- Nota [Es wird verfügt], dass die Stadt jeden Bürger aufnehmen kann, wie, wann oder woher er auch kommt, und wäre es, dass er nicht in die Stadt kommen konnte und steckte aber die Füße unter die Pforte in die Stadt und begehrte die Bürgerschaft, sollte man ihn empfangen, und er sollte sich verantworten.
- Wenn einer Bürger wird, so gibt es drei Gründe, weshalb ihn die Stadt nicht aufnehmen kann: Wenn ihm eine Fehde [Feindschaft, Streit, ausgetragen ohne das Einschalten einer höhere Instanz, die Recht spricht] droht, wenn er schon mit jemandem in Fehde liegt, wenn er eines Herrn oder eines Amtmanns eigen wäre, wenn er in der Schuld eines Herrn oder eines anderen stünde.
- Wenn einer die Bürgerschaft empfangen will, der soll dem Bürgermeister in die Hand geloben, unserm Herrn, dem Landgrafen und der Stadt Marburg getreu und hold zu sein und allen Schaden von der Stadt abzuwenden und sich nicht gegen unsern Herrn und gegen die Schöffen und den Rat zu wenden. Dann soll er seine Hand und die Finger erheben und schwören und sprechen: "Was ich in Treue gelobet habe, das will ich stets und fest halten."
- Außerdem soll der Bürger von dieser Zeit an ein Haus in der Stadt besitzen mit einem Herd und Hausrat, so dass man ihm alle Belange der Stadt mitteilen kann.
- Außerdem soll er ansagen, wo er vorher gewohnt hat und die Gebühr und den Botenlohn zahlen.
- [...]
- Ein Bürger soll zum Erwerb der Bürgerschaft ein Pfund Heller zum Bau der Pfarrkirche "Unser lieben Frau" geben, außerdem dem Obristen Hauptmann 1 Schilling Pfennige, dem Bürgermeister 1 Schilling Pfennige und jeglichem Schöffen vier Heller und dem Unterbürgermeister ein halbes Maß Wein und dem Schreiber ein halbes Maß Wein; hat er das alles erledigt, wird er sofort in das Bürgerbuch eingeschrieben.
Großes Stadtbuch Blatt 21; Eintrag von Johann Hottermann.
Arbeitsaufträge:
- Wer wird in der Stadt als Bürger aufgenommen und wer nicht?
- Welche Gründe sind vorstellbar, weshalb eine Person aufgenommen, eine andere nicht aufgenommen wird?
- Welche Pflichten und Kosten muss ein Marburger Neubürger bei seiner Aufnahme in Kauf nehmen?
- Beurteile, was es bedeutet, dass man hohe Kosten leisten muss, um Marburger Bürger werden zu können.
- Welche Pflichten hat ein Marburger Einwohner heute? Welche Aufgaben müssen heute erfüllt werden, um Bürger Marburgs zu werden?
Erläuterungen:
Im 12. und 13. Jahrhundert entstehen viele neue Städte; um Marburgs Bedeutung zu erhalten und auszubauen, braucht die junge Stadt viele Ansiedler. So lassen die Stadtherren besondere Rechte zu, um das Wohnen in Marburg "attraktiv" zu machen. Z.B. zeigt das Stadtrecht - rechtliche Gleichheit ohne Ansehen der Person - fortschrittliche Elemente im Gegensatz zum Landrecht, das auf persönlichen und ständischen Grundlagen urteilt.
Auch können sich Hörige binnen Jahr und Tag, also nach einem Jahr und einem Tag in der Stadt, ihrer rechtlichen Abhängigkeit entledigen, sofern sie sich in dieser Zeit unbescholten verhalten und nicht von ihrem Herrn zurückverlangt werden.
Alle Einwohner der Stadt mussten natürlich auch Steuern zahlen: zum einen das Feuergeld, den Herdschilling, zum anderen das Geschoss, das sich nach dem Vermögen des Einzelnen berechnete. Dabei musste der Steuerpflichtige sein Hab und Gut selbst einschätzen und einen Eid darauf schwören.
Je nach Bedarf des Landgrafen kam noch zweimal im Jahr die sog. Bede hinzu, die Kriege finanzieren oder Schulden minimieren sollte.
Nur das Bürgerrecht erlaubte es, am politischen Leben der Stadt teilzuhaben. Erlangt werden konnte es durch den Nachweis, über finanzielle Mittel zu verfügen – z. B. ein Haus zu besitzen - und damit wirtschaftlich unabhängig zu sein.
Die Stadt interessierte sich also im Hinblick auf ihr Fortbestehen und ihren Wohlstand für zahlungskräftige Neubürger, jedoch hatte es in den Jahren 1347-1351 eine verheerende Pest gegeben, und es wird vermutet, dass die Stadt darum bemüht war, die nicht geschlossenen Lücken in ihren Reihen zu füllen.
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