3. Der zivile Widerstand: Die Bekennende Kirche
Die evangelische Kirche stand der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus anfangs durchaus mit Wohlwollen gegenüber. Auf der evangelischen Seite überwog eine bürgerlich-konservative Grundhaltung, die distanziert zur pluralistischen, parlamentarischen Demokratie von Weimar stand. Mit dem 30. Januar 1933 schien eine „nationale Erhebung“ eingesetzt zu haben. Von ihr erhoffte man sich in protestantischen Kreisen eine Wiederkehr des christlich-autoritären Staates der Wilhelminischen Ära in der Verbindung von Thron und Altar, wenngleich im neuen Gewand einer unter Hitler geführten Regierung.
Erste Risse in dieser geschichtlich verklärten Fassade waren alsbald unübersehbar. Der totalitäre Anspruch des NS-Regimes, das gesamte öffentliche und private Leben mit seiner Ideologie zu durchdringen, bezog die Religionen mit ein. Auch gegenüber der evangelischen Kirche sollte dieser Totalitätsanspruch durchgesetzt werden. Hierbei bediente sich der Staat nicht nur der eigenen gesetzlichen und ausführenden Machtinstrumente. Die Aufgabe der Gleichschaltung erfüllte hier die am Nationalsozialismus ausgerichtete „Glaubensbewegung Deutsche Christen“. Diese Vereinigung evangelischer Nationalsozialisten unter der Führung des im September 1933 zum Reichsbischof ernannten Ludwig Müller (1883-1945) strebte eine geeinte, überkonfessionelle deutsche Nationalkirche an.
Unter dem Druck der politischen Verhältnisse wurde auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen die bis 1933 bestehende Kirchenverfassung mit den evangelischen Kirchenterritorien Hessen-Darmstadt, Frankfurt am Main, Nassau, Hessen-Kassel und Waldeck-Pyrmont grundlegend geändert. Die Landeskirchentage in Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt beschlossen auf turbulenten Sitzungen am 12. September 1933 ihren Zusammenschluss. An die Spitze der neuen Landeskirche Nassau-Hessen berief Reichsbischof Ludwig Müller den Pfarrer der Wiesbadener Marktkirche, Dr. Ernst Ludwig Dietrich, der ebenfalls den völkisch-religiösen Deutschen Christen zugehörig war. Im Sommer 1934 vereinigten sich dann die Kirchen in Hessen-Kassel und Waldeck-Pyrmont zur evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck.
An der Anwendung des „Arierparagraphen“ bei der Besetzung von Kirchenämtern entzündete sich im September 1933 der evangelische Widerstand gegen das NS-Regime sowie der Konflikt innerhalb der evangelischen Kirche, der „Kirchenkampf“. Eine Gruppe von Berliner Pfarrern um Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer verurteilte die von den Deutschen Christen propagierte „völkische“ Religion als Verstoß gegen das christliche Bekenntnis und gründete als Gegenmaßnahme den „Pfarrernotbund“. Aus dieser Vereinigung, die sich rasch in den einzelnen Landeskirchen ausbreitete, entwickelten sich dann reichsweit Bekenntnisgemeinschaften, die sich im Anschluss an die Barmer Bekenntnissynode vom 29. bis 31. Mai 1934 zur Bekennenden Kirche zusammenschlossen. So entstand innerhalb der evangelischen Kirche eine Gruppierung, die sich der staatlichen Gleichschaltungspolitik mit Nachdruck widersetzte.
Die Zielsetzung dieser kirchlichen Opposition lag nicht im politischen Widerstand. Ohne die Loyalität zum Staat grundsätzlich infrage zu stellen, verteidigte die Bekennende Kirche die eigenen Freiheiten und Institutionen. Maßgeblich für die Ausübung der Religion sollte allein die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments sein. Doch je nachhaltiger der Nationalsozialismus auf die Durchsetzung seiner Ideologie von einer völkischen Staatskirche drängte, desto mehr geriet die Bekennende Kirche ungewollt in die Rolle einer staatsfeindlichen Organisation. Offener und interner Protest oder auch die Verweigerung obrigkeitlicher Anordnungen reizten die neuen Machthaber empfindlich. Die Behörden reagierten ihrerseits mit Verwarnungen von Pfarrern, Erteilung von Redeverboten bis hin zur Einweisung von bekennenden Geistlichen in Konzentrationslager.
