13. Die Verfolgung des Widerstands: Wilhelm Leuschner
Wilhelm Leuschner wurde 1890 als Sohn eines Ofensetzers in Bayreuth geboren. Da er nach der Volksschule nur kurze Zeit eine Fortbildungsschule besuchen konnte, eignete er sich vieles, wie Fremdsprachen und Mathematik, durch Selbststudium an. Nach einer Ausbildung zum Holzbildhauer, zu der er sich auf Grund seines künstlerischen Talents entschloss, fand er 1908 eine Anstellung als Möbelschreiner in Darmstadt. Zwischenzeitlich studierte Leuschner ein Semester an der Akademie für Bildende Künste in Nürnberg. Trotz der Gesamtnote 1 in allen Fächern trat der junge Mann 1910 erneut eine Stellung in Darmstadt an. Dort engagierte er sich als Bezirksleiter des Zentralvereins der Bildhauer Deutschlands und wurde Mitglied der SPD.
Mit der Arbeit in Gewerkschaft und Partei machte sich Leuschner für die Rechte und die Bildung der Arbeiter stark. 1916-1918 kämpfte der nunmehr zweifache Familienvater an der Ost- und Westfront. Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges betätigte er sich vermehrt in der Gewerkschaftsarbeit, u. a. im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, sowie in der Kommunalpolitik. So war er von 1919-1928 Stadtverordneter in Darmstadt und Mitglied des Provinziallandtages Starkenburg. Von 1922-1925 hatte er den Vorsitz der SPD in Darmstadt inne. Seit 1924 Mitglied des hessischen Landtags, stieg Leuschner 1928 zum hessischen Innenminister im Kabinett Adelung auf. Nach Amtsantritt sammelte er gleichgesinnte Mitarbeiter wie Carlo Mierendorff, Ludwig Schwamb und Hermann Maas um sich, die ihm später in den Widerstand folgten.
Leuschner, der das verbrecherische, destruktive Potenzial der Nationalsozialisten früh durchschaute, bekämpfte diese schon vor 1933. Er förderte die „Eiserne Front“, und mit der Aufdeckung der Boxheimer Dokumente versuchte er Hitler entgegenzuwirken. In diesen Papieren, die ihm 1931 zugespielt wurden, traten die wahren Absichten zu Tage, die die Nationalsozialisten nach einem Regierungsumsturz planten. Ein von Leuschner initiiertes Verfahren wegen Hochverrats scheiterte jedoch am zuständigen Oberreichsanwalt. 1932, noch während seiner Tätigkeit als Innenminister, wurde er in den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes in Genf berufen. Er widmete sich nun auch der zersplitterten deutschen Gewerkschaftsbewegung. Die Einheitsgewerkschaft war sein politisches Ziel.
Am 2. Mai 1933 mit der Zerschlagung der Gewerkschaften geriet Leuschner in Haft. Von SA-Gruppen wurden er und der gesamte Bundesvorstand des ADGB drei Tage lang schwer misshandelt. Wieder auf freien Fuß gesetzt, nahm er auf Druck des Führers der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Robert Ley, an der Internationalen Arbeiterkonferenz in Genf teil. Ley erhoffte sich durch Leuschners Fürsprache internationale Anerkennung der DAF als Nachfolgeorganisation der deutschen Gewerkschaften. Leuschner verweigerte sich dem Ansinnen durch beharrliches Schweigen. Dafür erwartete ihn in Deutschland eine einjährige Haft in den Gefängnissen und Konzentrationslagern Rockenberg, Börgermoor und Lichtenburg. Nach seiner Freilassung 1934 beteiligte Leuschner sich an einer Firma zur Herstellung von Bierzapfhähnen und Armaturen, die von Parteigenossen und Gewerkschaftskollegen geführt wurde. Diese Firma wurde von den Nationalsozialisten als kriegswichtig erklärt, da sie im Besitz von Patenten zur Aluminiumhärtung war.
