4. Der zivile Widerstand: Die katholische Kirche
In der katholischen Kirche entwickelte sich unter dem Gleichschaltungsdruck des NS-Regimes zwischen 1933 und 1935 keine der Bekennenden Kirche vergleichbare Oppositionsbewegung. Zwar waren bereits vor dem 30. Januar 1933 gewichtige Stimmen laut geworden, die auf die Unvereinbarkeit von katholischer Lehre und nationalsozialistischem Rassenwahn hinwiesen. Auch das „positive“, auf Überwindung der konfessionellen Grenzen abzielende Christentum, wie es im Parteiprogramm der NSDAP postuliert worden war, stieß im katholischen Lager auf Ablehnung.
Doch trotz der unverkennbaren weltanschaulichen Skepsis zeigten sich die deutschen Bischöfe im Frühjahr 1933 loyal gegenüber der neuen Obrigkeit. Deren Auftreten als entschiedener Gegner des Bolschewismus und für ein Wiedererstarken der Nation überwand zunächst die Vorbehalte gegenüber der Reichsregierung unter Adolf Hitler. Die Anpassung an die neuen politischen Verhältnisse erleichterte auch das am 20. Juli 1933 in Rom unterzeichnete Reichskonkordat. Dieses Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan sicherte der katholischen Kirche in Deutschland formell die innere Autonomie sowie die ungehinderte Verbreitung ihrer Schriften zu. Dieser staatlichen Garantie der Bekenntnisfreiheit und ?ausübung stand allerdings die freiwillige Entpolitisierung des Katholizismus gegenüber. Parteipolitische Betätigung war den Geistlichen und Ordensleuten fortan untersagt; kirchliche Organisationen hatten sich allein auf religiöse, karitative und kulturelle Aufgaben zu beschränken.
Diese Rechnung der politisch defensiven Kirchenleitung, durch die politische Selbstpreisgabe die katholische Kirche in ihrem Bestand zu sichern, ging nicht auf. Bereits im Herbst 1933 machte die totalitäre Diktatur deutlich, dass sie nicht gewillt war, auf die Gleichschaltung der katholischen Organisationen und Bekenntnisschulen zu verzichten. Das NS-Regime bediente sich bei seinem Kampf gegen die katholische Kirche seiner üblichen Mittel der Einschüchterung, des wirtschaftlichen Drucks sowie des Terrors. Als sich die anfänglich systematische Verletzung des Konkordats schon längst zur Verfolgung von oppositionellen Geistlichen gesteigert hatte, brandmarkte Papst Pius XI. diese glaubensfeindliche Politik mit seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ vom März 1937. Mit derlei Mahnungen ließ sich der Nationalsozialismus allerdings nicht mehr zähmen.
Einzelne Bischöfe wagten offen gegen das Regime zu opponieren, so z.B. mit einigem Erfolg gegen die nationalsozialistischen Euthanasiemorde in Hadamar. Dennoch mangelte es insgesamt an einer einheitlichen Strategie gegen den Nationalsozialismus. Meist waren es die Geistlichen vor Ort oder ihre Gemeindemitglieder, die sich ohne einen festen organisatorischen Zusammenschluss und aus ihrer individuellen Glaubensüberzeugung heraus gegen die Übergriffe des Staates zur Wehr setzten. Wie bei den Protestanten auch, reichte hier das Spektrum von der Nonkonformität über die Verweigerung, z. B. des Kriegsdienstes oder des Eides auf Adolf Hitler, bis hin zum offenen Protest.
Lebensbild Alfred Delp
Alfred Delp zählte zu jenen katholischen Geistlichen, die vom religiös motivierten, standhaften Widerstehen aus den Schritt in den politischen Widerstand gingen. Die immer brutaleren Verbrechen des NS-Systems z. B. bei der Verfolgung der Juden ließen ihn zu der Überzeugung gelangen, dass es nicht mehr allein um den Schutz der Kirche vor dem Nationalsozialismus gehen müsse, sondern um dessen schnellstmögliche Beseitigung.
