1. Das Kriegsende und die Revolution von oben
- Kriegsende und Revolution von oben
Als im November 1918 die Waffen schwiegen, hatten die am Ersten Weltkrieg beteiligten Mächte mehr als 15 Millionen Tote zu beklagen. Insbesondere nach Erstarrung der Front im Westen im Herbst 1914 hatten sich die Soldaten der Entente einerseits und der Mittelmächte andererseits in jahrelangen zermürbenden Stellungskriegen gegenübergestanden, so etwa in den Schlachten um Verdun, an der Somme und in Flandern. Die zigtausendfache Vernichtung menschlichen Lebens und die totale Zerstörung ganzer Landstriche waren der Preis für Geländegewinne von oftmals nur wenigen Metern.
Im Deutschen Reich wurde die Versorgungslage zwar zunehmend schwieriger, von den Schreckensszenarien des Frontalltags war jedoch nur wenig zu spüren. Ganz im Gegenteil: Die kaiserliche Propagandamaschinerie zeichnete trotz aussichtsloser militärischer Lage bis zuletzt das glorreiche Bild eines „Siegfriedens“. Der finale Schlag gegen den Feind – so wurde noch kurz vor Kriegsende in den offiziellen Bekanntmachungen suggeriert – sei nicht mehr fern.
Spätestens nach der gescheiterten deutschen Frühjahrsoffensive 1918 und den anschließenden Erfolgen der Alliierten im Westen brach sich allerdings bei den führenden Militärs die Erkenntnis Bahn, dass der Weltkrieg für das Deutsche Reich verloren war. Ende September 1918 legte die von Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff geführte Oberste Heeresleitung (OHL) Kaiser Wilhelm II. und der Reichsregierung die militärische Lage dar. Die Konsequenzen, die hieraus gezogen wurden, waren weitreichend: Um Unruhen im Innern zu vermeiden, setzten die Spitzen des Kaiserreichs auf eine rasche „Revolution von oben“. Erstmals erhielt das Deutsche Reich eine durch den Reichstag getragene Regierung. Die Mehrheitsparteien – darunter die katholische Zentrumspartei, die linksliberale Fortschrittliche Volkspartei und die Sozialdemokraten –, die seit vielen Jahren eine Demokratisierung der obrigkeitsstaatlichen Strukturen gefordert hatten, konnten sich mit der Situation auch deswegen arrangieren, weil der designierte Reichskanzler Prinz Max von Baden als reformorientiert und sozial eingestellt galt.
Anfang Oktober 1918 war die neue Reichsregierung bereits im Amt und fand sich durch die mit einiger Berechnung agierende OHL nun in die unvorteilhafte Lage gedrängt, Waffenstillstandsverhandlungen aufnehmen und anstatt der militärischen Führung die Verantwortung für den Kriegsausgang übernehmen zu müssen. Aus einem Notenwechsel mit dem US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson resultierte, dass die Alliierten als Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen nicht nur die Schaffung demokratischer Strukturen im Deutschen Reich, sondern indirekt auch das Abtreten des Kaisers einforderten. Ersteres wurde durch eine umfängliche Verfassungsänderung realisiert, die das Kaiserreich Ende Oktober zu einer parlamentarisch-demokratischen Monarchie machte. Letzteres folgte angesichts der sich überstürzenden Ereignisse im Innern nur wenige Tage später: Am 9. November 1918 verkündete Reichskanzler Max von Baden die Abdankung Wilhelms II.
Die Unterzeichnung des Waffenstillstands durch Vertreter der Reichsregierung – nicht des Militärs – am 11. November 1918 bei Compiègne und die sich damit manifestierende Kriegsniederlage Deutschlands stellten aus Sicht weiter Teile der Bevölkerung eine nur schwer verdauliche Wahrheit dar.
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