Landgraf Philipp von Hessen zum Abendmahlsstreit zwischen Zwingli und Luther. Brief an Elisabeth von Sachsen-Rochlitz, 20. Februar 1530 [Auszüge, ungekürzte Fassung hier]
Herzliebe Schwester,
wie Du mir schreibst, hast Du große Sorge darum, dass ich nicht daran glaube, dass Christus leibhaftig im Brot beim Sakrament des Abendmahls gegenwärtig ist. Auch wenn ich das glaubte, so glaubte ich Christus nicht und alle seine Worte müssten falsch sein usw. Nun liebe Schwester, weil Du mir zweimal geschrieben hast, muss ich Dir doch zeigen, ob ich schon den Glauben hätte, dass ich darum nicht so böse wäre.
Zuerst besteht der Streit zwischen Luther und Zwingli wie auch Oekolampad in folgendem: Luther sagt, Christus sei im Brot leiblich zugegen, und wenn man ihn fragt, ob er [Christus] in der Weise anwesend sei, wie er am Kreuz gehangen hat bzw. sterblich, so sagt er Nein. Er wisse es nicht und will es beweisen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für Euch gegeben wird. Und er will ihn doch nicht so in demjenigen Zustand im Brot sein lassen, in dem er für uns alle dahin gegeben und gekreuzigt worden ist.
Dagegen argumentieren Zwingli und Oekolampad mit dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschen[sohns] und trinken sein Blut, so werdet ihr kein Leben in euch haben. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das Ewige Leben und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.
Da ihn nun die Jünger fragten und sagten: Herr, das ist eine harte Rede, wie können wir dein Fleisch essen und dein Blut trinken? antwortet Christus: das Fleisch ist nichts nütze, der Geist ist es, der lebendig macht. Denn meine Worte sind Geist und Leben usw.
Hieraus folgert nun Zwingli, dass Luther und alle Menschen, die je etwas von der göttlichen Lehre verstanden haben, mit ihm darin einig seien, dass diese Worte allein geistlich, nämlich auf Glauben und im Glauben verstanden werden müssen, nämlich dass Christus Fleisch sei und ihn zu essen uns nützlich sei durch den Glauben an (?) sein Sterben.
Denn, liebe Schwester, Du kannst Dir vorstellen, würde man durch das äußerliche Essen das ewige Leben haben, so könnte sogar einer selig werden, der gar nicht glaubt, und es gäbe dann zwei Wege zur Seligkeit, der eine durchs Glauben, der andere durchs Essen, welches aber der Heiligen Schrift und dem [rechten] Glauben nach nicht sein kann. Wenn nun Luther sich gezwungen sieht, die eindeutigen Worte im sechsten Kapitel des Johannesevangeliums geistlich zu verstehen, warum dann nicht auch die Worte ‚Das ist mein Leib‘, da doch Christus keine Speise des Leibes ist, sondern der Seele.
Weiter sagt Zwingli, dass Christus gesagt habe, er wollte nicht mehr leiblich in der Welt sein. Zwingli sagt aber nicht, wie man ihm vorwirft, dass Gott dieses nicht vermocht hätte, sondern Gott wollte es anders haben, und Christus habe hier auf Erden sein Amt und den Auftrag seines Vaters ausgerichtet und vollendet. […]
Damit Du aber ein besseres Verständnis darüber erlangst, nun dieses: es verhält sich folgendermaßen: Christus ist Gott und zugleich Mensch, hat zwei Naturen an sich, die eine ist göttlich, die andere ist menschlich. Die göttliche Natur ist von Ewigkeit her gewesen und nicht geschaffen, die menschliche ist von Gott und durch Gott erschaffen und geschaffen. Gott hat menschliches Wesen angenommen. […]
Nun ist der Leib Christi nicht im Brot für uns dahingegeben, sondern am Kreuz. Daher rührt nun die Auffassung von Zwingli und Oekolampad, dass man Christus geistlich d. h. seinen Leib und sein Blut durch den Glauben im Herzen und nicht mit dem Munde empfange, und in dieser Weise nütze es uns. Leiblich habe er [Christus] sein Werk vollendet und danach seinen Geist in unsere Herzen gesandt, der uns alle Dinge offenbaren soll. […]
Und darum zum Schluss: erwäge alles wohl [...] und binde Dich nicht an einzelne Personen, sondern an die Wahrheit; bei Gott gilt kein Ansehen der Person. Ich sehe auch größere Besserung bei denen, die Schwärmer genannt werden, als bei denen, die lutherisch sind. [...]
Cassel, Freitag nach Valentini [20. Februar] 1530
Philipp Landgraf zu Hessen
gedruckt bei Christoph von Rommel, Philipp der Großmüthige, Bd. III, Gießen 1830, Dok. 9, S. 35-40 sowie André Thieme (Hg.), Die Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen, Erster Band, Leipzig 2010, S. 285-290. Übertragung ins Neuhochdeutsche für die vorliegende DigAM-Ausstellung "Luther und Europa" von Ulrich Stöhr.
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