6. Schule in Marburg
Arbeitsaufträge:
- Nennen Sie die Pflichten, denen die Schüler nachkommen müssen.
- Stellen Sie die Aufgaben des Lehrers dar.
- Arbeiten Sie heraus, welche Fächer bzw. Fähigkeiten in der Marburger Stadtschule wohl gelehrt werden. Recherchieren Sie darüber hinaus Informationen.
- Stellen Sie anhand einzelner Artikel Vermutungen über das Verhältnis Lehrer/Schüler an.
- Überlegen Sie, welche Eltern ihre Kinder die Stadtschule besuchen lassen.
- Erläutern Sie mögliche Gründe für die enge Verzahnung von Schule und Kirche.
- Vergleichen Sie den Alltag eines Schülers im Mittelalter mit dem Ihrigen.
Erläuterungen:
Eine Quelle aus dem Jahr 1235 erwähnt zum ersten Mal die Existenz einer Schule in Marburg; aber erst die Schulordnung von 1431 lässt klarere Auskünfte über Lehrer, Schüler und Unterricht zu.
Der Schulmeister war zu dieser Zeit ein städtischer Bediensteter; ursprünglich aber handelte es sich bei der Lehrtätigkeit um ein geistliches Amt und wurde daher auch überwiegend von Geistlichen ausgeübt, denn die erste Schule in Marburg war wahrscheinlich in Anlehnung an die Pfarrkirche als sog. Pfarr- und Chorschule entstanden. Mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt Marburg im 13. Jahrhundert wird diese jedoch den Ansprüchen der Zeit nicht mehr gerecht geworden sein, sodass die Stadt begann, die Schule mehr und mehr in ihren Einflussbereich zu integrieren. Z. B. indem sie die Lehrer einstellte; Artikel 23 der Ordnung aus dem Jahr 1448 weist zumindest daraufhin, dass der Rat den Lehrer aus seinem Dienst entlassen konnte.
1431, zur Zeit der ersten Schulordnung, hieß der „Schulmeister“ Hermann; ob er Geistlicher oder Laie war, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Bei seinem Nachfolger Johann Zcenner (ab1448) handelte es sich vermutlich nicht um einen Mann der Kirche, da Quellen belegen, dass er verheiratet war.
Über welche Ausbildung die beiden Männer verfügten, ist nicht mehr zu klären. Möglicherweise hatten sie an einer Universität einen akademischen Grad erworben, was allerdings keiner gezielten Lehrerausbildung entsprach.
Der Schulmeister erhielt bei Amtsantritt ein einmaliges Handgeld, den sog. Mietpfennig; seine Höhe von 6 Gulden bzw. 1 Pfund weist ihm einen hohen Rang unter den städtischen Beamten zu. Eine ähnlich hohe Bezahlung erhielt nur noch der Stadtschreiber (seine Aufgaben = oft hatte er eine juristische Ausbildung; er fertigte Urkunden, war für die Korrespondenz der Stadt verantwortlich und protokollierte gelegentlich auch Gerichtsverhandlungen), darunter lagen Stadtzimmermänner, Stadtsteinmetze, Stadtköche, Stadthirten, Wächter, Pförtner.
Artikel 23 spricht auch davon, dass der Lehrer bei Amtsantritt einen Eid – ähnlich wie heute – ablegen musste, bei dem er versprach, seine ihm auferlegten Pflichten zu erfüllen. Anders als heute aber begann das Schuljahr an Ostern.
Der Unterschulmeister wurde in der Regel direkt vom Oberschulmeister auf eigene Kosten angestellt. An beide Lehrer mussten die Schüler das Schulgeld bezahlen. Zudem waren sie verpflichtet Naturalabgaben in Form von kleinen Broten sowie Holz für den Ofen (im Winter) und Kerzen zur Beleuchtung mitzubringen.
