Schriftwechsel Landgraf Philipp von Hessen mit Luther zur Frage des Widerstandsrechts gegen den Kaiser, 21. - 28. Oktober 1530.
Landgraf Philipp von Hessen an Luther, 21. Oktober 1530
Luther, Werke (Weimarer Ausgabe), Briefwechsel Bd. V, S. 653ff.
Landgraf Philipp hatte aus Besorgnis vor einem gewaltsamen Vorgehen des Kaisers gegen die Protestanten den Augsburger Reichstag trotz kaiserlichen Verbotes heimlich verlassen und nahm nun verstärkt seine Bemühungen um ein bewaffnetes Bündnis der evangelischen Fürsten und Städte wieder auf. Um Luther, dessen Haltung ihm als das stärkste Hindernis erschien, zu gewinnen, schrieb er ihm den nachstehenden Brief. Er beruht auf einer eigenhändigen Aufzeichnung des Landgrafen im Marburger Archiv und ist von ihm eigenhändig konzipiert. Wir haben es hier mit einem der frühesten Zeugnisse für die Lehre vom Reich als einem auf Herrschaftsvertrag beruhenden Gemeinwesen zu tun.
Lieber Doctor Martinus! Mein Begehr ist nach wie vor, wollt ein Vermahnung an alle Gläubigen tun dies Reichstags halben, und ob [falls] Ihr nit gnugsamen Bericht hättet, so schreibt mir, so will ich Euch alle ergangene Handlung zuschicken. Es tut not, die Schwachgläubigen zu trosten und vermahnen.
Ich kann Euch nach, als zu dem ich ein sonderlich gute Meinung habe, unangezeigt nit lassen, daß wohl etlich seind, die vermeinen, so der Kaiser mit seinem Anhang uns, die Oberkeit haben, strafen wollt des Evangeliums halben, und so Sein Maj. des Teufels Lehre wullt wieder ufrichten, sollten wir's gestatten und hätten mit nicht dargegen Macht zu wehren .. .
Ist nu hieruf mein Begehr, wollt mir Euer Meinung in diesem Fall anzeigen. Ich kann aber nit unterlassen, Euch, als den, der viel geschafft hat, etlicher Ursachen dieses Falls zu erinnern, uf daß Ihr ihm dester stattlicher nachdenken mogt.
Zum ersten, ist der Fall im Neuen Testament nit beschrieben, auch bei der Apostel Zeit, nach meinem Wissen, nit vorhanden gewest, als nämlich, daß ein Oberkeit, die ein Land erblich innhab, den Glauben angenommen und nachmals von einer großern Oberkeit verfolgt.
Zum andern, ist's mit den deutschen Fursten viel ein ander Ding, dann mit den vorzeiten, die schlecht Landpfleger gewest sein und nit Erbherrn. Die wälschen Fursten haben auch soliche Freiheit nit, darzu auch das Herkommen dermaßen nit herbracht, wie wir Deutschen. Und daß solchs wahr sei, so hat nie kein Kaiser Macht gehabt, einigen Untertan eins
') die Reichsstände sind.
Fursten mit Gewalt zu fahen noch hinweg zu nehmen, so anders der Untertan solchs Fursten Recht hat leiden mogen, und ob er schon gegen Kais. Maj. eigen Person, Land und Leut getan hätt. Dweil nu das mit vielen Exempeln zu beweisen, ist auch je in meinem Ansehen billig, so unsere Prediger Recht mogen leiden, daß wir sie bei Recht Schutzen und handhaben.
Es ist nach weiter offenbar wahr, daß kein Kaiser je in deutschen Landen Macht gehabt hat, einigem Fursten mit Gewalt 1 Gulden abzufordern, und ob er sie schon gefordert hätt, wär es in der Gestalt nit geben worden. So aber ein Kaiser etwas mit Bewilligung gemeiner Stände erlangt, das ist man ihme schuldig zu geben gewest.
Zum dritten ist wahr, daß der Kaiser uns so wohl gelobt und geschworen ist, als wir ihme, und wir seind ihme nit allein geschworen, sondern ihm und dem Reich zugleich. So nu der Kaiser uns nit hält, so hat er sich selbst zu einer gemeiner Person gemacht und kann nit mehr vor ein rechten Kaiser angesehen werden, sondern vor ein Friedbrecher, zuvoran dweil er kein Erbkaiser, sondern ein gewählter Kaiser ist.
Zum vierten, hat der Kaiser uf allen Reichstagen gesagt und us Hispanien geschrieben, er erkenn sich vor kein Richter in diesen zweispältigen Sachen, sonder es gebühr eim Concilio, solch Sach zu ortern und zu vergleichen. Dweil er, der Kaiser, nu selbst solchs bekennt und einmal solchs Richterampt (so er's schon Fug gehabt hätt, als er doch nit hat, sonder allein uber Leib und Gut zu richten, doch auch mit einer Maß) von sich geworfen, wie kann ihm dann nunmals solchs zugelassen werden? zuvoran dweil er so parteisch handelt, daß er Kläger, Richter und Antworter ist, und will wederumb unser Antwort weder sehen, hören noch annehmen, wilchs doch nach heidenischen Rechten zu viel ist.
