1. Uebersicht der revolutionären Umtriebe in Deutschland vom Jahr 1810 bis 1830. (§ 1)
§. 1.
Die von der vormaligen Central Untersuchungs Commission in Mainz angestellten Nachforschungen haben diese Behörde in Bezug auf den Ursprung der revolutionären Umtriebe bis über das Jahr 1810 zurückgeführt. Dieselben entwickelten sich von da an zunächst aus geheimen politischen Verbindungen, welche ursprünglich die Bekämpfung der damals auf Deutschland lastenden Uebermacht Frankreichs bezweckten, theilweise jedoch unter den Feldgegeschrei: „ Deutschlands Einheit und Einigkeit“ auch dann noch zu wirken und sich auszubreiten fortfuhren, als jener Zweck erreicht und Deutschlands äußere Freiheit errungen war, angeblich, um durch Erhaltung und Belebung des „Volksgeistes“ das Erkämpfte zu behaupten, und selbst durch die Kraft einer sogenannten „öffentlichen Meinung“ in Bezug auf Deutschlands Einheit die Festsetzung von Formen zu bewirken, welche allein seine Freiheit zu sichern geignet seien sollten. Schon in diesen ersten politischen Verbindungen sind zwey Classen Theilnehmern zu unterscheiden, von welchen es der einen mehr nur um Erreichung patriotischer Zwecke, wenn auch auf ungesetzlichen Wege, zu thun war, während die andere jene Vereine lediglich als Mittel zur Verwirklichung weiter gehender, revolutionärer Entwürfe zu benützen suchte. Unter den Mittgliedern der letzteren Classe zeichneten sich in jener Periode der politische Pamphletist Ernst Mortiz Arndt, der Erfinder des Turnwesens Friedr. - Ludwig Jahn der Stifter des „Usinger Vereins,“ Wilhelm Snell, und der Vorstand des „deutschen Bundes,“ Justiz-Raht Karl Hofmann aus Rödelheim besonders aus. Zwar lösten sich im Jahre 1815 die gedachten Verbindungen, als deren Fortsetzung für die Mitarbeit der Einzelnen nicht mehr räthlich erschien, der Form nach auf; indessen setzten die übelgesinnten Mitglieder derselben das frühere politische Treiben ununterbrochen fort, indem sie durch Gleichheit der Grundsätze und Bestrebungen verbunden, durch consequent benützte Mittel auf die öffentliche Meinung, auf das Volk und auf die Jugend planmäßig einzuwirken sich bemühten. Besonders thätig zeigte sich diese Parthey in den auf Einfürung ständischer Verfassungen berechneten Umtrieben, wobei sie, mit absichtlicher Verwechslung der Begriffe und Verhältnisse, Repräsentativ – Verfassungen Fremder Staaten als Muster pries, und als das unfehlbare Mittel, den Dämon der Empörung für immer zu bannen und das goldene Zeitalter herbeizuführen, rühmte, während es ihr in der That nur darum zu thun war, die souveräne Gewalt der Fürsten möglichst zu beschränken, die Staats - Verwaltung ihrem Einfluss zu unterwerfen und hindurch ihrem geheimen Ziele – der großendeutschen Republik – näher zu kommen. Gleichzeitig entstand und verbreitete sich auf den deutschen Universitäten eine Studentenverbindung mit politischer Tendenz, zu welcher Jahn in einem schon im Jahr 1812 mit Fichte berathenen Aufsatze den Vorschlag gemacht hatte, und die unter den Namen der allegmeinen deutschen Burschenschaft bringt ununterbrochen bis auf die neuste Zeit bestanden hat. Die dieser Verbindung zum Grunde liegende unklare, aber eben darum um so lebhaftere Idee des „Einen und freien Deutschlands“ ergriff die damals noch theilweise durch die Theilnahme an den Befreiungs – Kriegen begeisterte, auch durch das systematisch betreibene Thurnwesen aufgeregte akademische Jugend um so mehr, je mehr sie sich in dem ihr eingeflößten Wahne gefiel, daß sie berufen und der Nachwelt verpflichtet sey, eine Verbesserung des durch ihre Väter verschlechterten öffentlichen Zustandes mit Anstrengung aller ihrer Kräfte und Aufopfer– ung ihrer selbst zu bewirken, - eine Anmaßung, in welcher die durch Apologieen öffentlicher Lehrer und Schriftsteller, unter denen besonders die Professoren Fries, Kieser, Luden, Oken und die Brüder Gottlieb und Karl Welker * genan[n]t werden, bestärkt und gesteigert ward.
