7. Das Attentat und der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944: Der militärische Widerstand
General Ludwig Beck (Bundesarchiv, Bild 146-1980-033-04)
Nach der Ausschaltung der Arbeiterbewegung im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung hätte allein das Militär über die Machtmittel verfügt, das Unrechtsregime zu stürzen. Dass sich dereinst aus den Streitkräften heraus eine starke Widerstandsbewegung mit dem Ziel bilden würde, an Adolf Hitler den „Tyrannenmord“ zu vollziehen, war aus der Perspektive der ersten Jahre der NS-Herrschaft jedoch kaum denkbar. Der von Hitler angekündigte Kampf gegen Pazifismus und Marxismus deckte sich mit der nationalkonservativen Grundüberzeugung der militärischen Elite, die überwiegend durch das Kaiserreich geprägt worden war. Die Bereitschaft der Reichswehr, mit den neuen Machthabern zu kooperieren, hat auch die zügige militär- und außenpolitische Revision des Versailler Vertrages befördert. Die massive Wiederaufrüstung bot zum einen den einzelnen Offizieren bis in die unteren Ränge hinein ungeahnte Beförderungschancen und eine soziale Aufwertung durch die Militarisierung der Gesellschaft. Zum anderen stand die militärische Aufrüstung in einer untrennbaren Verbindung zu einem neuen „Großdeutschland“, das Hitler verhieß.
In dem Glauben, mit der Regierung Hitler sei die Wiedergeburt der Nation zu vergangener Größe eingeläutet worden, ließ sich die Reichswehr unter ihrem neuen Minister Generaloberst Werner von Blomberg gleichschalten. Bereitwillig beteiligte sie sich an der als „Röhmputsch“ bezeichneten Mordaktion vom 30. Juni 1934, bei der mit der SA-Spitze die Konkurrenz der NS-Parteiarmee ausgeschaltet wurde. Die Vereidigung der Soldaten auf den „Führer“ Adolf Hitler statt wie zuvor auf „Volk und Vaterland“ band den Einzelnen in fataler Weise an das verbrecherische System. Die faktische Übernahme des Oberbefehls über die 1935 in „Wehrmacht“ umbenannten Streitkräfte durch Hitler sowie die Einsetzung ergebener, regimetreuer Offiziere schlossen im Frühjahr 1938 die militärische Gleichschaltung ab.
Die Loyalität innerhalb der Armeeführung begann zu bröckeln, als sich 1937/38 mit der aggressiven Außenpolitik des Regimes ein kriegerischer Konflikt mit den Westmächten England und Frankreich anbahnte. Die militärische Opposition gegen die Kriegspolitik, in der man eine existentielle Gefährdung der deutschen Nation sah, steigerte sich bereits während der „Sudetenkrise“ vom Sommer 1938 zu konkreten Staatsstreichplänen. Dass Hitler mit dem Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die Angliederung des Sudetenlandes auf diplomatischem Wege gelang und damit die Kriegsgefahr vorerst gebannt war, machte diese Planungen für einen Sturz des Diktators zunichte. Hitlers außenpolitischer Erfolg war eine Niederlage für den militärischen Widerstand, der zusehends in eine resignative Passivität verfiel.
Den nächsten Anlauf, von dem als verhängnisvoll erachteten Weg in den Weltkrieg abzukommen, unternahmen die oppositionell eingestellten Befehlshaber nach dem deutschen Überfall auf Polen im Herbst 1939. Doch auch dieser militärische Sieg, vielmehr noch dann im darauffolgenden Jahr der Triumph über Frankreich, entzogen vorerst allen Staatsstreichplanungen den Boden. Hitler stand auf dem Zenit seiner Macht und hatte seine Stellung als Oberbefehlshaber der Wehrmacht gefestigt.
Als sich das militärische Blatt nach dem Angriff auf die Sowjetunion zu wenden begann, bekam die Opposition neuen Auftrieb. Noch mehr als während des Polenfeldzuges wurde nun deutlich, dass es sich hier um einen rassenideologischen Vernichtungskrieg handelte, der alle bis dato auch im Krieg geltenden Regeln und Konventionen missachtete. Der mit erbarmungsloser Brutalität geführte „Weltanschauungskrieg“, in den auch die Wehrmacht selbst verstrickt war, verstieß gegen Rechtsempfinden, Moral und christliche Verantwortung einer zunehmend wachsenden Anzahl von Offizieren. Innerhalb der einzelnen Gruppen der Militäropposition, die sich seit 1941 neu formierte, bestand nun Einigkeit darüber, dass Hitler getötet werden müsse, um die tragende Stütze des Regimes einzureißen und die Soldaten von ihrem „Treueid“ zu entbinden. Doch alle Pläne, den Tyrannen durch ein Attentat aus dem Weg zu räumen, scheiterten bis zum Stauffenberg-Attentat bereits im Ansatz.
