Schreiben des Landgrafen Philipp an den Kurfürsten Johann Friedrich und den Herzog Johann Ernst von Sachsen zu den Wiedertäufern, 19. August 1545
Vnser freuntlich dienst vnd, was wir liebs vnd guts vermugen, altzeit zuuor. Hochgeborne fursten, freuntliche, lieben vettern, Bruder, Sohn vnd geuatter, E. L. schreyhen, Datums weissende den 24 ten des monats Julii, Belangend die wiedertauffer, so sich zu Mülhaussen enthalten sollen, haben wir verlesen, von E. L. freundtlich vermerckt, vnd wiewol wir derselbigen secten, Opinion oder glaubens gantz nicht sein, so konnen wir doch nit vmbgehen, E. L., wie wir es mit diesen Leuthen jn vnsern Landen gehalten haben vnd noch halten, vnd was vnser bedencken deßhalben sey, zuerofnen.
Befinden anfenglichs, das diese leuth nit alle einer opinion sein, Sonder das einer diß, der ander jhenis Glaubt vnd das jrer ensteils mit gotlichem wort zu. berichten vnd wieder zu der Christlichen Gemein zupringen sein; wann man aber gegen jnen mit der Scherpf vortfaren wolt, So seind sie so steiff, das sie sich hinrichten liessen, dardurch diesem jrthumb wenig abgeholffen, Dann so jn Gottlicher geschrieft vnberichte Leuth, solche bestendigkait sehen, so fallen sie alspalt jn diese gedancken vnd Opinion, als ob die hingerichte gar rechtschaffene Christliche leuth sein mußen, dieweil sie so bestendiglich jn den dot gegangen, vnd gibt also ein hingerichte person, welche bestendig bleibt, wol zwantzig andern personen vrsach vnd nachdencken, seiner Opinion beytzufallen.
Derwegen haben wir bissanher jn vnsern landen den geprauch gehabt, So halt wir dieser leuth jnnen worden, haben wir sie jn verwarung nehmen vnd mit Gotlicher geschrieft zum vleyssigsten berichtenlassen. Einsteils haben solchen bericht halt angenomen vnd von jrem jrthumb abgestanden, Einsteils aber haben lang gesessen vnd doch letzlich vf die vielfaltige bericht, so jnen bescheen, jren jrthumb auch erkennet; was aber sich nicht hadt berichten lassen, Sondern fur vnd fur sein opinion beharret, die seind vnsers Landts verwiesen. Wir haben auch wol etzliche, die sich nit haben wollen berichten lassen vnd andere Leuth anstecken mochten, jn gefengnus behalten, Darin sie noch sein; also haben wir viel leuth vnd den mehrerteil durch Gotliche verleyung vnderichtet vnd wiederumb vf die Recht ban pracht vnd zweyueln bey vns gar nicht, wo wir betten vnderstanden, es mit dem schwerdt außzureuten, Es hedt sich darmit nicht lassen dempfen, Sondern wer ye lenger ye weither eingerissen.
Das nhun wir gegen einem menschen, so jm glauben jrret, nicht so scharpff sein vnd jm das leben Nhemen, dunckt vns jn vnserm gewissen, solchs woll sich der Gotlichen geschrieft nach einem Christen nicht wol anders ziemen oder geburen.
Dann Matthei am 13. findet man, was Christus seinen jungern vor ein Gleichnus furgehalten. Da die diener zum Haußvatter sprachen, Ob er wolt, daß sie hingiengen vnd das vnkraut ausgetten, Darauf der Haußvatter geantwortet: Nein, vf das sie nicht zugleich den weitzen mit dem vnkraut außreifften, Sonder der Haußvatter wolt, man solt es wachsen lassen, Biß zu der zeyt der Ehrnden, als dann wolt er zu den dienern sagen, Sie sollten das vnkrauth zusamen binden vnd verbrennen etc. (Mt 13, 24-30.)
