Die Bundesrepublik Deutschland 1949-1963/66. Die Ära Adenauer
Die Ära Adenauer ist für die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von zentraler Bedeutung. Wenn auch wichtige Strukturen durch die Entscheidungen der Siegermächte in den Jahren zwischen 1945 und 1949 vorgegeben waren und Westdeutschland anfänglich nur über einen sehr begrenzten Handlungsspielraum verfügte, so erfolgte die Grundlegung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung der Gegenwart doch im wesentlichen in der Regierungszeit des ersten Bundeskanzlers von 1949-1963: Während der Kanzlerschaft Adenauers wurde die Weichenstellung für die Westintegration und die Gemeinschaft der Bundesrepublik mit den westlichen Demokratien endgültig vollzogen. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen war damit, d. h. unter den Bedingungen des Kalten Krieges und des Ost-WestKonflikts, zugleich der Verzicht auf die Einheit im traditionellen nationalstaatlichen Rahmen verbunden. Im Inneren kam es in dieser Epoche zu einem ungeahnten wirtschaftlichen Aufstieg, der die maßgebliche Voraussetzung für Wohlstand, soziale Sicherheit und auch die langfristige politische Stabilität der Bundesrepublik bildete. Demgegenüber erwies sich der Weg zu einer demokratischen Erneuerung der Gesellschaft in den fünfziger Jahren als ein vergleichsweise schwieriger Prozeß. Das autoritäre Demokratieverständnis der Ära Adenauer prägte lange Zeit die politische Kultur der Bundesrepublik. Erst der Generationswechsel zu Ende der sechziger Jahre und im übergang zu den siebziger Jahren leitete hier einen tiefgreifenden Wandel ein.
Trotz der einschneidenden Zäsur nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und einem Neuanfang in vielen Bereichen von Wirtschaft und Politik konnte indes von einer "Stunde Null" weder im Jahre 1945 noch bei der Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 die Rede sein. Wenigstens das erste Jahrzehnt der Bundesrepublik war in einem erheblichen Umfange von Kontinuitäten geprägt, die teilweise weit über das Epochenjahr 1945 zurückweisen. In diesem Sinne stellt sich die Ära Adenauer als eine durchaus spannungsgeladene Zeit des Übergangs dar: Neue, zukunftsweisende Entwicklungen standen neben Tendenzen, die Ausklang von Strukturmustern und Denkweisen der Vergangenheit waren.
Absicht der vorliegenden Quellensammlung kann nicht sein, möglichst viele Einzelereignisse und Entscheidungssituationen im Detail zu dokumentieren. Es kommt vielmehr darauf an, die Umrisse des Bildes einer Epoche zu entwerfen. In den einzelnen Kapiteln werden in diesem Sinne exemplarisch prägende Strukturen und Grundlinien der Entwicklung auf unterschiedlichen Ebenen dargestellt. Schwerpunkte bilden: 1) Die "Kanzlerdemokratie" und die Politik Adenauers als der "Zentralfigur" (Hans-Peter Schwarz) der Jahre 1949-1963.2) Die Thematik des Kalten Krieges, die westliche Integration und die deutsche Teilung. 3) Das "Wirtschaftswunder" und die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse. Dem Alltag und dem Lebensgefühl der fünfziger Jahre gilt ein besonderer Schwerpunkt, ausführlicher dargestellt werden ferner die Integration der Heimatvertriebenen und Probleme der "Vergangenheitsbewältigung". 4) Der Übergang zu den sechziger Jahren mit den Aspekten: Gründung der EWG, Herausforderung durch neue Technologien (Atomindustrie, Raumfahrt) und die programmatische Entwicklung der SPD von der Klassenzur Volkspartei. 5) In einem letzten Kapitel werden das Ende der Ära Adenauer, die Kanzlerschaft Erhards und der übergang zur Großen Koalition thematisiert. Inhaltliche Schwerpunkte bilden ferner die deutsch-französische Aussöhnung sowie das Ausklingen des Kalten Krieges. Eine Bilanz der Epoche, wie sie sich aus zeitgenössischen Bewertungen und einer aktuellen Darstellung (W. Loth) ergibt, schließt die Textsammlung ab.
Die Quellenauswahl bleibt im übrigen bewußt auf zeitgenössische Texte und Dokumente beschränkt. Soweit erforderlich, wird auf grundlegende Kontroversen in der Forschung in den jeweiligen Kapiteleinführungen bzw. den Erläuterungen zu den Quellen hingewiesen.
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