In der Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 erlitt der Schmalkaldische Bund eine vernichtende Niederlage, und seine beiden Hauptleute, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen, gerieten in langjährige Gefangenschaft. Der Versuch des Kaisers, seinen großen Sieg zur Wiederherstellung der Kircheneinheit im Reich zu nutzen, bleib jedoch am Schluss erfolglos: Im Augsburger "Interim" von 1548, das von gemäßigten evangelischen und katholischen Theologen ausgearbeit war und in Teilen an die Religionsgespräche in Worms und Regensburg (1540/41) anknüpfte, strebte Karl V. eine Zwischenregelung in der Religionsfrage an, die bis zur Beendigung des Trienter Konzils (1545-63) gelten sollte: Den Protestanten wurde der Laienkelch und die Priesterehe zugestanden, ansonsten aber der tradierte katholische Ritus (Beibehaltung der Messe, Heiligenverehrung und Sakramentslehre) verpflichtend gemacht. Das Interim wurde sowohl von katholischer als auch protestantischer Seite abgelehnt und blieb ohne nachhaltige praktische Auswirkung, bevor es 1555 im Augsburger Religionsfrieden endgültig außer Kraft gesetzt wurde.
Das Augsburger Interim 1548: Der Römischen Kaiserlichen Majestät Erklärung, wie es der Religion halber im Heiligen Reich bis zu Austrag des gemeinen Concilii gehalten werden soll, Augsburg, 15. Mai 1548 [Auszüge]
(IV) Von der Rechtfertigung
Wer nun durch das teure Blut Christi erlöst ist und das Verdienst des Leidens Christi zugeteilt bekommen und erhalten hat, der wird alsbald gerechtfertigt. Das bedeutet: Er findet Vergebung seiner Sünden, wird von der Schuld der ewigen Verdammnis befreit und durch den Heiligen Geist erneuert, und so wird aus einem Ungerechten ein Gerechter. Denn wenn Gott rechtfertigt, handelt er mit dem Menschen nicht allein nach menschlicher Weise, dass er ihm nur verzeihe und ihm die Sünde erlasse und ihn von der Schuld befreit, sondern er macht ihn auch besser, was doch kein Mensch zu geben pflegt oder geben kann. Denn er teilt ihm seinen Heiligen Geist mit, der sein Herz reinigt und treibt ihn durch die Liebe Gottes, die in sein Herz ausgegossen wird, an, dass er das, was gut und recht ist, begehrt und was er begehrt auch im Werk vollbringt.[...]
Weil nun ein Mensch, solange er hier auf Erden lebt, die Vollkommenheit dieser eingegebenen Gerechtigkeit nicht erlangen kann, so kommt uns Christus auch an dieser Stelle spürbar und gnädig zu Hilfe, da er »uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung« (1 Kor 1,30): Das geschieht nämlich so, dass er, gerade wie er durch die Mitteilung seiner Gerechtigkeit die Gerechtigkeit des Menschen, die diesem nun geschenkt und in ihm ist, die auch ihren Anteil von ihm nimmt, gewirkt hat, so auch diese Gerechtigkeit mehrt, so dass sie sich von Tag zu Tag erneuert, bis sie in dem ewigen Vaterland ganz vollkommen werde. Und durch das Verdienst seines teuren Blutes und seiner Gerechtigkeit, die ganz vollkommen besteht, erwirbt er dem Menschen Vergebung, so dass der Mensch alles, was er wegen seiner Schwäche zu wenig kann, durch Christi Vollkommenheit erlangt und geschenkt bekommt. [...]
(XXVI) Von den Zeremonien und Gebräuchen
Die alten Zeremonien, die bei dem Sakrament der Taufe gebraucht werden, sollen alle bleiben, nämlich: Exorzismus, das heißt: Absage (an den Teufel), Glaubensbekenntnis, das Chrisma, das heißt das Öl, und anderes. Denn sie dienen dazu, die Kraft dieses Sakramentes anzuzeigen und zu bezeichnen.
Ferner soll man in den alten Zeremonien, die die allgemeine Kirche bei der Messe gebraucht, nichts ändern, denn sie sind alle für das, was man in der Messe tut, ganz geeignet...