Ich will diesmal nit anzeigen, wie die Wahl mit diesem Kaiser und zukunftigen Konig zugangen ist und wirdet.
Zum funften, ob gesagt wollt werden: der Kaiser hätt's wohl nit Macht, dweil aber der Kaiser und die Ständ einmütiglich mit ihm eins solchen vergleichen, so hätten wir uns dester weniger Macht zu wehren; da sag ich das zu: Es ist zum ersten nit wahr, daß alle Stände sich des mit ihm, dem Kaiser, vergleichen haben ... [Es folgt Aufzählung der Stände, die in Augsburg gegen den Reichsabschied gestimmt haben.]
Es hat auch Gott die Seinen im Alten Testament nihe verlassen und nihe lassen ein Land untergehen, das uf ihn getrauet hat.
Desgleichen hat er den Behemen [den Hussiten] auch geholfen, und wir mussen dennach alle bekennen, daß die Behemen unter dem Kaiser sein, und ein Konig von Beheim der vornehmbsten Kurfursten einer. Nach haben sie sich geweigert gegen Kaiser und Reich, und Gott hat ihn Sieg und Uberwindung geben. So hoff ich auch zu Gott, so wir nur unverzagt uf ihn trauen.
Es hat auch wohl Gott mehren geholfen jegen Kaisern und andern, die mit Gewalt ahn Recht mit ihren Untertan haben gehandelt. Exempeln: man sehe an, wie ein kleiner Hauf Schweizer die Herrn von O
sterreich und etlich Kaiser geschlagen haben; wiewohl dis Exempel in diese Sach nit hort .. .
Luther an Landgraf Philipp von Hessen, 28. Oktober 1530.
Luther, Werke (Weimarer Ausgabe), Briefwechsel Bd. V, S. 660f.
Dem durchleuchtigen hochgebornen fursten und herrn, Herrn Philipps Landgrauen zu Hessen, Grauen zu CatzenElbogen, Zigenhain, Dietz und Nida, meinem gnedigen herrn.
Gnad und friede ynn Christo! Durchleuchtigster, hochgeborner furst, gnediger herr! Ich hab E. f. g. schrifft vnd ettliche unterricht ynn furligenden sachen empffangen. Vnd Erstlich, das E. f. g. begert, ein buchlin zu trost der schwachen auszulassen, wil ich E. f. g. nit bergen, das ich an das gefasset bin [im Begriff stehe], ein büchlin ynn kurtz auszulassen, Darinn ich den abschied vnd vngeschicktes furnemen der fursten rüren wil, mit vermanung eins yders gewissen, das kein vnterthan schuldig sey, Wo k. Mt. wurde drauff beharren, gehorsam zu leisten, Sondern wil (so viel meine fedder vermag) von solchem gehorsam abschrecken, das sich niemand soll begeben ynn solche lesterliche, mordische vnd teuffelisch anschlege.l) Gott gebe, das ich viel frucht damit schaffe, Amen. Dennoch sol es verwaret [vorsichtig abgefaßt] sein, das mans nicht muge auffrurisch schelten.
Zum andern Bin ich hoffend, das Gott ein mittel werde treffen, das vmb dieser sachen willen kein blut vorgiessen sol geschehen. So hab ich auch (wo es yhe dazu komen wolt, da Gott fur sey) meinem gnedigsten herrn, dem kurfursten, meine meynung angezeigt, was man thun muge mit der gegenwere, Welche on zweiuel E. f. g. vnuerborgen sein wird, weil ich doch sehe vnd mercke, das man einen gemeinen ratschlag dauon halten wird, Vnd mir ferlich, als einer geistlichen person, solchs schrifftlich darthun, aus vielen vrsachen.
Vnd bitte, E. f. g. wolte sich nicht befrembden, das wir ynn ettlichen Stucken vns nachmals [nochmals] erbieten, als mit fasten, feyren, Speisen und gesenge anzunehmen.2) Denn wir wissen doch, das sie es mit solcher masse nicht annemen konnen, Vnd dienet vns dazu, das wir vnsern glimpff deste hoher heben vnd ich ynn meinem buchlin deste gewaltiger treiben muge. So ists vns auch on fahr, wo es schon wurde der massen angenomen. Hie mit Gott befolhen, Amen. Aus Torgaw Am tage Simonis & Jude 1530.
E. f. g. williger Martinus Luther
zit. nach: Geschichte in Quellen Bd. III, bearb. von Fritz Dickmann, München 1966, S. 172-74
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.