Die Spendenausgaben und -ausrichtungen zu Marburg
- Die erste Spende gibt man am Allerseelentag (2. November). Die Almosen des Kochs gibt man im Kerner armen Leuten, jungen und alten; auch ein schönes Brot.
- [...]
- [...]
- Die vierte Spende gibt man am Heiligen-Elisabeth-Tag (19. November), gestiftet von Else von Lare. [Else von Lare lebte im späten 15. Jahrhundert in der heutigen Oberstadt nahe bei Pfarrkirche und Kerner. Sie entstammte einem reichen Haushalt der oberen städtischen Gesellschaft. Ihre Schenkungen an Kirche und Klöster zeigen ihre Glaubensvorstellungen, die sie eine umfangreiche Vorsorge für ihren Tod treffen lassen, aber auch ihre Fürsorge für Lebende und Tote.] Auf dem Kirchhof soll man 20 Mannspersonen jeweils ein großes Tuch von 2 1/2 Ellen [1 Elle entspricht ca. einem halben Meter] geben, Kinder erhalten jeweils 2 1/2 Ellen Leintuch und 20 Frauen jeweils ein Paar Schuhe.
- [...]
- Die sechste Spende - zwei Pfennige [entspricht ungefähr 50 Cent] - gibt man zu Aschermittwoch 120 armen Menschen, Männern und Frauen, Geistlichen, Schülern und Aussätzigen [...]. In Contz Moelnhoebers Haus in der Lingelgasse in Weidenhausen gibt es einen Gulden, im Haus Haitzfelden in der Barfüßergasse zwei Gulden [1 Gulden = 240 Heller = Pfennig, heute umgerechnet etwa 20 Euro].
- [...]
- [...]
- [...]
- [...]
- [...]
- Die zwölfte Spende gibt man auf den heiligen Gründonnerstag [Tag vor Karfreitag], sie hat gestiftet der reiche Sifurt. [Siegfried zum Paradies war Sohn eines reichen Marburger Schöffen (einer von 12 vom Landgrafen auf Lebenszeit ernannten Schöffen, die aus den reichen Bürgerfamilien stammten. Unter dem Vorsitz des vom Landgrafen beauftragten Schultheißen bildeten die Schöffen das Verwaltungsgremium der Stadt sowie das Gericht) und Bürgermeisters, Geburtsjahr unbekannt, gestorben 1386 in Frankfurt am Main].
Man gibt 72 armen Mannspersonen jedem 2 Pfennigwecke, 2 Heringe, ein Halbe Erbsen mit der Schüssel und ein Halben Wein mit dem Krug. Dem Pfarrer für die Seelenmesse 1 Pfund Geld, 6 schöne Brote, jedes einen Pfennig wert, ein Viertel Wein; dem Kaplan, der das Evangelium liest, 1 Tornes [1 Groschen, entspricht ungefähr 1 Euro], dem Schulmeister ein Tornes, beiden Opferleuten ein Tornes, dem Schultheißen ein halbes Viertel Wein, dem Bürgermeister ein Viertel Wein, jedem Schöffen, der Handreichungen tut oder gegenwärtig ist, ein halbes Viertel Wein, dem Unterbürgermeister 1/2 Viertel Wein. [...]
[...]
Arbeitsaufträge:
- Notiere, welche Personen Spenden erhalten und woraus die Spenden bestehen.
- An welchen Orten wurden die Spenden ausgegeben?
- Ermittele anhand der Spendenempfänger, wie groß die Anzahl der Armen in Marburg gewesen sein könnte.
- Überlege, warum die Abgabe der Spenden auf bestimmte Tage fällt.
- Vergleiche heutige soziale Aufwendungen wie etwa Hartz IV mit dem oben beschriebenen Spendensystem. Bedenke dabei auch, was der Begriff "Spende" bedeutet.
Erläuterungen:
Genau lässt sich heute nicht mehr feststellen, wie hoch die Anzahl der Armen in Marburg gewesen ist. Wahrscheinlich machten sie etwa 20 % der Einwohner aus. (Einwohnerzahlen: Im Jahr 1447 registrierten die Erheber der Steuern 650 Haushalte, das sind etwa 2500 Einwohner).
In den meisten Fällen handelte es sich bei den Abgaben um Brot, Heringe, Tuch und Geld.
Generell waren die Steuern und Abgaben, die zu zahlen waren, im Gegensatz zu heute regressiv - je höher das Einkommen, desto niedriger die Besteuerung.
Während die Ärmsten, deren Einkommen sich auf 5 Pfund (=50 Schilling) oder weniger belief, 3-4 Schilling Bede bezahlen mussten (was 10% ihres Einkommens entsprach), gaben die Reichsten 0,26%, also 40 Schilling ihres sich auf etwa 15000 Schilling belaufenden Vermögens.
Aufgrund der nach Wohngebieten eingetragenen Steuerzahlungen lässt sich nachvollziehen, wo die Ärmsten in der Stadt im Jahr 1455 wohnten: nämlich Am Grün und am sog. Leckerberg, also dem Roten Graben, Zwischenhausen und Ketzerbach. Dann folgte der Pilgrimstein, Weidenhausen, der Steinweg und die Neustadt. Die west-östliche Seite des Obermarktes sowie die westliche Seite der Wettergasse waren die bevorzugte Wohngegend der Reichsten, während die Wohlhabenden westlich der Hofstatt und in der Barfüßerstraße lebten.
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.