Als Sohn einer interkonfessionellen Kaufmannsfamilie am 15. September 1907 in Mannheim geboren und seit 1914 im südhessischen Lampertheim aufgewachsen, erhielt Alfred Delp prägende Eindrücke aus der katholischen Jugendbewegung. Obgleich er 1921 konfirmiert wurde, konvertierte Delp noch im selben Jahr zum katholischen Glauben. Früh fasste er den Entschluss, Priester zu werden. Unmittelbar nach dem Abitur trat Delp in den Jesuitenorden ein, wo er 1937 zum Priester geweiht wurde.
Als Angehöriger des Jesuitenordens bekam Alfred Delp den fanatischen Kirchenhass der Nationalsozialisten unmittelbar zu spüren. Die Ordenszeitung „Stimmen der Zeit“, bei der Delp seit 1937 mitarbeitete, wurde 1941 von der Gestapo verboten. Von dem sogenannten Klostersturm, der Beschlagnahmung von Klöstern und Ordensniederlassungen durch den NS-Staat, war auch Delp unmittelbar betroffen. Notgedrungen übernahm er 1941 die Stelle des Kirchenrektors an der Pfarrkirche in München-Bogenhausen.
Seit 1942 engagierte sich Delp in der Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises. Dort brachte er die Soziallehre der katholischen Kirche zur Geltung. Die von ihm geforderte „Wiederverchristlichung der Arbeiterschaft“ sollte einhergehen mit deren dauerhafter Eigentumsbildung – ein sozialpolitischer Gedanke, der in der späteren Bundesregierung unter Konrad Adenauer eine gewichtige Rolle spielen sollte.
Obgleich Alfred Delp in die Attentatspläne Stauffenbergs nicht eingeweiht war und ihm daher auch keine Mittäterschaft nachgewiesen werden konnte, verhaftete ihn die Gestapo am 28. Juli 1944. Weil er wegen seiner Zugehörigkeit zum Jesuitenorden als Feind und Widersacher des Regimes galt, verurteilte ihn der Volksgerichtshof nach schweren Folterungen am 11. Januar 1945 zum Tode. Am 2. Februar 1945 wurde das Urteil in Berlin-Plötzensee vollstreckt.
Doch trotz der unverkennbaren weltanschaulichen Skepsis zeigten sich die deutschen Bischöfe im Frühjahr 1933 loyal gegenüber der neuen Obrigkeit. Deren Auftreten als entschiedener Gegner des Bolschewismus und für ein Wiedererstarken der Nation überwand zunächst die Vorbehalte gegenüber der Reichsregierung unter Adolf Hitler. Die Anpassung an die neuen politischen Verhältnisse erleichterte auch das am 20. Juli 1933 in Rom unterzeichnete Reichskonkordat. Dieses Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan sicherte der katholischen Kirche in Deutschland formell die innere Autonomie sowie die ungehinderte Verbreitung ihrer Schriften zu. Dieser staatlichen Garantie der Bekenntnisfreiheit und ?ausübung stand allerdings die freiwillige Entpolitisierung des Katholizismus gegenüber. Parteipolitische Betätigung war den Geistlichen und Ordensleuten fortan untersagt; kirchliche Organisationen hatten sich allein auf religiöse, karitative und kulturelle Aufgaben zu beschränken.
Diese Rechnung der politisch defensiven Kirchenleitung, durch die politische Selbstpreisgabe die katholische Kirche in ihrem Bestand zu sichern, ging nicht auf. Bereits im Herbst 1933 machte die totalitäre Diktatur deutlich, dass sie nicht gewillt war, auf die Gleichschaltung der katholischen Organisationen und Bekenntnisschulen zu verzichten. Das NS-Regime bediente sich bei seinem Kampf gegen die katholische Kirche seiner üblichen Mittel der Einschüchterung, des wirtschaftlichen Drucks sowie des Terrors. Als sich die anfänglich systematische Verletzung des Konkordats schon längst zur Verfolgung von oppositionellen Geistlichen gesteigert hatte, brandmarkte Papst Pius XI. diese glaubensfeindliche Politik mit seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ vom März 1937. Mit derlei Mahnungen ließ sich der Nationalsozialismus allerdings nicht mehr zähmen.
