pressordonanz, eine Einschränkung der Pressefreiheit durch den preußischen Reichspräsidenten Otto von Bismarck, und zeigte sich antisemitischen Bewegungen gegenüber äußerst abgeneigt. Trotz seiner liberalen Gesinnung war der junge Preuße, seit 1861 schließlich Kronprinz, trotzdem stark vom preußischen Militarismus geprägt und zeigte sein kämpferisches Können in den Kriegen bis 1871. So verhalf er der zweiten Armee bei der Schlacht von Königgrätz zum Sieg des Deutschen Kriegs. Die Möglichkeit, selbst aktiv an der preußischen Politik mitzuwirken, bot sich ihm jedoch fast gar nicht; dafür hatte sein Vater Wilhelm, der sich schnell von Bismarcks Ratschlägen beeinflussen ließ, den Thron zu lange besetzt gehalten. Erst als Wilhelm 1888 starb, wurde Friedrich zum preußischen König erhoben – zugleich machte ihn dieses Amt infolge der Reichsgründung 1871 zum zweiten deutschen Kaiser. Seine schwere Kehlkopferkrankung, an der er noch im selben Jahr erlag, hinderte ihn jedoch an der Verwirklichung seiner Pläne. Die Thronübergabe an seinen Sohn Wilhelm II. machte das Jahr 1888 zum berühmten Dreikaiserjahr. Auch heute noch diskutieren Historiker über den Einfluss, den Friedrich mit seiner Politik hätte haben können; diese erstrecken sich bis zu der Frage, ob es dadurch möglich gewesen wäre, den Ersten Weltkrieg zu vermeiden. Darauf lässt sich jedoch wohl kaum eine endgültige Antwort finden; schließlich sprach sich Friedrich zwar für eine konstitutionelle Verfassung aus und wurde in der Bevölkerung als „liberale Hoffnung“ (1) angesehen, allerdings blieb er durchweg von den preußischen Werten geprägt und lehnte genauso entschlossen das parlamentarische Regierungssystem, das seit 1871 etabliert worden war, ab.
Die Errichtung der NS-Diktatur
Das Streben nach einer imperialen Weltmachtpolitik Wilhelms II. mündete durch die Spannungen zwischen dem Deutschen Reich und den anderen Großmächten Europas schließlich im Ersten Weltkrieg. Auch das darauffolgende Jahrzehnt war jedoch von zahlreichen Konflikten geprägt – wirtschaftliche Krisen, wie die Hyperinflation 1923 und die Weltwirtschaftskrise 1929 hinderten die ausgerufene Weimarer Republik an ihrer Stabilität, zeitglich erhielten radikale Parteien immer mehr Zulauf. Das Scheitern der Weimarer Republik nutzte daraufhin die rechtsradikale NSDAP, Adolf Hitlers Partei, als Sprungbrett zur Machtergreifung. Bereits wenige Wochen nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 ließ dieser den Reichstag auflösen, während Reichspräsident Hindenburg durch den Erlass von Verordnungen (2) Presse- und Versammlungsfreiheit in großem Ausmaß einschränkte. Sukzessiv baute die NSDAP Deutschland zu einem autoritären Staat aus und setzte allmählich die Gewaltenteilung außer Kraft: Als Oberbefehlshaber der Wehrmacht hatte Hitler die ausführende Gewalt inne, mit dem Ermächtigungsgesetz auch die Legislative. Dieses „Gesetz zur Behebung von Not und Reich“ (3) ermöglichte der Regierung, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat Gesetze zu erlassen. Zusätzlich instrumentalisierte Joseph Goebbels als Leiter der Propaganda die Volksmeinung in einem solchen Ausmaß, dass sich gar ein Führerkult um Hitler entwickelte
Marburg in der NS-Zeit
Als die NSDAP 1933 die Reichstagswahl für sich gewann, erwies sie sich auch in Marburg mit 57,6% als stärkste Partei. Ab diesem Zeitpunkt wurde ein drastischer Zuwachs an Parteimitgliedern sichtbar: während Ende 1932 erst 691 Marburger zur NSDAP gehörten, waren es im darauffolgenden Jahr bereits 1332. Unmittelbar nach ihrer Machtergreifung begann die NSDAP mit der Gleichschaltung, bei der Organisationen entweder aufgelöst oder in NS-Verbände eingliedert wurden. Auch die Propaganda, mit ihrer Aufgabe, die politische Meinung der deutschen Bevölkerung nach nationalsozialistischen Werten zu formen, machte sich in Marburg spürbar. Zunächst wurde der Oberbürgermeister Johannes Müller, ein Mitglied der DVP, entlassen. Fortan standen der neue Oberbürgermeister und das Stadtparlament unter der Kontrolle der NSDAP, während man Hitler und Hindenburg als Ehrenbürger rühmte. Wie auch in den restlichen deutschen Städten erfolgte als Teil der NS-Propaganda eine Umbenennung von Straßen, Schulen und wichtigen Bauten. Doch nicht nur die zielsichere Manipulation der Bevölkerung Marburgs zeigte sich, auch Hass und Gewaltbereitschaft gegenüber Reichsfeinden festigte sich in den darauffolgenden Jahren. Nach der Zerstörung der Marburger Synagoge in der Reichspogromnacht vom 09. auf den 10. November 1938 begannen die Deportationen von Juden, Sinti und Roma sowie Menschen mit Behinderungen in Konzentrationslager. Weiterhin führte man am Universitätsklinikum Zwangssterilisationen durch, bei denen Menschen, die vom „arischen“ Idealbild abwichen, unfruchtbar gemacht wurden. Zur Rechtfertigung dieser Eingriffe wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (4) herangezogen.
