14. Umtriebe der deutschen politischen Flüchtlinge in der Schweiz. Das junge Deutschland. Bearbeitung deutscher Handwerksgesellen zu revolutionären Zwecken. (§ 14)
§. 14.
Der Anstoß hinzu ging zunächst von den deutschen politischen Flüchtlingen aus, welche sich damals in großer Anzahl in der Schweiz auf hielten,*) wo sie besonders in den Canto-
*.) Die Zahl der Seit dem 1` Januar 1831 mit SteckBriefen verfolgten deutschen politischen Flüchtlinge betrug am 1` Juli 1835 bereits 161, seit dem sind noch fünf und zwanzig neue dazu gekommen.
nen Bern und Zürich ein Asyl, mehrere auch vortheilhafte Anstellung gefunden hatten.*) Die große Mehrzahl derselben befand sich jedoch, ungeachtet der ihnen von Verwandten und Verbandsgenossen aus Deutschland zuströmende Unterstützung in sehr dürftigen Zuständen. Selbst verschuldetes
*) Dr. Gärth (vergl. §. 8. 10) ist als Staatsanwalt, Dr. Siebenpfeiffer (vergl. §. 3. 4.) als Lehns-Commissär, und Sudopt, Lohbauer (vergl. §. 3. 7.) als Professor der Kriegswissenschaften in Bern angestellt; Dr. Karl Hunderhagen hat gleichfalls eine Professor-stelle daselbst erhalten. Die Flüchtlinge Schauberg, Weiland und Gelpke bekleiden die Stelle von Privatdozenten an der Universität in Zürich; Schüler, Scriba (vergl. §. 10.) und der flüchtige Zeitungsredakteur Oehterricher aus (unleserlich) sind als Schullehrer in der Schweiz angestellt.
Unglück, Mangel und Arbeitscheu steigerten daher in diesen, durch ein unstätes Leben vollends verwilderten Menschen den Wunsch nach einer revolutionären Umwälzung in Deutschland, von der allein sie die Rückkehr in das Vaterland hoffen durften, bis zur höchsten Ungedult, und die geographische Lage der Schweiz, so wie die Commivenz einiger Cantons-Regierungen begünstigte die Bestrebungen, von dem sicheren Asyle aus, die Fackel des Aufruhrs in die benachbarten Staaten zu schleudern. Davon ausgehend, daß, wenn solche nur einmal in einem derselben gezündet, die Flammen der Empörung bald weiter umsich greifen würde, nahmen viele jener deutschen Flüchtlinge keinen Anstand, in Verbindung mit italienischen und polnischen Revolutionären an dem verunglückten Unternehmen gegen Savoyen / : 2. Febr. 1834.) Theil zu nehmen. Bald darauf kittete ein Theil der deutschen Flüchtlinge unter dem Namen: „das junge Deutschland“ eine neue Verbindung welche unter dem Motto: Freiheit, Gleichheit, Humanität! das alte Ziel, - die Revolutionierung und Republikanisierung von Deutschland verfolgten. Zu dem leitenden Comité dieser Verbindung gehörtem die Brüder August und Friederich Breidenstein, der vormalige Redakteur des „Wächters am Rhein“ Franz Strohmauer aus Tauberbischoffsheim, der Burschenschaftler Georg Peters aus Berlin und der Lehramts-Candidat Heinrich Naht aus Schwäbisch Gmünd. Schon früher hatte der berüchtigte Advokat Joseph Mazzini aus Genua unter den italienischen Flüchtlingen unter dem Namen: „das junge Italien“ eine ähnliche Verbindung gebildet; auch hatten die in der Schweiz befindlichen polnischen Offiziere (§. 12.) unter sich ein „junges Polen“ errichtet. *) Alle diese Verbindungen haben ihre Wurzel in der Carbonarie, und scheinen anfänglich der „haute venda universelle“ oder dem „comité diserteur“ zu Paris untergeben gewesen zu sein. Missvergnügt über den Eprismus und Mangel an Unterstützung von Seiten dieses französischen Centralcomités, vielleicht auch unmittelbar nach Unterdrückung der April- Aufstände in Lyon und Paris vorerst von den dortigen revolutionären wenig
*) Zeitungsnachrichten zufolge sind die revolutionären Bewegungen und (unleserlich), welche im August 1835 in Catalonien stattfanden, von einer Verbindung „des jungen Spanien“ ausgegangen, dass auf eine „junge Schweiz“ sich constituiert habe, dafür liegt in der republikanischen Zeitschrift dieses Namens eine erhebliche Anzeige, in der auch jene das Motto „Freiheit, Gleichheit, Humanität“ führt. Im April 1835 soll in Frankreich, und vermutlich in Paris eine „jeune France“, dem Bunde zugetreten sein.
