Ordnung Philipps, unseres Landtgraven von Gottes Gnaden zu Hessen, [...], darüber, wie die Juden nun in unserem Fürstenthum, unserer Gravschaft und Gebieten gelitten und geduldet werden sollen.
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Zuerst sollen die Juden unsern Amtsleuten, auch den Pfarrherrn jedes Orts, wo sie wohnen, mit dem Eide versprechen, keine Gotteslästerungen wider Christus unsern Herrn und seine heilige Religion zu treiben [...]. Auch müssen sie versprechen, dass sie die Seelen der ihren [...] nicht beschweren wollen, damit [...]einige arme gutherzige Juden nicht davon abgehalten werden, zu unserer wahren Religion zu finden.
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Zum anderen sollen die Juden geloben [...], nirgends neue Synagogen auffzurichten, sondern alleyn die alten mit aller Stille zu gebrauchen.
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Zum vierten, dass sie zu den Predigern, die man ihnen insonderheit verordnen wird, samt ihren Weibern und Kindern kommen und Predigt hören sollen und wöllen.
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Zum fünften sollen sie in zimlicher (wie es sich geziemt =mäßig und angemessen) Weise in den Städten und Orten, sofern dort Zünfte sind, kaufen und verkaufen. Doch sollen sie ihr Ware nicht verteuern, sondern für einen zimlichen billichen Pfennig geben, wie es ihnen unsere Beamten oder Burgermeyster und Rath befehlen, und sollen keine Ware verkaufen, die ihnen von unseren Beamten, Burgermeystern oder Rath nicht gestattet worden sind. [...]
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Zum siebenden sollen Juden keinen Wucher [Praktik, beim Verleihen von Geld, beim Verkauf von Waren o. Ä. einen unverhältnismäßig hohen Gewinn zu erzielen] treiben und unsere armen Leuthe nicht ausnehmen. Leihen sie aber einem Bürger einen Gulden, zwei oder drei oder mehr, soll es geschehen im Beisein unserer Amtsleuthe. Für hundert verliehene Gulden erhalten sie eyn Jahr lang fünf Gulden. Treibt aber eyn Jude damit Wucher, so verliert er die Hauptsumme seines verliehenen Geldes, die Hälft aller seiner Güter und wird zudem mit vier Wochen Thurm gestraft. [...]
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Zum achten sollen sie eynen Eid zu Gott schwören, keynem Bürger, Burgermeyster oder Diener oder [deren] Weibern etwas zu schenken, bei der Strafe ihres Leibs und Lebens, damit unsere Beamten also nicht durch Gaben bestochen und so den Juden ihre Finanzen, unbilligen Wucher und ungebührlichen Handel gestatten oder zusehen.
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Zum neunten wird der Jude mit dem Tode bestraft, welcher eyn Christenweib oder eine Jungfrau schändet oder beschläft. [...]
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Zum viertzehenden wöllen wir haben, dass sie uns den Schutzpfennig geben.
Arbeitsaufträge:
- Wodurch bestimmte Philipp das religiöse Leben der Juden?
- Welcher Arbeit dürfen die Juden nachgehen? Welchen Bestimmungen unterliegen sie dabei? Vermute, welche Berufe sie nicht ausüben dürfen!
- Erläutere die Einstellung gegenüber den Juden, die im siebten und achten Artikel deutlich wird.
- Überlege, worum es sich beim sog. "Schutzpfennig" (14. Artikel) handeln könnte.
- Recherchiere, wie viele Mitglieder die Jüdische Gemeinde Marburgs heute hat und wo sich ihre Synagoge befindet.
Erläuterungen:
Jüdische Einwohner hat es in der Stadt Marburg schon seit dem 13. Jh. gegeben, wie die Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge auf dem kleinen Platz am Schlosssteig beweist.
Erste schriftliche Nachweise liefert ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1317, in dem die "Judenschule" in der damaligen Judengasse erwähnt wird. Das jüdische Gotteshaus, das auch als Versammlungsraum und Schule diente, da jüdische Kinder keine christlichen Schulen besuchen durften, wurde später abgebrochen. Der Grund dafür ist die Vertreibung der jüdischen Gemeinde aufgrund des Vorwurfs, am Ausbruch der von 1347-51 dauernden Pest mitschuldig gewesen zu sein. Steine der abgebrochenen Synagoge wurden 1452 zum Bau einer Mauer für die Kilianskapelle verwendet.
Die Gegend, in der die Synagoge stand - am Randgebiet der frühesten Bebauung - muss als "üble" Wohngegend betrachtet werden, lief doch eine Abflussrinne vom Schlossberg durch die Judengasse und das "Dreckloch", die Verbindungstreppe zwischen Wettergasse und Pilgrimstein, in die Lahn.
Wie groß die Anzahl der jüdischen Bürger tatsächlich war, ist ungewiss, sie überstieg jedoch kaum die Zahl von 7 Familien (ca. 30-40 Personen) (Homepage Jüdische Gemeinde).
Die Familien hatten einen eigenen Friedhof - der entsprechend jüdischer Vorschrift außerhalb der Stadtmauern lag (heute Georg-Voigt-Straße/Alter Kirchhainer Weg).
Der Landgraf versuchte durch sog. "Judenordnungen", das Leben der Juden in seiner Stadt zu regeln und diese zu "schützen".
Die Regeln bedeuteten jedoch große Einschränkungen: So verlangte er, wie in Artikel 1 zu sehen, Mitsprache bei der inhaltlichen Verbreitung der Talmudischen Lehre und beschränkte den Bau von Synagogen (Artikel 2).
Zudem legt er den Juden einen "Schutzpfennig" auf, den sie an ihn zu bezahlen hatten, damit er ihnen im "Notfall" Schutz bieten konnte. Nur sog. "Schutzjuden" erhielten die Berechtigung, in Marburg zu leben.
In der Quelle nicht erwähnt: Juden ist der Besitz von Grund und Boden verboten, sodass sie keine Landwirtschaft betreiben können. Auch als Handwerker konnten sie nicht arbeiten, da ihnen der Zutritt zu einer Zunft verwehrt war. So blieben Handel und kleinere Gewerbe als Tätigkeitsfelder, u.a. Vieh- oder auch Geldhandel, der jedoch streng überwacht wurde.
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