8. Neue Probleme - alte Lösungen ?
VIII. Neue Probleme - alte Lösungen ?
Aus- und Übersiedler
Aussiedler, die um Aufnahme nachsuchen, gibt es seit Bestehen der Bundesrepublik, deren Gründung zeitlich etwa mit dem Ende der Vertreibungen von Deutschen zusammenfällt. Nach Artikel 116 des Grundgesetzes sind Aussiedler Deutsche. Bis Ende 1986 kamen fast 1,5 Millionen Menschen aus osteuropäischen Staaten. Größere Beachtung in der Öffentlichkeit fanden sie erst seit Mitte der 80er Jahre, als die Arbeitsplätze knapp geworden waren und immer mehr Aussiedler kamen. Ein bis dahin völlig unerwarteter Anstieg des Zustroms setzte 1987/88 ein, als ihre Zahl von gut 40 000 auf über 200 000 jährlich anwuchs. Dies hing sehr stark mit der Erleichterung der Ausreisemöglichkeiten im Zuge der Entspannungspolitik zusammen.
Der ganz überwiegende Teil der Aussiedler seither kommt aus Polen, der Sowjetunion und Rumänien. Ihre wirtschaftliche Eingliederung erfolgte trotz der hohen Zahl anfangs vielfach noch ohne große Schwierigkeiten. Allerdings gibt es mittlerweile zunehmende Probleme bei der Wohnungsbeschaffung und mit der Übersiedlerwelle 1989/90 auch am Arbeitsmarkt. Anders als die Heimatvertriebenen in den ersten Jahren nach 1945 erhalten die Aussiedler sofort Eingliederungshüfen, die von Flüchtlings- und Vertriebenenverbänden erkämpft und im BVFG und Lastenausgleichsgesetz 1953 festgeschrieben wurden. Gleichzeitig klagen sie aber häufig darüber, daß sie mit weniger Mitgefühl und menschlicher Wärme in ihrem Heimatland aufgenommen werden, als sie es sich erhofft hatten. Diesen Mangel haben auch viele Vertriebene in den Nachkriegsjahren empfunden.
Eine individuelle Betreuung ist von den Verbänden und Hilfsorganisationen kaum noch zu leisten, nachdem sich die Zahl der Aussiedler seit 1988 vervielfacht hat. Es besteht aber ein hoher Bedarf an menschlicher Hilfe, und zwar nicht nur, weil viele Aussiedler nicht mehr Deutsch sprechen können, sondern auch weil sie ein konservatives Werte- und Normensystem mitbringen, das ein rasches Einleben in die bundesrepublikanischen Verhältnisse erschwert.
Während den Vertriebenen seinerzeit vielfach vorgehalten wurde, daß sie ihr Schicksal selbst verschuldet hätten, begegnen die Aussiedler heute anderen Vorurteilen. Häufig heißt es, sie seien gar keine Deutschen und sie kämen nur aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik. Viele Bundesbürger kritisieren zudem, daß etliche Neuankömmlinge, vor allem die jüngeren, die deutsche Sprache gar nicht, nur gebrochen oder mit starkem Akzent beherrschen. Dazu muß man aber wissen, daß in den osteuropäischen Ländern ihre Minderheitenrechte meist stark eingeschränkt wurden. Beispielsweise gab es oft keinen Deutschunterricht an den Schulen, und es war ihnen zeitweise sogar verboten, Deutsch zu sprechen. Ehr Leben war starken Belastungen ausgesetzt. So wurden in Rußland die Wolgadeutschen und andere Rußlanddeutsche aus ihren angestammten Wohngebieten unter Stalins Herrschaft nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion zwangsweise nach Sibirien umgesiedelt. In Rumänien wollte Ceaucescu noch unlängst die deutschen Siedlungen dem Erdboden gleichmachen. Daß sich die Nationalitätenkonflikte im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistischen Systeme in Osteuropa weiter verschärfen, ist sicher ein weiterer Punkt, der die Entscheidung beeinflußte, in die Bundesrepublik zu gehen. Ein Zusammenhang zwischen den Aussiedlerschicksalen und dem von NS-Deutschland verursachten Zweiten Weltkrieg wird in der Bundesrepublik heute oft nicht mehr gesehen.
Verschärft wurde die Lage im Herbst und Winter letzten Jahres, als zusätzlich Zehntausende von Übersiedlern aus der DDR in die Bundesrepublik kamen. In die menschliche Anteilnahme an dem Schicksal der Übersiedler mischte sich bald auch hier die Sorge, wie Unterbringung und soziale Versorgung bei Anhalten des Übersiedlerstroms auf Dauer zu bewältigen seien. Dieses Problem erübrigte sich mit der Ablösung der SED-Regierung durch die Volkskammerwahl vom 18. März 1990 und den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990.