Einzelne Bischöfe wagten offen gegen das Regime zu opponieren, so z.B. mit einigem Erfolg gegen die nationalsozialistischen Euthanasiemorde in Hadamar. Dennoch mangelte es insgesamt an einer einheitlichen Strategie gegen den Nationalsozialismus. Meist waren es die Geistlichen vor Ort oder ihre Gemeindemitglieder, die sich ohne einen festen organisatorischen Zusammenschluss und aus ihrer individuellen Glaubensüberzeugung heraus gegen die Übergriffe des Staates zur Wehr setzten. Wie bei den Protestanten auch, reichte hier das Spektrum von der Nonkonformität über die Verweigerung, z. B. des Kriegsdienstes oder des Eides auf Adolf Hitler, bis hin zum offenen Protest.
Lebensbild Alfred Delp
Alfred Delp zählte zu jenen katholischen Geistlichen, die vom religiös motivierten, standhaften Widerstehen aus den Schritt in den politischen Widerstand gingen. Die immer brutaleren Verbrechen des NS-Systems z. B. bei der Verfolgung der Juden ließen ihn zu der Überzeugung gelangen, dass es nicht mehr allein um den Schutz der Kirche vor dem Nationalsozialismus gehen müsse, sondern um dessen schnellstmögliche Beseitigung.
Als Sohn einer interkonfessionellen Kaufmannsfamilie am 15. September 1907 in Mannheim geboren und seit 1914 im südhessischen Lampertheim aufgewachsen, erhielt Alfred Delp prägende Eindrücke aus der katholischen Jugendbewegung. Obgleich er 1921 konfirmiert wurde, konvertierte Delp noch im selben Jahr zum katholischen Glauben. Früh fasste er den Entschluss, Priester zu werden. Unmittelbar nach dem Abitur trat Delp in den Jesuitenorden ein, wo er 1937 zum Priester geweiht wurde.
Als Angehöriger des Jesuitenordens bekam Alfred Delp den fanatischen Kirchenhass der Nationalsozialisten unmittelbar zu spüren. Die Ordenszeitung „Stimmen der Zeit“, bei der Delp seit 1937 mitarbeitete, wurde 1941 von der Gestapo verboten. Von dem sogenannten Klostersturm, der Beschlagnahmung von Klöstern und Ordensniederlassungen durch den NS-Staat, war auch Delp unmittelbar betroffen. Notgedrungen übernahm er 1941 die Stelle des Kirchenrektors an der Pfarrkirche in München-Bogenhausen.
Seit 1942 engagierte sich Delp in der Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises. Dort brachte er die Soziallehre der katholischen Kirche zur Geltung. Die von ihm geforderte „Wiederverchristlichung der Arbeiterschaft“ sollte einhergehen mit deren dauerhafter Eigentumsbildung – ein sozialpolitischer Gedanke, der in der späteren Bundesregierung unter Konrad Adenauer eine gewichtige Rolle spielen sollte.
Obgleich Alfred Delp in die Attentatspläne Stauffenbergs nicht eingeweiht war und ihm daher auch keine Mittäterschaft nachgewiesen werden konnte, verhaftete ihn die Gestapo am 28. Juli 1944. Weil er wegen seiner Zugehörigkeit zum Jesuitenorden als Feind und Widersacher des Regimes galt, verurteilte ihn der Volksgerichtshof nach schweren Folterungen am 11. Januar 1945 zum Tode. Am 2. Februar 1945 wurde das Urteil in Berlin-Plötzensee vollstreckt.
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