Wilhelm Leuschner sah sich dadurch in der Lage, unbehelligt durch Deutschland zu reisen, um ein Netzwerk zwischen den illegalen Gewerkschaftsorganisationen sowie eine reichsweite Organisationsleitung aufzubauen. Weil viele Gaststätten von ehemaligen Gewerkschaftern oder Parteimitgliedern geführt wurden, konnte Leuschner seine Arbeit als Vertreter für Bierdruckarmaturen sehr gut mit seiner konspirativen Tätigkeit verbinden. Schwerpunktthema innerhalb des Netzwerkes war vor allem der Wiederaufbau der Gewerkschaften nach Ende des Dritten Reichs. Nur Leuschner hatte genaue Kenntnis über den Umfang der geheimen Organisation; um seine Mitstreiter nicht zu gefährden, wurden Treffen nur in Kleingruppen abgehalten und Niederschriften über die Zusammentreffen verboten.
Leuschner besaß auch Kontakte zu Vertretern des bürgerlichen und militärischen Widerstands. Der ehemalige Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, versicherte sich durch Leuschner über den Rückhalt in der Bevölkerung für einen geplanten Umsturz. Zuweilen distanzierte er sich aber gegenüber den Offizieren, die gegen das NS-Regime agierten. So lehnte er es ab, die Absetzung Hitlers durch einen Generalstreik der Arbeiter zu veranlassen. Carl Friedrich Goerdeler hatte den ehemaligen hessischen Innenminister als Vizekanzler in einer Regierung nach dem Sturz Hitlers vorgesehen. Dem geduldigen und ausdauernden Mann kam zudem eine vermittelnde Rolle zwischen dem konservativen Goerdeler-Kreis und den fortschrittlichen Kreisauern zu. Beide Widerstands-Gruppierungen waren sich einig, dass ein Neuaufbau der Gesellschaft nur unter Beteiligung der Arbeiterschaft gelänge.
Nach dem 20. Juli 1944, mit dem missglückten Attentat auf Hitler, rückte auch Leuschner in das Blickfeld der Ermittler. Eine Nachbarin seiner Haushälterin denunzierte ihn bei der Gestapo. Zuvor war er steckbrieflich gesucht worden. Nun begannen qualvolle Folterungen durch die SS. Ein Mitgefangener berichtete: „Nie verließ ihn seine würdige und feste Haltung, auch dann nicht, wenn die wüsten Misshandlungen unserer Folterknechte ein Geständnis aus ihm herauszupressen versuchten.“ Am 8. September 1944 verurteilte der Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, Wilhelm Leuschner und die mit ihm angeklagten Carl Friedrich Goerdeler, Ulrich von Hassell, Josef Wirmer und Dr. Paul Lejeune-Jung zum Tode. 20 Tage später, nach weiterer leidvoller Folter, wurde Leuschner hingerichtet. Am Abend vorher hatte er alten Freunden aus der Gewerkschaftsbewegung sein politisches Vermächtnis hinterlassen: „Morgen werde ich gehängt, schafft die Einheit!“.
Mit der Arbeit in Gewerkschaft und Partei machte sich Leuschner für die Rechte und die Bildung der Arbeiter stark. 1916-1918 kämpfte der nunmehr zweifache Familienvater an der Ost- und Westfront. Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges betätigte er sich vermehrt in der Gewerkschaftsarbeit, u. a. im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, sowie in der Kommunalpolitik. So war er von 1919-1928 Stadtverordneter in Darmstadt und Mitglied des Provinziallandtages Starkenburg. Von 1922-1925 hatte er den Vorsitz der SPD in Darmstadt inne. Seit 1924 Mitglied des hessischen Landtags, stieg Leuschner 1928 zum hessischen Innenminister im Kabinett Adelung auf. Nach Amtsantritt sammelte er gleichgesinnte Mitarbeiter wie Carlo Mierendorff, Ludwig Schwamb und Hermann Maas um sich, die ihm später in den Widerstand folgten.
Leuschner, der das verbrecherische, destruktive Potenzial der Nationalsozialisten früh durchschaute, bekämpfte diese schon vor 1933. Er förderte die „Eiserne Front“, und mit der Aufdeckung der Boxheimer Dokumente versuchte er Hitler entgegenzuwirken. In diesen Papieren, die ihm 1931 zugespielt wurden, traten die wahren Absichten zu Tage, die die Nationalsozialisten nach einem Regierungsumsturz planten. Ein von Leuschner initiiertes Verfahren wegen Hochverrats scheiterte jedoch am zuständigen Oberreichsanwalt. 1932, noch während seiner Tätigkeit als Innenminister, wurde er in den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes in Genf berufen. Er widmete sich nun auch der zersplitterten deutschen Gewerkschaftsbewegung. Die Einheitsgewerkschaft war sein politisches Ziel.