Lebensbild Ludwig Beck
Von Herkunft und Entwicklung her war Ludwig Beck ein typischer Vertreter der nationalkonservativen Opposition gegen die NS-Diktatur. Ludwig Beck wurde am 29. Juni 1880 in Biebrich, heute ein Stadtteil von Wiesbaden, als Sohn des gleichnamigen Eisenhüttendirektors geboren. Der Eintritt in die preußische Offizierslaufbahn im Anschluss an das Abitur 1898 lag nahe, besaß doch der Soldatenberuf Tradition in der Familie Beck. Becks intellektuelle Fähigkeiten förderten seine Karriere, die ihn noch vor dem Ersten Weltkrieg in den Großen Generalstab führte. Nach dem Krieg übernahm ihn die Reichswehr und er stieg weiter auf bis zum Generalleutnant.
Als Angehöriger einer konservativen Elite im Staatsdienst begrüßte Beck den Beginn der nationalsozialistischen Ära; Hitlers Militär- und Gesellschaftspolitik fand durchaus seine Billigung. Doch wandelte sich anfängliche Sympathie in grundsätzliche Abneigung, als Hitler sich nicht mehr allein mit der Revision des Versailler Vertrages begnügen wollte. Der weitsichtige Stratege Beck erkannte früh, dass die rassenideologisch motivierte „Lebensraumpolitik“ des Nationalsozialismus das Deutsche Reich in existentielle Gefahr brachte. Mit seinen Denkschriften warnte der mittlerweile zum Chef des Generalstabes des Heeres aufgestiegene Beck vor der Expansionspolitik. Da Hitler sich gegenüber militärischem Sachverstand unempfänglich zeigte, drängte Beck die Generalität zu einer kollektiven Gehorsamsverweigerung – ein vergebliches Unterfangen, was Beck dazu veranlasste, am 18. August 1939 von seinem Führungsamt zurückzutreten.
Aufgrund des breiten Ansehens, das er genoss, rückte Beck nach seiner Demission rasch in den Mittelpunkt sowohl des militärischen wie auch des bürgerlichen Widerstands. Da auch er mittlerweile im „Tyrannenmord“ die einzige Chance sah, das Regime zu stürzen und einen politischen Neuanfang zu machen, beteiligte sich Beck am Umsturzversuch des 20. Juli 1944. Wie die anderen Verschwörer im Berliner Bendlerblock auch, bezahlte Beck seinen mutigen Einsatz am Abend dieses Tages mit dem Leben.
In dem Glauben, mit der Regierung Hitler sei die Wiedergeburt der Nation zu vergangener Größe eingeläutet worden, ließ sich die Reichswehr unter ihrem neuen Minister Generaloberst Werner von Blomberg gleichschalten. Bereitwillig beteiligte sie sich an der als „Röhmputsch“ bezeichneten Mordaktion vom 30. Juni 1934, bei der mit der SA-Spitze die Konkurrenz der NS-Parteiarmee ausgeschaltet wurde. Die Vereidigung der Soldaten auf den „Führer“ Adolf Hitler statt wie zuvor auf „Volk und Vaterland“ band den Einzelnen in fataler Weise an das verbrecherische System. Die faktische Übernahme des Oberbefehls über die 1935 in „Wehrmacht“ umbenannten Streitkräfte durch Hitler sowie die Einsetzung ergebener, regimetreuer Offiziere schlossen im Frühjahr 1938 die militärische Gleichschaltung ab.
Die Loyalität innerhalb der Armeeführung begann zu bröckeln, als sich 1937/38 mit der aggressiven Außenpolitik des Regimes ein kriegerischer Konflikt mit den Westmächten England und Frankreich anbahnte. Die militärische Opposition gegen die Kriegspolitik, in der man eine existentielle Gefährdung der deutschen Nation sah, steigerte sich bereits während der „Sudetenkrise“ vom Sommer 1938 zu konkreten Staatsstreichplänen. Dass Hitler mit dem Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die Angliederung des Sudetenlandes auf diplomatischem Wege gelang und damit die Kriegsgefahr vorerst gebannt war, machte diese Planungen für einen Sturz des Diktators zunichte. Hitlers außenpolitischer Erfolg war eine Niederlage für den militärischen Widerstand, der zusehends in eine resignative Passivität verfiel.
