Im Mittelpunkt der Ausstellung zum "Marburger Landgrafenschloss im Wandel der Zeiten" steht die vielseitige Nutzung des Gebäudekomplexes im Laufe der Jahrhunderte. Nur wenige Gebäude spiegeln in ihrer Nutzung und baulichen Beschaffenheit so stark die Besonderheiten der jeweiligen Epoche: Die um 900 errichtete Burg wurde ab 1131 als Herrschaftssitz der Landgrafen von Thüringen genutzt und im Laufe der nächsten Jahrhunderte gemäß den sich wandelnden Anforderungen des Spätmittelalters zu einem repräsentativen Schloss ausgebaut. Veränderte militärische Bedürfnisse des frühneuzeitlichen Territorialstaats erforderten den Ausbau zur Festung. Nach den Eroberungen Napoleons war eine militärische Sicherung gegen äußere Feinde nicht mehr erforderlich, die Anlage wurde stattdessen zur Sicherung gegen innere Feinde als Staatsgefängnis weitergenutzt. Mit der Eroberung Kurhessens durch Preußen wurde die Nutzung für die Zwecke des modernen Verwaltungsstaates zivilisiert und das neu errichtete Staatsarchiv wurde in den Räumen des Schlosses untergebracht.
Die verschiedenen Nutzungsweisen haben das Schloss natürlich auch baugeschichtlich verändert und sowohl die Bewohner der Anlage als auch die der Stadt geprägt. Kaum ein anderes Schloss kann auf eine so wechselnde Nutzung zurückblicken.
Seit 1292 diente das Schloss als Herrschaftssitz und Stammschloss der Landgrafen von Hessen. Die hier zusammengestellten Dokumente sollen aber nicht nur anhand der zeitlichen Achse die verschiedenen Nutzungsweisen des Schlosses aufzeigen, sondern auch das Schloss aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. So wäre die landesherrliche Repräsentation, wie sie im zweiten Kapitel aufgezeigt wird, nicht ohne die Herrschaftssitzfunktion, auf die im ersten Kapitel eingegangen wird, möglich gewesen. Die Tatsache, dass das Schloss zu einer Festung ausgebaut wurde, erleichterte die Umfunktionierung der Anlage zum Staatsgefängnis 1809, da das Schloss bereits in mehreren Schlachten sein Sicherheitskonzept bewiesen hatte. Die Entscheidung, aus dem Schloss ein Gefängnis zu machen, wurde vielfach kritisiert; die Entscheidung der Preußen von 1869, ein Staatsarchiv dort unterzubringen, traf demgegenüber auf breitere Zustimmung.
Dass letztlich die Universität und nicht die Stadt Marburg nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besitz des Schlosses gelangte und sich damit auch um die Instandhaltung und Renovierung des Schlosses kümmern muss, lag nicht nur an dem Platzmangel der Universität. Die kontroverse Diskussion in den 20er und 30er Jahren um das Schloss zeigte, dass das Gebäude auch stark in Mitleidenschaft gezogen war.
Der Wandel der Nutzung ist auch unter den heutigen demokratischen Verhältnissen nicht abgeschlossen: Hier kreuzen sich Bedürfnisse von Universität und Stadtgesellschaft nach der Nutzung des Schlosses als repräsentativen Ort für kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen mit den Anforderungen des Denkmalschutzes an den Erhalt der historischen Substanz und die Durchführung archäologischer Forschung - und schließlich ist für den Ausbau des Wirtschaftsstandorts Marburg auch die verstärkte touristische Verwertung dieses weithin erkennbaren Wahrzeichens der Stadt von wachsender Bedeutung.
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