Am 2. Mai 1933 mit der Zerschlagung der Gewerkschaften geriet Leuschner in Haft. Von SA-Gruppen wurden er und der gesamte Bundesvorstand des ADGB drei Tage lang schwer misshandelt. Wieder auf freien Fuß gesetzt, nahm er auf Druck des Führers der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Robert Ley, an der Internationalen Arbeiterkonferenz in Genf teil. Ley erhoffte sich durch Leuschners Fürsprache internationale Anerkennung der DAF als Nachfolgeorganisation der deutschen Gewerkschaften. Leuschner verweigerte sich dem Ansinnen durch beharrliches Schweigen. Dafür erwartete ihn in Deutschland eine einjährige Haft in den Gefängnissen und Konzentrationslagern Rockenberg, Börgermoor und Lichtenburg. Nach seiner Freilassung 1934 beteiligte Leuschner sich an einer Firma zur Herstellung von Bierzapfhähnen und Armaturen, die von Parteigenossen und Gewerkschaftskollegen geführt wurde. Diese Firma wurde von den Nationalsozialisten als kriegswichtig erklärt, da sie im Besitz von Patenten zur Aluminiumhärtung war.
Wilhelm Leuschner sah sich dadurch in der Lage, unbehelligt durch Deutschland zu reisen, um ein Netzwerk zwischen den illegalen Gewerkschaftsorganisationen sowie eine reichsweite Organisationsleitung aufzubauen. Weil viele Gaststätten von ehemaligen Gewerkschaftern oder Parteimitgliedern geführt wurden, konnte Leuschner seine Arbeit als Vertreter für Bierdruckarmaturen sehr gut mit seiner konspirativen Tätigkeit verbinden. Schwerpunktthema innerhalb des Netzwerkes war vor allem der Wiederaufbau der Gewerkschaften nach Ende des Dritten Reichs. Nur Leuschner hatte genaue Kenntnis über den Umfang der geheimen Organisation; um seine Mitstreiter nicht zu gefährden, wurden Treffen nur in Kleingruppen abgehalten und Niederschriften über die Zusammentreffen verboten.
Leuschner besaß auch Kontakte zu Vertretern des bürgerlichen und militärischen Widerstands. Der ehemalige Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, versicherte sich durch Leuschner über den Rückhalt in der Bevölkerung für einen geplanten Umsturz. Zuweilen distanzierte er sich aber gegenüber den Offizieren, die gegen das NS-Regime agierten. So lehnte er es ab, die Absetzung Hitlers durch einen Generalstreik der Arbeiter zu veranlassen. Carl Friedrich Goerdeler hatte den ehemaligen hessischen Innenminister als Vizekanzler in einer Regierung nach dem Sturz Hitlers vorgesehen. Dem geduldigen und ausdauernden Mann kam zudem eine vermittelnde Rolle zwischen dem konservativen Goerdeler-Kreis und den fortschrittlichen Kreisauern zu. Beide Widerstands-Gruppierungen waren sich einig, dass ein Neuaufbau der Gesellschaft nur unter Beteiligung der Arbeiterschaft gelänge.
Nach dem 20. Juli 1944, mit dem missglückten Attentat auf Hitler, rückte auch Leuschner in das Blickfeld der Ermittler. Eine Nachbarin seiner Haushälterin denunzierte ihn bei der Gestapo. Zuvor war er steckbrieflich gesucht worden. Nun begannen qualvolle Folterungen durch die SS. Ein Mitgefangener berichtete: „Nie verließ ihn seine würdige und feste Haltung, auch dann nicht, wenn die wüsten Misshandlungen unserer Folterknechte ein Geständnis aus ihm herauszupressen versuchten.“ Am 8. September 1944 verurteilte der Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, Wilhelm Leuschner und die mit ihm angeklagten Carl Friedrich Goerdeler, Ulrich von Hassell, Josef Wirmer und Dr. Paul Lejeune-Jung zum Tode. 20 Tage später, nach weiterer leidvoller Folter, wurde Leuschner hingerichtet. Am Abend vorher hatte er alten Freunden aus der Gewerkschaftsbewegung sein politisches Vermächtnis hinterlassen: „Morgen werde ich gehängt, schafft die Einheit!“.
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