1. Freisler auf der Anklagebank: Beleidigung, Beschimpfung der Republikanischen Staatsform, Hausfriedensbruch und Landfriedensbruch (1926-1931)
Nachdem Roland Freisler erstmals am 23. Juli 1920 nach Kassel zurückgekehrt war und dort seit dem 13. Februar 1924 auch eine Anwaltskanzlei eröffnet hatte, zog er am 4. Mai des selben Jahres als Mitglied des antirepublikanischen Wahlbündnisses „Völkisch-Sozialer Block“ (VSB) in die Kasseler Stadtverordnetenversammlung ein. Hier machte er durch seine hemmungslose antidemokratische Agitation und persönliche verbale Attacken gegen politische Gegner auf sich aufmerksam. Seine zuweilen stundenlangen Redebeiträge zielten darauf ab, die Stadtverordnetenversammlung als demokratische Institution ad absurdum zu führen und politische Entscheidungsprozesse bewusst zu blockieren. So hatte Freisler in der Stadtverordnetenversammlung vom 21. Juni 1926 von der „schamlose[n] Pleite der Schieberrepublik“ gesprochen und war dafür vom Schöffengericht Kassel wegen Beleidigung der Republikanischen Staatsform zu einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Reichsmark verurteilt worden [Dokument 1, 8]. In den Folgejahren wiederholten sich im Kasseler Stadtparlament tumultartige Szenen, bei denen sich Freisler namentlich mit dem sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Christian Wittrock einen nicht immer bloß verbalen Schlagabtausch lieferte [Dokument 11, 12]. Den Hauptanlass zu weiteren Gerichtsverfahren gegen Freisler gab eine „noch nie dagewesene Versammlungsoffensive“ der NSDAP-Ortsgruppe, die am 18. Juni 1930 gleichzeitig vier öffentliche Parteikundgebungen in Kassel abhielt und dabei in der Altstadt auf Gegenkundgebungen der Kommunisten und Reichsbanner traf. Bei den anschließend ausbrechenden Straßenkämpfen wurde der NSDAP-Stadtverordnete Heinrich Messerschmidt durch einen Messerstich schwer verwundet und starb kurze Zeit später an seinen Verletzungen. Freisler erhob daraufhin in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 23. Juni 1930 den massiven Vorwurf gegen den Kasseler Polizeipräsidenten Dr. Adolf Hohenstein („der jüdische frühere Rechtsanwalt“) und den Polizei-Oberstleutnant Otto Schulz („der sozialdemokratische Kommandeur der Schutzpolizei“), sie hätten am 18. Juni in den Straßen der Stadt „Blut fließen sehen“ wollen [Dokument 14]. Im anhängigen Prozess vor dem Schöffengericht Kassel wurde Freisler deshalb wegen übler Nachrede gegen Hohenstein zu einer Geldstrafe von 300 Reichsmark und wegen Hausfriedensbruch im Stadtparlament zu einer Geldstrafe von 100 Reichsmark verurteilt; von der Beleidigung des Polizei-Obersleutnants Schulz wurde er jedoch freigesprochen [Dokument 18, 19].
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