Die Schulordnung aus dem Jahr 1448 regelt nur den Umgang des Lehrers mit seinen Schülern; auf inhaltliche Aspekte des Unterrichts geht sie nicht ein. Möglicherweise konnte er die Stunden innerhalb eines festgelegten Fächerspektrums selbst ausgestalten. Da aber überwiegend Söhne aus Familien erfolgreicher Kaufleute oder wohlhabender Handwerker, deren Mitarbeit zu Hause nicht benötigt wurde, die Schule besuchten, lassen sich einzelne Schwerpunkte ermittelt. Denn die Schüler sollten hier die die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um einen Beruf in Handel oder Gewerbe ausüben zu können. Deshalb sollten sie Kenntnisse im Lesen, Schreiben, Rechnen und der Buchhaltung erlangen, aber auch im Geld- und Münzwesen, in Maß- und Gewichtseinheiten. Der Schulbesuch sollte sie aber auch auf einen Besuch der Universität vorbereiten; an den Hochschulen in Prag, Basel, Wien, Köln oder Erfurt finden sich in den Verzeichnissen aus Marburg kommende Schüler, die sicher zuerst die Marburger Stadtschule besucht hatten. Auch im Chorgesang unterrichtete der Lehrer die Jungen, worauf u.a. die Artikel 10 und 11 der Ordnung von 1431 hinweisen. Während der Gottesdienste oder anderer kirchlicher Feiern trat der Jungenchor in der Pfarrkirche auf, der die Lieder in lateinischer Sprache vortrug. Daher mussten die Schüler auch der lateinischen Sprache mächtig sein. Bei der Stadtschule wird es sich daher um eine sog. „Lateinschule“ handeln, im Gegensatz zu einer „deutschen Schule“, in der nur das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache im Mittelpunkt stand und die für den Raum Hessen in dieser Zeit noch nicht nachgewiesen ist. Artikel 27 der Ordnung von 1460 weist darauf hin, dass der Schulmeister auch im Umgang mit dem anderen Geschlecht eine Vorbildfunktion einnehmen sollte, um den Jungen eine der Zeit entsprechende tugendhafte Einstellung zu vermitteln.
Im Unterricht selbst ging es vermutlich wenig schülerorientiert zu: Der Unterrichtsstoff wurde i.d.R. über Auswendiglernen vermittelt; um Schüler zu „motivieren“ oder zu bestrafen, bediente sich der Schulmeister seines „Stocks“; in Artikel 28 der Ordnung von 1460 wird er angewiesen, die Jungen damit nicht auf den Kopf zu schlagen – offensichtlich scheint diese Art der Prügel häufiger vorgekommen zu sein und zu Beschwerden geführt haben.
Die Schulwoche begann montags und endete samstags; Ferien gab es nur an Weihnachten und Ostern. Abgesehen von einer Mittagspause, die wahrscheinlich am Vormittag zwischen 10 und 11 lag, blieben die Schüler bis zum Abend. Allerdings wurde der Schultag auch zweimal von den Gottesdiensten unterbrochen, der Messe am Morgen und der Vesper am Nachmittag, bei denen die Jungen ihren Dienst im Chor zu versehen hatten (Vgl. Art. 10 und 11 der Ordnung v. 1431). Dazu kam der Chorgesang an Feiertagen; diesem Dienst wurde insgesamt viel Zeit geopfert, sodass für das eigentliche Unterrichten gar nicht mehr ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden haben kann.
Zwar gibt es keine Auszeichnungen über die Schülerzahlen, gemessen an den Einwohnerzahlen von ca. 2500 um das Jahr 1431 dürften aber etwa 80 bis 100 Jungen die Stadtschule besucht haben. Zudem erhielten auch Söhne aus dem Marburger Umland und anderen Städten die Möglichkeit, die Stadtschule zu besuchen. Aus der Quelle geht jedoch hervor, dass auch weniger begüterte Jungen aufgenommen wurden. Der Eintritt in die Schule lag wahrscheinlich zwischen 5 und 7 Jahren; die Dauer des Schulbesuchs war nicht vorgeschrieben. Wer aber die Universität besuchen wollte, wird vermutlich etwas länger – vielleicht bis 15 oder 16 Jahre – auf der Schule geblieben sein. Das Schulhaus am heutigen Lutherischen Kirchhof 3 wurde von der Stadt finanziert – bei dem Bau handelt es sich aber nicht mehr um das Schulhaus aus dem späten Mittelalter – was auf eine städtische Kultur verweist, die religiös-kirchlich geprägt ist.
Mädchen durften die Stadtschule nicht besuchen; erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts weisen die Quellen eine Schule für sie nach: die Mädchenschule von Clara von Löwenstein. Wie der Quelle zu entnehmen ist, billigen und unterstützen Bürgermeister und Rat die Schule finanziell; allerdings handelt es sich um eine Privatschule, die nicht allen Bürgerstöchtern der Stadt offen gestanden haben wird. Unterrichtet wurden hier Lesen, Schreiben und Rechnen, und das auf Deutsch.
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