9. Das Attentat und der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944: Der Umsturzversuch
Beim Verlassen des „Führerhauptquartiers“ Wolfschanze beobachtete Stauffenberg die Detonation der von ihm gezündeten Sprengladung. In der Überzeugung, Hitler habe den Anschlag nicht überlebt, trat Stauffenberg gemeinsam mit seinem Adjutanten Werner von Haeften den Rückflug nach Berlin an, um von dort aus den Umsturz voranzutreiben.
Die Planungen für den Umsturz basierten auf der „Operation Walküre“. Diese Pläne regelten den Einsatz von Ausbildungs- und Ergänzungstruppenteilen zur Küstensicherung, gegen die Landung feindlicher Fallschirmjägertruppen oder auch zur Bekämpfung von Unruhen innerhalb Deutschlands. Bei Auslösung der „Walküre“-Alarmbefehle sollten Wehrmachtsverbände in Gang gesetzt werden, um – gewissermaßen als Schwert des Staatsstreichs – das NS-Regime zu stürzen. Mit der militärischen Befehlsgewalt wollten die Verschwörer die Regierungsverantwortung im Reich übernehmen. Hatten der Militäropposition der Jahre 1938/39 geeignete Truppenverbände für einen Putsch noch gefehlt, so änderte sich diese Situation mit der Ernennung von General Friedrich Olbricht zum Chef des allgemeinen Heeresamtes unter dem Befehlshaber des Ersatzheeres, General Fromm. Olbricht, ein früher und entschiedener Gegner des Nationalsozialismus, besaß als Vertreter Fromms Zugriff auf das Ersatzheer, in dem reichsweit Truppen für den späteren Fronteinsatz ausgebildet und neu aufgestellt wurden. Unter Olbricht wurden die „Walküre“-Pläne dann insgeheim abgewandelt, um das Ersatzheer für den geplanten Staatsstreich zu instrumentalisieren, ohne dass dieser konspirative Zweck nach außen offen zutage trat. Nach Auslösung des „Walküre“-Befehls sollten überall im Deutschen Reich gleichzeitig Ersatztruppen nicht mehr allein strategisch wichtige Objekte wie beispielsweise Brücken oder Kommunikationseinrichtungen sichern, sondern auch SS-Verbände oder andere Parteigänger Hitlers neutralisieren und den Ausbruch eines Bürgerkrieges verhindern.
Der Erfolg der Operation „Walküre“ war untrennbar verbunden mit einem Gelingen des Attentats auf Hitler, wodurch die Soldaten vom Eid auf den Diktator befreit worden wären. Doch bereits kurze Zeit nach dem Attentat war auch zum Berliner Bendlerblock, wo der Chef des Ersatzheeres mit seinem Stab residierte, erstmals Nachricht vom Überleben des Diktators gedrungen. Die Verschwörergruppe um Olbricht zögerte daher vor der umfassenden Auslösung der „Walküre“-Alarmbefehle zunächst zurück und wartete die Ankunft Stauffenbergs in Berlin ab. Wertvolle Zeit war verstrichen, als dieser dann im Bendlerblock erschien und seinen Mitstreitern eindringlich versicherte, Hitler könne die Detonation nicht überlebt haben. Nun erst, mit rund vierstündiger Verzögerung, wurden unter der Regie von Stauffenberg die „Walküre“-Alarmierungsbefehle herausgegeben.
Da es aber den Verschwörern weder gelang, das „Führerhauptquartier“ Wolfschanze nachrichtentechnisch von der Außenwelt abzuschneiden noch der Berliner Rundfunkanlagen habhaft zu werden, standen alsbald die offiziellen Meldungen, Hitler habe ein Attentat überlebt, im Widerspruch an den „Walküre“-Befehlen, die den Tod des Diktators proklamierten. Lediglich in Wien, Prag und Paris hatte der Umsturz mit der Verhaftung lokaler SS-Führer konkrete Formen angenommen. Im Kasseler Wehrkreis IX, der große Teile des heutigen Hessen und Thüringen einschloss, wurden durch den eingeweihten Oberst Claus-Henning von Plate bereits die Verhaftungen der NS-Gauleiter, Parteifunktionäre und des Höheren SS- und Polizeiführers in die Wege geleitet. Doch in den meisten anderen Wehrkreisen des Reiches warteten die Kommandeure des Ersatzheeres, allen telefonischen Überzeugungsversuchen Stauffenbergs zum Trotz, die weitere Entwicklung zunächst erst einmal ab. Auch in Berlin selbst geriet der Staatsstreich zusehends ins Stocken und brach schließlich zusammen. Die Ankündigung einer Rundfunkansprache Hitlers am Abend des 20. Juli 1944, die den letzten öffentlichen Beweis für sein Überleben lieferte, bedeutete das endgültige Scheitern des Umsturzversuches. Noch in derselben Nacht wurden Stauffenberg und seine Mitverschwörer Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften im Innenhof des Bendlerblocks standrechtlich erschossen. Ludwig Beck, die Integrationsfigur des deutschen Widerstands, hatte zuvor die Gelegenheit zum Freitod ergriffen.