sich versprechend, veranlasste aber Mazzini am 15` April 1834 zu Bern eine Vereinigung jener drei Vereine in einen allgemeinen, unter dem Namen, „das junge Europa“, dessen Mitglieder sich zu einem beständen Kampfe gegen alles Bestehende in Absicht auf Politik, Religion und Literatur verpflichteten*) Es wurde hierüber ein förmlicher „Akt der Verbrüderung“ aufgenommen, welcher in acht Artikeln eine Art Schutz- und Trutz- Bündniß der einzelnen Verbindungen enthält, und Namens des „jungen Deutschlands“ von den Brüdern August und Friederich Breidenstein, so wie von den politischen Flüchtlingen Stro[h]meyer (sic.), Barth und Peters unterzeichnet ist. Eine Unterstützung von 1000 Francs, welche
*) Bald darauf, im Frühjahr 1835, wurde auch in der k. k. Provinz Galizien eine aus Frankreich dahin verpflanzte revolutionäre Verbindung mit republikanischer Tendenz entdeckt, welche den Namen „Europäische Gesellschaft“ führt.
Mazzini den deutschen Flüchtlingen gegeben hatte, scheint das Zustandekom[m]en jener Vereinigung befördert zu haben. Sechs Wochen später, im Juni 1834, erließ das Comité des jungen Deutschlands zwey in Bern gedruckte Proklamationen an „die Unterdrückten Deutschlands“ und an „die deutschen Soldaten[“] , welche die dringendste Aufforderungen zur Empörung enthalten. Um dieselbe Zeit begann in der Schweiz die systematische Bearbeitung deutscher Handwerksgesellen zu revolutionären Zwecken. Zu diesen Behüte drängten sich die flüchtigen Demagogen in die Gesellschaften und Trinkgelagen der Handwerksburschen, lehrten sie revolutionäre Lieder singen, theilten aufrührerische Schriften unter ihnen aus, machten ihnen die grellsten Schilderungen des angeblich auf Deutschland, und namentlich auf den gewerbtreibenden Klassen lastenden Drucks und Elends und forderten sie auf, des Joch der Fürsten abzuschütteln und für die allgemeine deutsche Republik zu kämpfen, wozu viele der bethörten jungen Leute sich bereit erklärten. Unter den bei diesen Umtrieben besonders thätigen Revolutionären werden die schon oben erwähnten Ernst Schüler (§. 10), Georg Rottenstein und Justus Schwab (§. 13), ferner die Burschenschafter Steinmetz aus Eilenburg und Schapper aus Weinbach genannt. Das ganze ist nach Angaben von den in Le[h]re (sic.) angestellten Dr. Gärth und Dr. Siebenpfeiffer geleitet worden. Von dem Erfolg ihrer Bemühungen gab die bekannte, sehr zahlreiche Versam[m]lung deutscher Handwerks-Gesellen im Steichhölzi bei Bern am 27 Juli 1834, wo aufrührerische Reden gehalten, ähnliche Lieder gesungen, Fahnen mit den Landesfarben einzelner Bundesstaaten zerissen und mit Füßen getreten, und dagegen Symbole des Aufruhrs aufgepflanzt wurden, - sprechendes Zeugniß als hierauf von den deutschen Regierungen, um ihre Landeskinder der Gefahr der Verführung und der Verwicklung in hochverrätherische Umtriebe zu entziehen, Aufforderungen zur Rückkehr, beziehungsweise Verbote des Wanderns in fremde Länder, wo dieses heillose Treiben von den Behörden geduldet wurde, ergingen, boten die Demagogen allen auf, die Handwerksgesellen zum Ungehorsam und Widersetzlichkeit gegen ihre Obrigkeit zu veranlassen. Uebrigens fanden solche Bearbeitung deutscher Handwerker nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Frankreich, namentlich in Paris statt, wo nach den, der Centralbehörde zugekom[m]en Nachrichten, ein aus den vormaligen Advokaten Schüler und Savoye aus Zweybrücken (§: 3) und dem Burschenschafter Jakob Vendig aus Köln zusam[m]engesetztes Ober-Comité bestande hat und wo die „liberalen“ deutsche Handwerksgesellen eine Association bildeten, welche vorzüglich von dem Göttinger Flüchtling Dr. Schuster aus Lünn und den Lithographen Urban Muschani aus Steißlingen geleitet ward. Der Plan eines mit Hülfe der verführten Handwerks-Gesellen in FrühJahr 1835 auszuführenden bewaffneten Einfalls in das Großherzogthum Baden, wo auch auf Anhang unter dem Volke und unter dem Militär gerechnet wurd, (vergl. §. 