Aus- und Übersiedler
Aussiedler, die um Aufnahme nachsuchen, gibt es seit Bestehen der Bundesrepublik, deren Gründung zeitlich etwa mit dem Ende der Vertreibungen von Deutschen zusammenfällt. Nach Artikel 116 des Grundgesetzes sind Aussiedler Deutsche. Bis Ende 1986 kamen fast 1,5 Millionen Menschen aus osteuropäischen Staaten. Größere Beachtung in der Öffentlichkeit fanden sie erst seit Mitte der 80er Jahre, als die Arbeitsplätze knapp geworden waren und immer mehr Aussiedler kamen. Ein bis dahin völlig unerwarteter Anstieg des Zustroms setzte 1987/88 ein, als ihre Zahl von gut 40 000 auf über 200 000 jährlich anwuchs. Dies hing sehr stark mit der Erleichterung der Ausreisemöglichkeiten im Zuge der Entspannungspolitik zusammen.
Der ganz überwiegende Teil der Aussiedler seither kommt aus Polen, der Sowjetunion und Rumänien. Ihre wirtschaftliche Eingliederung erfolgte trotz der hohen Zahl anfangs vielfach noch ohne große Schwierigkeiten. Allerdings gibt es mittlerweile zunehmende Probleme bei der Wohnungsbeschaffung und mit der Übersiedlerwelle 1989/90 auch am Arbeitsmarkt. Anders als die Heimatvertriebenen in den ersten Jahren nach 1945 erhalten die Aussiedler sofort Eingliederungshüfen, die von Flüchtlings- und Vertriebenenverbänden erkämpft und im BVFG und Lastenausgleichsgesetz 1953 festgeschrieben wurden. Gleichzeitig klagen sie aber häufig darüber, daß sie mit weniger Mitgefühl und menschlicher Wärme in ihrem Heimatland aufgenommen werden, als sie es sich erhofft hatten. Diesen Mangel haben auch viele Vertriebene in den Nachkriegsjahren empfunden.
Eine individuelle Betreuung ist von den Verbänden und Hilfsorganisationen kaum noch zu leisten, nachdem sich die Zahl der Aussiedler seit 1988 vervielfacht hat. Es besteht aber ein hoher Bedarf an menschlicher Hilfe, und zwar nicht nur, weil viele Aussiedler nicht mehr Deutsch sprechen können, sondern auch weil sie ein konservatives Werte- und Normensystem mitbringen, das ein rasches Einleben in die bundesrepublikanischen Verhältnisse erschwert.
Während den Vertriebenen seinerzeit vielfach vorgehalten wurde, daß sie ihr Schicksal selbst verschuldet hätten, begegnen die Aussiedler heute anderen Vorurteilen. Häufig heißt es, sie seien gar keine Deutschen und sie kämen nur aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik. Viele Bundesbürger kritisieren zudem, daß etliche Neuankömmlinge, vor allem die jüngeren, die deutsche Sprache gar nicht, nur gebrochen oder mit starkem Akzent beherrschen. Dazu muß man aber wissen, daß in den osteuropäischen Ländern ihre Minderheitenrechte meist stark eingeschränkt wurden. Beispielsweise gab es oft keinen Deutschunterricht an den Schulen, und es war ihnen zeitweise sogar verboten, Deutsch zu sprechen. Ehr Leben war starken Belastungen ausgesetzt. So wurden in Rußland die Wolgadeutschen und andere Rußlanddeutsche aus ihren angestammten Wohngebieten unter Stalins Herrschaft nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion zwangsweise nach Sibirien umgesiedelt. In Rumänien wollte Ceaucescu noch unlängst die deutschen Siedlungen dem Erdboden gleichmachen. Daß sich die Nationalitätenkonflikte im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistischen Systeme in Osteuropa weiter verschärfen, ist sicher ein weiterer Punkt, der die Entscheidung beeinflußte, in die Bundesrepublik zu gehen. Ein Zusammenhang zwischen den Aussiedlerschicksalen und dem von NS-Deutschland verursachten Zweiten Weltkrieg wird in der Bundesrepublik heute oft nicht mehr gesehen.
Verschärft wurde die Lage im Herbst und Winter letzten Jahres, als zusätzlich Zehntausende von Übersiedlern aus der DDR in die Bundesrepublik kamen. In die menschliche Anteilnahme an dem Schicksal der Übersiedler mischte sich bald auch hier die Sorge, wie Unterbringung und soziale Versorgung bei Anhalten des Übersiedlerstroms auf Dauer zu bewältigen seien. Dieses Problem erübrigte sich mit der Ablösung der SED-Regierung durch die Volkskammerwahl vom 18. März 1990 und den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990.
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