Lebensbild Friedrich Olbricht
Die dritte maßgebliche Persönlichkeit des militärischen Widerstands während des Zweiten Weltkriegs neben Tresckow und Stauffenberg war Friedrich Olbricht.
Friedrich Olbricht wurde am 4. Oktober 1888 als Sohn des Mathematikprofessors und Realschul-Oberlehrers Richard Olbricht in Leisnig/Sachsen geboren. Nach dem Abitur 1907 entschloss sich Olbricht, die militärische Laufbahn einzuschlagen. Im Ersten Weltkrieg bewährte sich der junge Soldat und erhielt mehrfach Auszeichnungen für seine Tapferkeit. 1919 zählte Olbricht zu jenen Angehörigen des kaiserlichen Offizierskorps, die in die Reichswehr übernommen wurden.
Der feinsinnige, humanistisch erzogene Olbricht stand bereits während der Weimarer Zeit der nationalsozialistischen Bewegung distanziert gegenüber. Obgleich auch er konservativ-national gesonnen war und auf eine „Wiedergenesung“ der Nation hoffte, lehnte er doch die irrationale Weltanschauung des Nationalsozialismus ab. Auch die „unseriöse Persönlichkeit“ eines Adolf Hitler im Amt des Reichskanzlers missbilligte er. Aus dieser latenten Oppositionshaltung trat Olbricht erstmals während der Röhm-Krise 1934 heraus, als er nicht nur gegen die Mordaktion protestierte, sondern auch couragiert einige Männer vor dem Zugriff der SS bewahrte.
Da er in Hitler einen Verbrecher sah, der mit seiner skrupellosen Politik Volk und Vaterland in den Abgrund trieb, nutzte Olbricht seinen beruflichen Aufstieg zur Ausweitung seines Widerstands gegen das NS-Regime. In enger Abstimmung mit zivilen Widerstandskreisen um Ludwig Beck und Carl-Friedrich Goerdeler ließ der mittlerweile zum General beförderte Olbricht die Planungen für einen Umsturz auf der Grundlage der „Walküre“-Befehle vorantreiben. Bereits am 15. Juli 1944 warf Olbricht in Erwartung eines Anschlags auf Hitler sein Leben in die Waagschale, als er erstmals den „Walküre“-Alarm auslöste, die Operation aber dann noch als Übungsalarm darzustellen vermochte. Fünf Tage später sah er dann für sich kein Zurück mehr.
Die Planungen für den Umsturz basierten auf der „Operation Walküre“. Diese Pläne regelten den Einsatz von Ausbildungs- und Ergänzungstruppenteilen zur Küstensicherung, gegen die Landung feindlicher Fallschirmjägertruppen oder auch zur Bekämpfung von Unruhen innerhalb Deutschlands. Bei Auslösung der „Walküre“-Alarmbefehle sollten Wehrmachtsverbände in Gang gesetzt werden, um – gewissermaßen als Schwert des Staatsstreichs – das NS-Regime zu stürzen. Mit der militärischen Befehlsgewalt wollten die Verschwörer die Regierungsverantwortung im Reich übernehmen. Hatten der Militäropposition der Jahre 1938/39 geeignete Truppenverbände für einen Putsch noch gefehlt, so änderte sich diese Situation mit der Ernennung von General Friedrich Olbricht zum Chef des allgemeinen Heeresamtes unter dem Befehlshaber des Ersatzheeres, General Fromm. Olbricht, ein früher und entschiedener Gegner des Nationalsozialismus, besaß als Vertreter Fromms Zugriff auf das Ersatzheer, in dem reichsweit Truppen für den späteren Fronteinsatz ausgebildet und neu aufgestellt wurden. Unter Olbricht wurden die „Walküre“-Pläne dann insgeheim abgewandelt, um das Ersatzheer für den geplanten Staatsstreich zu instrumentalisieren, ohne dass dieser konspirative Zweck nach außen offen zutage trat. Nach Auslösung des „Walküre“-Befehls sollten überall im Deutschen Reich gleichzeitig Ersatztruppen nicht mehr allein strategisch wichtige Objekte wie beispielsweise Brücken oder Kommunikationseinrichtungen sichern, sondern auch SS-Verbände oder andere Parteigänger Hitlers neutralisieren und den Ausbruch eines Bürgerkrieges verhindern.
