4. Das Ende des kalten Krieges und die Wiederherstellung der Deutschen Einheit
1. Der KSZE-Prozeß und die Europäische Integration von der Helsinki-Konferenz 1975 bis zur Ära Gorbatschow
Die europäische Integration hatte im Zeichen des Kalten Krieges 1957 als westeuropäische Integration mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge und Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) durch sechs Staaten einen ersten Abschluß gefunden. Zusammen mit der "Europäischen Atomgemeinschaft" und der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl"
(Montanunion) bildet dieser Zusammenschluß seit 1967 in Form der "Europäischen Gemeinschaften" (EG) einen westeuropäischen Verbund mit gemeinsamer Führungsspitze (EG-Kommission, Ministerrat) und gemeinsamem Parlament.
Von Anfang an bestand das Ziel einer Fortbildung der Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Politischen Union und zur Erweiterung des Mitgliederkreises - wenn auch mit unterschiedlichen Vorbehalten bei den verschiedenen EG-Staaten. Tatsächlich vergrößerte sich die ursprüngliche Sechser-Gemeinschaft in den Jahren 1973, 1981 und 1986 durch Hinzutritt weiterer Länder zur Zwölfer-Gemeinschaft (Stand 1990). Obwohl die EG für die beteiligten Staaten zugleich eine Freihandelszone und Zollunion herstellte, existierten nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Steuer-, Wirtschafts- und Sozialgesetze weiterhin Barrieren im zwischenstaatlichen Waren- und Kapitalverkehr. Die 1985 in Luxemburg beschlossene "Einheitliche Europäische Akte" verpflichtete die EG-Kommission und die Mitgliedsstaaten zur Etablierung der Voraussetzungen für einen einheitlichen Binnenmarkt bis zum 31. 12. 1992 und damit zur Harmonisierung von Steuer-, Wirtschafts- und Sozialgesetzen. Sie stellte einen bedeutenden Fortschritt in Richtung auf eine immer engere Integration der westeuropäischen
Länder dar. Die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Notenbank, einer einheitlichen Währung, einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie schließlich einer Politischen Union bleiben die weitergehenden Ziele. Vergeblich versuchte die Sowjetunion, der westeuropäischen Integration eine entsprechende osteuropäische entgegenzustellen. Paradoxerweise leitete sogar Anfang der siebzig er Jahre der von der Sowjetunion immer wieder vorgebrachte Wunsch nach einer Fixierung des Status quo und der Anerkennung ihres Besitzstandes in Osteuropa durch eine europäische Sicherheitskonferenz eine Entwicklung mit ein, die schließlich in die Auflösung des Ostblocks und in die Wiedervereinigung Deutschlands mündete. Die westliche Einwilligung zu einer solchen Konferenz gründete auf der Hoffnung, dadurch die Härten der europäischen Teilung mildern und die Menschenrechte in den osteuropäischen Staaten besser sichern zu können. Die Schlußakte der "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa", die nach dreijährigen Verhandlungen am 1. 8. 1975 von 33 europäischen Staaten sowie von den USA und Kanada in Helsinki feierlich unterzeichnet wurde, trug diesen unterschiedlichen Erwartungen Rechnung. In dem sogenannten Dekalog, dem eigentlichen Kern der Akte, garantierten die Unterzeichnerstaaten einerseits die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen in Europa und verpflichteten sie sich andererseits dazu die Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit zu achten und einzuhalten.
Da die KSZE-Konferenz nicht als einmalige Veranstaltung konzipiert war, sondern seit 1975 regelmäßige Folgekonferenzen zur Überprüfung und zum weiteren Ausbau des bisher Erreichten stattfanden, unterstützte diese eine Entwicklung, die schließlich im Jahre 1989/90 zu einer Überwindung des europäischen Status quo führte. Am 21. 11. 1990 unterzeichneten die Teilnehmerstaaten auf der Pariser KSZE-Konferenz die "Charta für ein neues Europa", mit der der Schlußstrich unter die Konfrontation der Nachkriegszeit gezogen und ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der europäischen Einheit deklariert wurde.
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