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* Karl Welker war in jener Periode nach einander Professor der Rechte in Gießen, Kiel, Heidelberg und Bonn. Auf letzterer Universität wurde er im Jahr 1819 wegen Verdachts der Theilnahme an demagogischen Verbindungen in Untersuchen gezogen, und nahm hierauf einen Ruf an die Universität Freiburg an, wo er im Jahr 1832, gleichzeitig mit Rottek in den Ruhestand versetzt ward. Die Rolle, welche er als Abgeordneter des Bezirksamts Ettenheim auf den badischen Landtagen gespielt hat, ist bekannt.
Die berüchtigte Wartburgsfeyer /18 Oktober 1817/ gab von allem diesem bereits ein trauriges Zeugniß, und wir erblicken seitdem in der Burschenschaft eine von älteren und höher stehenden Revolutionären sorgfältig gehegte und häufig benützte Pflanzschule politischer Schwärmer und Verbrecher. Nachdem schon im Mai 1818 von der Burschenschaft zu Gießen der Grundsatz: „der Zweck heiligt die Mittel“ berathen und angenommen worden war, und aus den überspanntesten Mitgliedern jener Verbindungen sich allmählig engere Vereine zu bilden anfiengen (sic!), unter welchen sich der zu Jena, wo damals Karl Follenius sein Wesen trieb, zu den sog: Unbedingten rechnete, neigte sich die politische Stim[m]ung 1818/19 immer zu gewaltsamen Ausbrüchen, und es konnte daher kaum befremden, als am 23“ März 1819. Kotzebue unter dem Dolche des Jenaeser Burschenschafter Sand aus Wunsiedel fiel, und bald darauf (am 1“ Juli 1819) der Apotheker Karl Löning aus Wiesbaden, ein eifriges Mitglied der früheren „deutschen Gesellschaft,“ den Herzogl. Nassauischen Regierungs-Präsidenten Ibell zu ermorden versuchte, zwei Beispiele, welche Gleichgesinnte zu ähnlichen Thaten begeistern und die politischen Gegner verstummen machen sollten. Auf diesen schmählichen Umtrieben und Ausbrüche eines bis zum Wahnwitz gesteigerten politischen Fanatismus, der übrigens viele Bewunderer und Vertheidiger fand, erfolgten, nebst zahlreichen Einschreitungen der Behörden, die Bundestags – Beschlüsse vom 20“ Septbr. 1819, durch welche die Central Untersuchungs Comission in Mainz errichtet, die Schulen und Universitäten einer strengeren Aufsicht unterworfen, die Theilnahme an der Burschenschaft und Verbindungen mit aus Schließung von öffentlichen Ämtern bedroht, und auf die, so vielfältig mißbrauchte Presse unter gleichförmige, gesetzliche Bestimmungen gestellt ward. Indessen erholte sich die Revolutions Partey bald von dem Schreken, welche diese Maaßregeln ihr verursacht hatten, indem die im Jahr 1820 kurz nacheinander erfolgten Insurrektionen von Spanien und Neapel, so wie gleichzeitige Unruhen in Frankereich ihre Hoffnungen neu belebten, woneben auch in Vollziehung jener Bundesbeschlüsse nicht allenthalben mit Nachdruck und Consequenz verfahren ward. Da sich übrigens die Parthey überzeugt haben mochte, daß sie für sich allein zur Erreichung ihrer Zwecke zu schwach sei, und da überdieß mehrere Ihrer Koryphäen, welche sich in das Ausland zu Flüchten veranlaßt gesehen hatten, hindurch mit auswärtigen Gleichgesinnten in Berührung gekommen waren, so trat von da an, in den revolutionären Treiben die bemerkenswerthe Aenderung ein, dass viele der deutschen Demagogen, welche bis