Dokument 12
Adenauer und die Einheit Deutschlands. Aufzeichnung des Unterstaatssekretärs im britischen Außenministerium, Sir Ivone Kirkpatrick über ein Gespräch mit dem deutschen Botschafter in London, Herwarth von Bittenfeld am 15. Dezember 1955. Aufzeichnung vom 16. 12. 1955, ins Deutsche übertragen von R. Neebe.
Urheber
Sir Ivone Kirkpatrick, ins Deutsche übertragen von R. Neebe
Datum
16.12.1955
Bestand/Sign.
englischer Originaltext abgedruckt bei J. Foschepoth (Hg.), Adenauer und die Deutsche Frage, Göttingen 1988, S. 289 f.
Streng geheim
Einheit Deutschlands 1. Der deutsche Botschafter sagte mir gestern, daß er mir zu diesem Thema [Einheit Deutschlands] eine streng vertrauliche Mitteilung machen wollte. Ich würde mich daran erinnern, daß ich ihm bei meiner Rückkehr aus Genf erzählt hätte, daß wir [d. h. Großbritannien] in dieser Frage vielleicht flexibler als die Amerikaner sein sollten. Wir könnten zu einer Position kommen, in der wir erklärten, daß wir, unter der Voraussetzung einer Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage freier Wahlen und der Handlungsfreiheit für eine gesamtdeutsche Regierung in inneren und äußeren Angelegenheiten, jeden einigermaßen vernünftigen Sicherheitsvertrag mit den Russen unterzeichnen sollten.
2. Der Botschafter sagte mir, daß er diese Möglichkeit sehr vertraulich mit dem Kanzler erörtert habe. Dr. Adenauer wollte mich [Kirkpatrick] wissen lassen, daß er eine solche Haltung mißbillige. Der entscheidende Grund sei, daß Dr. Adenauer kein Vertrauen in das deutsche Volk habe. Er sei äußerst besorgt, daß sich eine künftige deutsche Regierung, wenn er von der politischen Bühne abgetreten sei, zu Lasten Deutschlands mit Rußland verständigen könnte. Folglich sei er der Meinung, daß die Integration Westdeutschlands in den Westen wichtiger als die Wiedervereinigung Deutschlands sei. Wir [d. h. die Briten] sollten wissen, daß er in der ihm noch verbleibenden Zeit alle Energien darauf verwenden werde, dieses Ziel zu erreichen, und er hoffe, daß wir alles in unserer Macht Stehende tun würden, um ihn bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
3. In der Unterredung unterstrich der Botschafter nachdrücklich, daß der Kanzler Wert darauf lege, daß ich seine Meinung kennte. Aber es würde natürlich ganz katastrophale Folgen für seine politische Position haben, wenn seine Absichten, die er mir in solcher Offenheit dargestellt habe, jemals in Deutschland bekannt würden. I. Kirkpatrick
Einheit Deutschlands 1. Der deutsche Botschafter sagte mir gestern, daß er mir zu diesem Thema [Einheit Deutschlands] eine streng vertrauliche Mitteilung machen wollte. Ich würde mich daran erinnern, daß ich ihm bei meiner Rückkehr aus Genf erzählt hätte, daß wir [d. h. Großbritannien] in dieser Frage vielleicht flexibler als die Amerikaner sein sollten. Wir könnten zu einer Position kommen, in der wir erklärten, daß wir, unter der Voraussetzung einer Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage freier Wahlen und der Handlungsfreiheit für eine gesamtdeutsche Regierung in inneren und äußeren Angelegenheiten, jeden einigermaßen vernünftigen Sicherheitsvertrag mit den Russen unterzeichnen sollten.
2. Der Botschafter sagte mir, daß er diese Möglichkeit sehr vertraulich mit dem Kanzler erörtert habe. Dr. Adenauer wollte mich [Kirkpatrick] wissen lassen, daß er eine solche Haltung mißbillige. Der entscheidende Grund sei, daß Dr. Adenauer kein Vertrauen in das deutsche Volk habe. Er sei äußerst besorgt, daß sich eine künftige deutsche Regierung, wenn er von der politischen Bühne abgetreten sei, zu Lasten Deutschlands mit Rußland verständigen könnte. Folglich sei er der Meinung, daß die Integration Westdeutschlands in den Westen wichtiger als die Wiedervereinigung Deutschlands sei. Wir [d. h. die Briten] sollten wissen, daß er in der ihm noch verbleibenden Zeit alle Energien darauf verwenden werde, dieses Ziel zu erreichen, und er hoffe, daß wir alles in unserer Macht Stehende tun würden, um ihn bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
3. In der Unterredung unterstrich der Botschafter nachdrücklich, daß der Kanzler Wert darauf lege, daß ich seine Meinung kennte. Aber es würde natürlich ganz katastrophale Folgen für seine politische Position haben, wenn seine Absichten, die er mir in solcher Offenheit dargestellt habe, jemals in Deutschland bekannt würden. I. Kirkpatrick
Bearbeiter: hgd — URL dieses Dokuments: http://digitales-archiv-marburg.de/index.php?doc=5032
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