13) wurde nach vorliegenden gerichtlichen Aussagen „ von den Vorstehern in Paris“ schon im Spätsommer 1834 entworfen, und den Genossen in der Schweiz mitgetheilt, wo nur die dem „jungen Deutschland“ eine feste Gestaltung erhielten. Aus den zu unseren Akten gebrachten, durch mehrfache gerichtliche Aussagen bestätigten Statuten des jungen Deutschlands erhellt, dass dasselbe unter der schon oben erwähnten Leitung eines aus wenigstens fünf Mitgliedern bestehenden Ausschusses in einzelne Klubs getheilt ist, an deren Spitze je ein Präsident und ein Sekundär stehen, welch letzterer zugleich die aus den regelmäßigen Geldbeiträgen der Theilnehmer gebildete Kasse verwaltet, das weiter jedes Mitglieder bei seiner Aufnahme sich verpflichtet, sich zu bewaffnen, und an den von den Vorstehern beschlossenen Waffen- Unternehmen Theil zu nehmen, und dass jeder Verrath eines Verbindungs- Mitgliedes mit dem Tode bestraft ist, zu welchen Behüte dem betreffenden Klubs beziehungsweise dem Ausschüsse eine Art von Staats- Gerichtsbarkeit eingeräumt ist. Der gleichen Klubbs bestanden namentlich in Bern, wo ungefähr 400 Handwerker unter dem Einfluss der Verbindung standen, in Biel, Zürich, Solothurn, St. Gallen, Genf und Lausanne, auch ergiebt sich Aus verschiedenen gerichtlichen Auslagen, daß die Ausbreitung der gedachten Verbindung in der Schweiz auch jetzt noch keineswegs in Abnahme begriffen ist. Mit dem Sanktionen des Männerbundes (§.13) unterhielten die Führer des Jungen Deutschlands fortwährend sowohl durch schriftliche Correspondenz, als durch Emissäre einen lebhaften Verkehr, Theils an den Muth und die Thätigkeit ihrer Genossen in Deutschland durch glänzende Schilderung des Erfolges der Umtriebe in der Schweiz zu erhöhen, theils um über den Strand der Sache in Deutschland zuverlässige Kunde zu erhalten. Einer dieser Emissäre, der schon oben / §. 13/ erwähnte herzogl. Nassauische Corporal Wem. Thoma von Höchst hatte im September 1834 von den, damals in Anrau sich aufhaltende Journalisten Georg Fein aus Braunschweig und Christopher Freieisen aus Frankfurt nicht weniger als dreizehn Schreiben an verschiedene Personen in Freiburg, Karlsruhe, Darmstadt, Höchst und Mainz mitbekommen, welche er auch den Adressenten *) richtig
*) In Freiburg dem Zeitungsredakteur Giehne, in Darmstadt dem Advokaten, Justizrath Buchner.
Überlieferte, hierauf aber auf der Rückreise in die Schweiz in Haft und Untersuchung gerieht. Gleiches Schicksal hatte der Schumacher Geselle Karl Riehler aus Niederlichteren, welcher im Februar 1835 dem gewesenen Lieutenant Sold in Durlach von dem neu in Straßburg sich beliebigen Verwendung mit einem schreiben zugeschickt wurde, in dem sich folgende Stelle befindet: „Ich würde dringend, dass in Bezug auf das j.D.(junge Deutschland) ein günstiger Schritt von unserer Seite geschehe. Ich fange an, etwas zu wittern, und wir müssen uns beschleunigen. Ueberhaupt sind, nach mehrfältig vorliegende Aussagen, die aus der Schweiz nach Deutschland zurückkehrende Handwerks- Gesellen häufig zum Colportiren revolutionärer Schriften, so wie zum Bestellen von Briefen an die Verbündeten benützt worden wo neben nach Übereinstim[m]ende Aussage, auch Versuche gemacht worden sind, die Verbindung durch Emissäre in Deutschland selbst auszubreiten. Man wollte, sagt diesfalls der angeschuldigte Hoffbauer in Berlin, - ein Netz von einzelnen Verbindungen in Deutschland gründen, und wenn es dann Zeit sey, das Signal zur Revolution geben, eine Absicht, welche soviel bekannt, nicht aufgehoben ist.
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