dahin unauslöschlichen Haß gegen das Ausland, besonders gegen Frankreich, gepredigt hatten, nun mit den Revolutionären anderer Länder sich verbanden und deren Hülfe nachsuchten, um in ihr Vaterland die Fackel des Aufruhrs zu schleudern, so daß seit dieser Zeit die revolutionären Umtriebe in Deutschland mehr nur als eine Fraktion der allgemeinen Bewegung erscheinen, welche die Ruhe von Europa zu erschüttern drohte. Es wird behauptet, daß schon im Jahr 1820 eine förmliche Verbindung zwischen den deutschen und französischen Revolutionären zu Stande gekommen sey. Zuverläßiger ist, dass in dem gedachten Jahren sich in Deutschland eine revolutionäre Verbindung von Männern /: Männerbund :/ gebildet, welcher namentlich auf die Besetzung der König. Preuß. Festung Erfurt Einfluß zu erlangen suchten und zu diesem Behufe den kom[m]andierenden Ingenieur – Offizier daselbst, Major v. Fehrentheil, für ihre Zwecke gewan[n]. Außerdem ist jedoch über die Mitlieder und das Treiben dieser Verbindung, die sich in ein tiefes Dunkel zu hüllen wusste, wenig bekan[n]t geworden. Vollkom[m]en ermittelt ward dagegen der im Jahr 1812 gestiftete „Bund der Jungen“, welcher dem Männerbunde als blindes Werkzeug dienen sollte. Der Jenaeser Student Adolph v. Sprewitz, der gleich mehreren anderen Burschenschaften im Frühjahr 1821 den insurginten Pinmontesern zu Hülfe geeilt war, den Zweck seiner Reise aber durch die schnelle Unterdrückung der italienischen Aufstände die kais. östreichischen Heeren vereitelt sah, empfieng die der Carbonaria nachgebildeten Statuten dieser, ausdrücklich auf den Umsturz der deutschen Regierungen und Verfassungen gerichteten Verbindung, von dem flüchtigen Privatdozenten Karl Follenius, dem Turnlehrer Karl Völker und dem vormaligen K. preuß. Hauptmann v. Dittmar welche sich damals ergrimmt über die Vereitlung ihrer auf Italien gesetzten Hoffnungen, zu Chur in der Schweiz aufhielten. Die Ausbreitung dieses geheimen Bundes auf den meisten deutschen Universitäten ging sofort um so leichter von statten, als derselben eigentlich nur einen höheren Grad der, allen Verboten zum Trotz, überall wieder ausgelebten Burschenschaften bildeten und daher bei letzteren großen Ankla[n]g fand. Indessen fieng nach einiger Zeit der Eifer für diese Verbindung, deren Thätigkeit sich zunächst auf eine aufregende Einwirkung auf die Burschenschaft und auf verschiedene Zusammenkünfte beschränkte, zu erkalten an, als wiederholte Versuche ihrer Theilnehmer, über den im Hintergrunde stehenden Männer- bund näheren Aufschluß zu erlangen, fruchtlos geblieben waren und überdieß die Befestigung des Villelleschen Ministeriums in Frankreich und die Besiegung der Revolutions- Parthey in Spanien die Aussichten auf das Gelingen revolutionärer Unternehmungen sehr entfernt hatten. Der „geheime Jünglings-Bund“ war deshalb bereits in einer theilweisen Auflösung begriffen, als er zu Ende des Jahrs1823 entdeckt und zum Gegenstande mehrfacher gerichtlicher Untersuchungen gemacht ward, aus deren Grund viele seiner Theilnehmer zu bedeutenden Criminal-Strafen verurtheilt, hiernächst aber, in Betracht ihrer Jugend, ganz oder theilweise begnadigt wurden.
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