„Adolf-Hitler-Platz“ – Umbenennungen als Teil der NS-Propaganda
Mit der Verordnung „Grundsätze für die Straßenbenennungen“ (5), von 1933 mussten in allen deutschen Städten dich wichtigste Straße oder der bedeutendste Platz nach Adolf Hitler benannt werden. Im selben Jahr kam es nach einem Dringlichkeitsantrag der NSDAP auch in Marburg zu zahlreichen Namensänderungen. Als zentraler Platz des Südviertels wurde der Friedrichsplatz in „Adolf-Hitler-Platz“ umbenannt und blieb bis zur Entnazifizierung nach dem Scheitern der NS-Diktatur 1945 erhalten. Neben dem Adolf-Hitler-Platz gab es in Marburg eine Vielzahl weiterer Umbenennungen von Straßen oder Schulen, die mit der Weimarer Republik oder Regimekritikern in Verbindung standen: Beispielsweise war die Uferstraße nun als „Bernhard-Rust-Straße“, nach dem Gauleiter Hannovers, bekannt. Die heutige Martin-Luther-Schule erhielt ihren neuen Namen hingegen ebenfalls vom Staatsoberhaupt des NS-Regimes („Adolf-Hitler-Schule“).
Fußnoten
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(Deutsches_Reich)#Rezeption (22.05.2022, 12:22)
(2) https://www.geschichte-abitur.de/drittes-reich/machtergreifung (Ausschaltung der Grundrechte, 22.05.2022, 16:33)
(3) https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/ermaechtigungsgesetz.html (22.05.2022, 12:29)
(4) https://www.landesarchiv-bw.de/stal/grafeneck/grafeneck02_1.htm (22.05.2022, 17:43)
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler_als_Namensgeber_von_Stra%C3%9Fen_und_Pl%C3%A4tzen (22.05.2022, 12:31)
Bilderverzeichnis
Anmerkung:
Die Fotos des Friedrichsplatzes (Bild Nr. 1 + 2) sind Privataufnahmen der Autorin.
Bild Nr. 3:
https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/k1000404 (22.05.2022, 17:59)
Quellenverzeichnis
- https://archivschule.asprit.de/DE/forschung/kursprojekte/marburger-strassennamen/friedrichsplatz.html (22.05.2022, 11:39)
- https://www.marburg.de/portal/seiten/friedrichsplatz-900000140-23001.html (22.05.2022, 11:40)
- https://www.op-marburg.de/Marburg/Der-braune-Terror-erfasste-alle-Bereiche#:~:text=Marburg%20im%20April%201933%3A%20Vor,Mehrheit%20feierte%20Reichskanzler%20Adolf%20Hitler. (22.05.2022, 17:34))
- https://philippmag.de/braune-lahnstadt-nationalsozialismus-in-marburg (22.05.2022, 11:42)
- https://www.youtube.com/watch?v=CB7kYw60M1M (22.05.2022, 11:43)
- https://de.wikipedia.org/wiki/Marburg#Zeit_des_Nationalsozialismus (22.05.2022, 11:44)
- https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/ermaechtigungsgesetz.html (22.05.2022, 11:46)
- https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler_als_Namensgeber_von_Stra%C3%9Fen_und_Pl%C3%A4tzen (22.05.2022, 11:52)
- https://www.dhm.de/lemo/biografie/friedrich-iii.html (22.05.2022, 11:47)
- https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(Deutsches_Reich)#cite_note-54 (22.05.2022, 11:47)
- https://www.dw.com/de/friedrich-iii-der-falsche-mythos-um-den-99-tage-kaiser/a-16732868 (22.05.2022, 11:49)
- https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/137211/volksgemeinschaft/ (22.05.2022, 11:52)
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