Für den Kanon, an dem man nichts andern soll, soll es auch eine klare Auslegung geben, damit die Priester erstens den Gebrauch ihres Amtes besser verstehen, und was sie verstehen, dem Volk mitteilen können.
Die Zeremonien der anderen Sakramente sollen gebraucht werden gemäß den alten Agenden. Doch wo sich in diese etwas eingeschlichen haben sollte, das Ursache für Aberglauben geben könnte, soll dies nach zeitgemäßem Rat gebessert werden. Die Altäre, Priesterkleider, die Kirchengeräte, Fahnen, desgleichen Kreuz, Kerzen, Bilder und Gemälde soll man in der Kirche halten, doch so, dass sie allein dem Gedächtnis dienen und diesen Dingen keine göttliche Ehrung entgegengebracht wird. So soll auch zu den Bildern und heiligen Gemälden kein abergläubischer Zulauf geschehen...
Man soll auch die Feste, die von der Kirche angenommen sind, behalten — wenn nicht alle, so doch die herausragendsten, nämlich: die Sonntage, den Geburtstag des Herrn, die Beschneidung des Herrn, den Heiligen Dreikönigstag, den Palmsonntag, Ostern mit zwei aufeinander folgenden Tagen, Christi Himmelfahrt, Pfingsten mit zwei aufeinander folgenden Tagen, das Fest Trinitatis, das Fest des Fronleichnams Christi, die Feiertage der Heiligen Jungfrau Maria, die Tage der heiligen Apostel, Sankt Johannes der Täufer, Sankt Maria Magdalena, Sankt Stefan, Sankt Laurentius, Sankt Martin, Sankt Michael und Allerheiligen...
Nun soll man es mit dem Apostel so halten, dass für die Dinge, die des Herrn sind, der sorgt, der ohne Frau ist (1 Kor 7,32). Darum wäre es zu wünschen, dass viele unter den Klerikern gefunden würden, die so, wie sie ohne Frau sind, auch tatsächlich keusch lebten. Da es jetzt aber viele gibt, die die Kirchenämter im Stand der Geistlichen verwalten und an vielen Orten Frauen genommen haben, die sie nicht gehen lassen wollen, so soll hierüber die Entscheidung und Erörterung des allgemeinen Konzils abgewartet werden, da doch die Veränderung dessen, wie jetzt die Zeitläufte sind, derzeit nicht ohne schwere Zerrüttung geschehen kann. Doch kann man, wenn auch der Ehestand an sich selbst nach der Schrift ehrbar ist (Hebr 13,4), nicht leugnen, dass der, der keine Ehefrau nimmt und tatsächlich Keuschheit übt, eben nach der Schrift besser handelt (Mt 19,10ff.; 1 Kor 7,1.8.26).
Eben diese Auffassung gilt auch für den Gebrauch der Eucharistie unter beiderlei Gestalt, wie sie nun viele gebrauchen und daran gewöhnt sind; das kann derzeit ohne schwere Unruhe (bewegung) nicht beseitigt werden. Und das allgemeine Konzil, dem sich alle Stände des heiligen Reiches unterworfen haben, wird dann ohne Zweifel gottselige und eifrige Mühe darauf verwenden, dass in diesem Fall dem Gewissen vieler Menschen und dem Frieden der Kirche nach Notwendigkeit Genüge getan wird; folglich sollen diejenigen, die den Gebrauch unter beider Gestalt bislang angenommen haben, in dieser Sache gleichfalls die Erörterung und Entscheidung des allgemeinen Konzils erwarten. Doch sollen die, die den Gebrauch unter beiderlei Gestalt haben, die Gewohnheit, unter einer Gestalt zu kommunizieren, die mittlerweile alt ist, nicht tadeln, auch keiner den anderen in dieser Sache angreifen, bis hierüber ein Beschluss von einem allgemeinen Konzil vorliegt.
Quelle: Das Augsburger Interim von 1548, hg. v. J. Mehlhausen, Neukirchen-Vluyn 2 1996, 42-46.134-138
Auszüge aus: Volker Leppin, Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. III Reformation, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 2012, S. 200-202
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