Der Erfolg der Operation „Walküre“ war untrennbar verbunden mit einem Gelingen des Attentats auf Hitler, wodurch die Soldaten vom Eid auf den Diktator befreit worden wären. Doch bereits kurze Zeit nach dem Attentat war auch zum Berliner Bendlerblock, wo der Chef des Ersatzheeres mit seinem Stab residierte, erstmals Nachricht vom Überleben des Diktators gedrungen. Die Verschwörergruppe um Olbricht zögerte daher vor der umfassenden Auslösung der „Walküre“-Alarmbefehle zunächst zurück und wartete die Ankunft Stauffenbergs in Berlin ab. Wertvolle Zeit war verstrichen, als dieser dann im Bendlerblock erschien und seinen Mitstreitern eindringlich versicherte, Hitler könne die Detonation nicht überlebt haben. Nun erst, mit rund vierstündiger Verzögerung, wurden unter der Regie von Stauffenberg die „Walküre“-Alarmierungsbefehle herausgegeben.
Da es aber den Verschwörern weder gelang, das „Führerhauptquartier“ Wolfschanze nachrichtentechnisch von der Außenwelt abzuschneiden noch der Berliner Rundfunkanlagen habhaft zu werden, standen alsbald die offiziellen Meldungen, Hitler habe ein Attentat überlebt, im Widerspruch an den „Walküre“-Befehlen, die den Tod des Diktators proklamierten. Lediglich in Wien, Prag und Paris hatte der Umsturz mit der Verhaftung lokaler SS-Führer konkrete Formen angenommen. Im Kasseler Wehrkreis IX, der große Teile des heutigen Hessen und Thüringen einschloss, wurden durch den eingeweihten Oberst Claus-Henning von Plate bereits die Verhaftungen der NS-Gauleiter, Parteifunktionäre und des Höheren SS- und Polizeiführers in die Wege geleitet. Doch in den meisten anderen Wehrkreisen des Reiches warteten die Kommandeure des Ersatzheeres, allen telefonischen Überzeugungsversuchen Stauffenbergs zum Trotz, die weitere Entwicklung zunächst erst einmal ab. Auch in Berlin selbst geriet der Staatsstreich zusehends ins Stocken und brach schließlich zusammen. Die Ankündigung einer Rundfunkansprache Hitlers am Abend des 20. Juli 1944, die den letzten öffentlichen Beweis für sein Überleben lieferte, bedeutete das endgültige Scheitern des Umsturzversuches. Noch in derselben Nacht wurden Stauffenberg und seine Mitverschwörer Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften im Innenhof des Bendlerblocks standrechtlich erschossen. Ludwig Beck, die Integrationsfigur des deutschen Widerstands, hatte zuvor die Gelegenheit zum Freitod ergriffen.
Lebensbild Friedrich Olbricht
Die dritte maßgebliche Persönlichkeit des militärischen Widerstands während des Zweiten Weltkriegs neben Tresckow und Stauffenberg war Friedrich Olbricht.
Friedrich Olbricht wurde am 4. Oktober 1888 als Sohn des Mathematikprofessors und Realschul-Oberlehrers Richard Olbricht in Leisnig/Sachsen geboren. Nach dem Abitur 1907 entschloss sich Olbricht, die militärische Laufbahn einzuschlagen. Im Ersten Weltkrieg bewährte sich der junge Soldat und erhielt mehrfach Auszeichnungen für seine Tapferkeit. 1919 zählte Olbricht zu jenen Angehörigen des kaiserlichen Offizierskorps, die in die Reichswehr übernommen wurden.
Der feinsinnige, humanistisch erzogene Olbricht stand bereits während der Weimarer Zeit der nationalsozialistischen Bewegung distanziert gegenüber. Obgleich auch er konservativ-national gesonnen war und auf eine „Wiedergenesung“ der Nation hoffte, lehnte er doch die irrationale Weltanschauung des Nationalsozialismus ab. Auch die „unseriöse Persönlichkeit“ eines Adolf Hitler im Amt des Reichskanzlers missbilligte er. Aus dieser latenten Oppositionshaltung trat Olbricht erstmals während der Röhm-Krise 1934 heraus, als er nicht nur gegen die Mordaktion protestierte, sondern auch couragiert einige Männer vor dem Zugriff der SS bewahrte.
Da er in Hitler einen Verbrecher sah, der mit seiner skrupellosen Politik Volk und Vaterland in den Abgrund trieb, nutzte Olbricht seinen beruflichen Aufstieg zur Ausweitung seines Widerstands gegen das NS-Regime. In enger Abstimmung mit zivilen Widerstandskreisen um Ludwig Beck und Carl-Friedrich Goerdeler ließ der mittlerweile zum General beförderte Olbricht die Planungen für einen Umsturz auf der Grundlage der „Walküre“-Befehle vorantreiben. Bereits am 15. Juli 1944 warf Olbricht in Erwartung eines Anschlags auf Hitler sein Leben in die Waagschale, als er erstmals den „Walküre“-Alarm auslöste, die Operation aber dann noch als Übungsalarm darzustellen vermochte. Fünf Tage später sah er dann für sich kein Zurück mehr.
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