Den nächsten Anlauf, von dem als verhängnisvoll erachteten Weg in den Weltkrieg abzukommen, unternahmen die oppositionell eingestellten Befehlshaber nach dem deutschen Überfall auf Polen im Herbst 1939. Doch auch dieser militärische Sieg, vielmehr noch dann im darauffolgenden Jahr der Triumph über Frankreich, entzogen vorerst allen Staatsstreichplanungen den Boden. Hitler stand auf dem Zenit seiner Macht und hatte seine Stellung als Oberbefehlshaber der Wehrmacht gefestigt.
Als sich das militärische Blatt nach dem Angriff auf die Sowjetunion zu wenden begann, bekam die Opposition neuen Auftrieb. Noch mehr als während des Polenfeldzuges wurde nun deutlich, dass es sich hier um einen rassenideologischen Vernichtungskrieg handelte, der alle bis dato auch im Krieg geltenden Regeln und Konventionen missachtete. Der mit erbarmungsloser Brutalität geführte „Weltanschauungskrieg“, in den auch die Wehrmacht selbst verstrickt war, verstieß gegen Rechtsempfinden, Moral und christliche Verantwortung einer zunehmend wachsenden Anzahl von Offizieren. Innerhalb der einzelnen Gruppen der Militäropposition, die sich seit 1941 neu formierte, bestand nun Einigkeit darüber, dass Hitler getötet werden müsse, um die tragende Stütze des Regimes einzureißen und die Soldaten von ihrem „Treueid“ zu entbinden. Doch alle Pläne, den Tyrannen durch ein Attentat aus dem Weg zu räumen, scheiterten bis zum Stauffenberg-Attentat bereits im Ansatz.
Lebensbild Ludwig Beck
Von Herkunft und Entwicklung her war Ludwig Beck ein typischer Vertreter der nationalkonservativen Opposition gegen die NS-Diktatur. Ludwig Beck wurde am 29. Juni 1880 in Biebrich, heute ein Stadtteil von Wiesbaden, als Sohn des gleichnamigen Eisenhüttendirektors geboren. Der Eintritt in die preußische Offizierslaufbahn im Anschluss an das Abitur 1898 lag nahe, besaß doch der Soldatenberuf Tradition in der Familie Beck. Becks intellektuelle Fähigkeiten förderten seine Karriere, die ihn noch vor dem Ersten Weltkrieg in den Großen Generalstab führte. Nach dem Krieg übernahm ihn die Reichswehr und er stieg weiter auf bis zum Generalleutnant.
Als Angehöriger einer konservativen Elite im Staatsdienst begrüßte Beck den Beginn der nationalsozialistischen Ära; Hitlers Militär- und Gesellschaftspolitik fand durchaus seine Billigung. Doch wandelte sich anfängliche Sympathie in grundsätzliche Abneigung, als Hitler sich nicht mehr allein mit der Revision des Versailler Vertrages begnügen wollte. Der weitsichtige Stratege Beck erkannte früh, dass die rassenideologisch motivierte „Lebensraumpolitik“ des Nationalsozialismus das Deutsche Reich in existentielle Gefahr brachte. Mit seinen Denkschriften warnte der mittlerweile zum Chef des Generalstabes des Heeres aufgestiegene Beck vor der Expansionspolitik. Da Hitler sich gegenüber militärischem Sachverstand unempfänglich zeigte, drängte Beck die Generalität zu einer kollektiven Gehorsamsverweigerung – ein vergebliches Unterfangen, was Beck dazu veranlasste, am 18. August 1939 von seinem Führungsamt zurückzutreten.
Aufgrund des breiten Ansehens, das er genoss, rückte Beck nach seiner Demission rasch in den Mittelpunkt sowohl des militärischen wie auch des bürgerlichen Widerstands. Da auch er mittlerweile im „Tyrannenmord“ die einzige Chance sah, das Regime zu stürzen und einen politischen Neuanfang zu machen, beteiligte sich Beck am Umsturzversuch des 20. Juli 1944. Wie die anderen Verschwörer im Berliner Bendlerblock auch, bezahlte Beck seinen mutigen Einsatz am Abend dieses Tages mit dem Leben.
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