Lebensbild Hans von Soden
Der Marburger Universitätsprofessor Hans von Soden war gemeinsam mit seinem Kollegen Rudolf Bultmann einer der maßgeblichen Personen der Bekennenden Kirche in Hessen.
Am 4. November 1881 in Striesen bei Dresden geboren, schlug von Soden im Anschluss an sein Theologiestudium die Hochschullaufbahn ein. 1924 folgte er dem Ruf an die Philipps-Universität Marburg, wo er bis zu seinem Tod am 2. Oktober 1945 evangelische Theologie lehrte.
Weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus bekannt wurde Hans von Soden als federführender Mitverfasser des Marburger Gutachtens zur Anwendung des „Arierparagraphen“ im kirchlichen Geltungsbereich. Die von ihm als Dekan geleitete Marburger Theologische Fakultät rückte in die Rolle eines theologischen Zentrums der evangelischen Opposition in Hessen. Es entsprach von Sodens politischem Selbstverständnis, sich dem Pfarrernotbund sowie der Bekennenden Kirche in zentralen Funktionen anzuschließen.
Als gläubiger Christ und Theologe wehrte sich von Soden sowohl innerkirchlich als auch öffentlich gegen die Ideologisierung und Politisierung der evangelischen Kirche. In Zeiten der totalitären Anmaßung betrachtete von Soden seine Professur als Wächter-amt in der Kirche. Die von ihm praktizierte Opposition war bezeichnend für den kirchlichen Widerstand insgesamt. Er widersprach auf seinem religiös-theologischen Feld den Ansprüchen des totalitären Staates mit Nachdruck und wurde dafür auch zwischenzeitlich mit der Entbindung von seiner Lehrtätigkeit bestraft. Allerdings überschritt er nicht die eng gezogene Grenze zur Illegalität, indem er etwa die Verbrechen des NS-Staates anprangerte oder den Kampf gegen den Unrechtsstaat im politischen Widerstand aufnahm.
Erste Risse in dieser geschichtlich verklärten Fassade waren alsbald unübersehbar. Der totalitäre Anspruch des NS-Regimes, das gesamte öffentliche und private Leben mit seiner Ideologie zu durchdringen, bezog die Religionen mit ein. Auch gegenüber der evangelischen Kirche sollte dieser Totalitätsanspruch durchgesetzt werden. Hierbei bediente sich der Staat nicht nur der eigenen gesetzlichen und ausführenden Machtinstrumente. Die Aufgabe der Gleichschaltung erfüllte hier die am Nationalsozialismus ausgerichtete „Glaubensbewegung Deutsche Christen“. Diese Vereinigung evangelischer Nationalsozialisten unter der Führung des im September 1933 zum Reichsbischof ernannten Ludwig Müller (1883-1945) strebte eine geeinte, überkonfessionelle deutsche Nationalkirche an.
Unter dem Druck der politischen Verhältnisse wurde auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen die bis 1933 bestehende Kirchenverfassung mit den evangelischen Kirchenterritorien Hessen-Darmstadt, Frankfurt am Main, Nassau, Hessen-Kassel und Waldeck-Pyrmont grundlegend geändert. Die Landeskirchentage in Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt beschlossen auf turbulenten Sitzungen am 12. September 1933 ihren Zusammenschluss. An die Spitze der neuen Landeskirche Nassau-Hessen berief Reichsbischof Ludwig Müller den Pfarrer der Wiesbadener Marktkirche, Dr. Ernst Ludwig Dietrich, der ebenfalls den völkisch-religiösen Deutschen Christen zugehörig war. Im Sommer 1934 vereinigten sich dann die Kirchen in Hessen-Kassel und Waldeck-Pyrmont zur evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck.