Weiter wirdet gelesen, als Luce am 9. die junger Christi jn der margkt der Samariter [einen] kamen, Christo herberg zuhestellen vnd sie jnen nicht annehmen wolten, Derwegen Jacob vnd Johannes sprachen : Her, wiltu, das wir sagen, das feuer vom himel fal vnd vertzere sie, wie Elias thet etc.?, Das darauf Jesus sie betrawet vnd sprach: wist jr nicht, welches geystes kinder jr seyt? Des Menschen Sohn ist nicht komen, der menschen seien zuuerderben, sonder zuerhalten etc.» (Lk 9, 52-56.)
Vnd wirdet ferner ein schon ertzelung der schwachgleubigen halben durch Paulum an die Rhömer am 14. Capittel gethan, meldende: Den schwachen jnn glauben nehmet auff, vnd verwirrit die Gewissen nicht. Einer gleubt, er muge allerley Essen; wilcher jsset, der verachte den andern nicht; wilcher nicht jsset, der richte den nicht, der da jsset, dann Got hadt jn aufgenohmen, er stehet oder feilet seinem hern. Er kann aber wol vfgericht werden. Einer helt einen Dag vor dem andern, der ander aber helt alle tage gleich. Ein jder aber sey seins synns gewiß (Röm. 14, 1-5.). Item volget weyter: Es wirdt ein jdlicher vor sich selbst Rechenschaft geben. Darumb lasset vns nicht mehr einer den andern richten; sondern das richtet viel mehr, das niemant seinem bruder ein ergernuß oder anstoß darstelle etc. (Röm 14, 12f.).
Diese spruch liegen vns dermassen jm wege, das wir jn vnsern Gewiessen nit wol fienden mogen, wie gegen einem menschen, so jm glauben etwas jrrig ist, so scharpf sott gefaren. werden, dann es mocht sich ein mensch vber nacht vnderrichten vnd weysen lassen vnd wieder von seinem jrthumb abtretten. Soll nhun derselbig so gestracks von vns zum dodt verurteilt werden, sorgen wir warlich, wir mochten seins bluts nicht vnschultdig sein.
Dann Bolte man alle die jhenigen hinrichten, so nicht vnsers glaubehs sein, wie wolt es dan den Papisten, desgleichen den Juden er-gehen, welche desfals ye so hoch vnd höcher dann die wiederteuffer jrren?
Darumb liessen wir vns nochmals geuallen, wo dieser leuth weren, das man sie jn verwarung zöge, durch geschickte leuth mit Gotlichem worth vnderrichten vnd, do sie weder durch die eintziehung oder Christliche vnderrichtung wiederumb zur Christlichen gemein jres jrthumhs abtretten wolten, Sie als dann gantz aus dem Landt verweysen liesse, bey vermeytung einer Leibstraf, wo sie sich weiter darin begehen, Oder das man die, wilche so gantz halsstarrig sein vnd ander Leuth anstecken mochten, jn gefengnus behielte vnd den Costen darauf wende, wilcher doch nit so hoch anlauffen möcht.
Welche aber aufstandt, entborung, vngehorssam der vnderthanen oder ander Malefitz hendel zu practiciren vnderstunden, Solchs wer ein ander meynung, vnd da wusten wir nicht zu vnbillichen, das man mit Scherpf der recht vnd kayserlicher Constitution gegen denselben procedir vnd volfure etc.
Wilchs wir also freuntlicher meynung zu eroffnung vnsers bedenckens E. L. hinwieder nicht wollten verhalten, doch nyt der meynung, E. L. hiemit jn jren Obrigkaiten, da sies allein zuthun haben, masse zu geben. Seindt damit E. L. freundllich vnd vetterlich zudienen altzeit geneigt. Datum Friedwald, den 19. Augusti Anno etc. xxxxv.
Philips von Gots gnaden Landgraue zu Hessen,
graue zu Catzenelnpogen etc.
Paul Wappler, Die Stellung Kursachsens und des Landgrafen Philipp von Hessen zur Täuferbewegung, Münster 1910, Dok. 89, S. 232-234
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.