An der Anwendung des „Arierparagraphen“ bei der Besetzung von Kirchenämtern entzündete sich im September 1933 der evangelische Widerstand gegen das NS-Regime sowie der Konflikt innerhalb der evangelischen Kirche, der „Kirchenkampf“. Eine Gruppe von Berliner Pfarrern um Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer verurteilte die von den Deutschen Christen propagierte „völkische“ Religion als Verstoß gegen das christliche Bekenntnis und gründete als Gegenmaßnahme den „Pfarrernotbund“. Aus dieser Vereinigung, die sich rasch in den einzelnen Landeskirchen ausbreitete, entwickelten sich dann reichsweit Bekenntnisgemeinschaften, die sich im Anschluss an die Barmer Bekenntnissynode vom 29. bis 31. Mai 1934 zur Bekennenden Kirche zusammenschlossen. So entstand innerhalb der evangelischen Kirche eine Gruppierung, die sich der staatlichen Gleichschaltungspolitik mit Nachdruck widersetzte.
Die Zielsetzung dieser kirchlichen Opposition lag nicht im politischen Widerstand. Ohne die Loyalität zum Staat grundsätzlich infrage zu stellen, verteidigte die Bekennende Kirche die eigenen Freiheiten und Institutionen. Maßgeblich für die Ausübung der Religion sollte allein die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments sein. Doch je nachhaltiger der Nationalsozialismus auf die Durchsetzung seiner Ideologie von einer völkischen Staatskirche drängte, desto mehr geriet die Bekennende Kirche ungewollt in die Rolle einer staatsfeindlichen Organisation. Offener und interner Protest oder auch die Verweigerung obrigkeitlicher Anordnungen reizten die neuen Machthaber empfindlich. Die Behörden reagierten ihrerseits mit Verwarnungen von Pfarrern, Erteilung von Redeverboten bis hin zur Einweisung von bekennenden Geistlichen in Konzentrationslager.
Lebensbild Hans von Soden
Der Marburger Universitätsprofessor Hans von Soden war gemeinsam mit seinem Kollegen Rudolf Bultmann einer der maßgeblichen Personen der Bekennenden Kirche in Hessen.
Am 4. November 1881 in Striesen bei Dresden geboren, schlug von Soden im Anschluss an sein Theologiestudium die Hochschullaufbahn ein. 1924 folgte er dem Ruf an die Philipps-Universität Marburg, wo er bis zu seinem Tod am 2. Oktober 1945 evangelische Theologie lehrte.
Weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus bekannt wurde Hans von Soden als federführender Mitverfasser des Marburger Gutachtens zur Anwendung des „Arierparagraphen“ im kirchlichen Geltungsbereich. Die von ihm als Dekan geleitete Marburger Theologische Fakultät rückte in die Rolle eines theologischen Zentrums der evangelischen Opposition in Hessen. Es entsprach von Sodens politischem Selbstverständnis, sich dem Pfarrernotbund sowie der Bekennenden Kirche in zentralen Funktionen anzuschließen.
Als gläubiger Christ und Theologe wehrte sich von Soden sowohl innerkirchlich als auch öffentlich gegen die Ideologisierung und Politisierung der evangelischen Kirche. In Zeiten der totalitären Anmaßung betrachtete von Soden seine Professur als Wächter-amt in der Kirche. Die von ihm praktizierte Opposition war bezeichnend für den kirchlichen Widerstand insgesamt. Er widersprach auf seinem religiös-theologischen Feld den Ansprüchen des totalitären Staates mit Nachdruck und wurde dafür auch zwischenzeitlich mit der Entbindung von seiner Lehrtätigkeit bestraft. Allerdings überschritt er nicht die eng gezogene Grenze zur Illegalität, indem er etwa die Verbrechen des NS-Staates anprangerte oder den Kampf gegen den Unrechtsstaat im politischen Widerstand aufnahm.
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