Protestation der evangelischen Stände auf dem Reichstag zu Speyer, 20. April 1529.
Reichstagsakten, Bd. 7/II., S. 1276 f., 1286 f.
Da die Mehrheit der Stände sich trotz lebhafter Gegenvorstellungen der Evangelischen zu keiner wesentlichen Änderung ihres Bedenkens verstehen wollte und die Aufnahme eines Protestes der Minderheit in den Reichsabschied verweigerte, gaben Kurfürst Johann von Sachsen, Markgraf Georg von Brandenburg-Kulmbach, Landgraf Philipp von Hessen, Fürst Wolf von Anhalt und die Herzöge Ernst und Franz von Braunschweig-Lüneburg noch vor Festsetzung des Abschiedes ihre berühmte „Protestation” ab, von der sie den Namen der „Protestanten” erhielten. König Ferdinand verweigerte die Annahme, die Evangelischen ihrerseits erklärten den Reichsabschied für ungültig. Die Protestation legt die Gründe dafür dar:
... So haben wir in betrachtung solchs voraufgerichten verpflichten, verbrieften und besigelten abschieds [von Speyer], auch aus hernachfolgenden gegrundten ursachen .. . in aufhebung des vorgesatzten ainmutiglich bewilligten und zu halten verpflichten artikels ... nit willigen konnen noch mogen.
Nemlich zum ersten aus der gegrundten ursach, das wir unzweifenlich dafur halten, ksl. m. als ein loblicher gerechter und christlicher kaiser, unser allergnedigster herr, auch e. kgl. d., ... desgleichen auch der merer tail aus eurn der andern liebden, seien nichtz weniger dann wir des ... erbarn aufrichtigen, bestendigen gemuts und willens, was die alle (als obgemelt) ain mal und mit uns ainmutiglich bewilligt, verpflichtet, verbrieft und besigelt haben, also laut des buchstabens stet, fest und unverprochenlich zu halten, zu vollziehen und darin gar nichtz zu grubeln, noch mit ichte [irgend etwas] dawider zu sein noch ze tun .. .
Zum andern westen wir auch solchs, wie vor und hernach gemelt wirdet, mit gutem gewissen gegen gott dem allmechtigen als dem ainigen herrn, regirer und enthalter unsers h. chr. seligmachenden glaubens, noch auch gegen ksl. m. als einem chr. kaiser in keinen wege zu verantworten .. .
So sind doch dises solch sachen, wie e. kgl. d., 1. und ir die andern wissend, die gottes ere und unser jedes seien haile und seligkeit angeen und betreffen, darin wir aus gottes befelch unser gewissen halben denselben unsern herrn und gott als hochsten konig und herrn aller hern in der tauf und sunst durch sein h. gotlichs wort vor allem anzusehen verpflicht und schuldig seien, der unzweifenlichen zuversicht, e. kgl. d., 1. und ir die andern werden uns (als wir auch hievor freuntlich gebetten haben) darin freuntlich, gnediglich und gutwilliglich entschuldigt halten, das wir mit e. kgl. d., 1. und euch den andern obberurter artikel halben in dem nit ainig sein, noch in solchem dem merern [der Mehrheit], wie etlich mal uf disem reichstag hat furgewandt werden, gehorchen wollen, in bedacht in angesehen, das wir solchs vermog des vorigen speierischen reichsabschied, der sonderlich in dem angezogen artikel lauter dartut, das solcher artikel durch ain ainmutige verainigung (und nit allein den merer tail) also beschlossen worden, darumb auch ein solcher ainmutiger beschlus von erberkeit, billicheit und rechts wegen anders nit dann widerumb durch ein ainhellig bewilligung geendert werden soll, kan oder mag, zusambt dem, das auch an das in den sachen gottes ere und unser seien haile und seligkeit belangend ain jeglicher fur sich selbs vor gott steen und rechenschaft geben mus, also das sich des orts keiner auf ander minders oder merers [auf einer Minderheit oder Mehrheit] machen oder beschließen entschuldigen kan, und aus andern redlichen gegrundten guten ursachen zu tun nit schuldig sein .. .
... Und wo aber je dises dritt1) anzaigen unser merklichen beschwerden bei e. kgl. d., 1. und euch den andern kein stat finden noch haben wolt, so protestirn und bezeugen wir hiemit offenlich vor gott, unserm ainigen erschaffer, enthaltern, erlosern und seligmachern (der wie vorgemelt allein unser aller herzen erforscht und erkennt, auch dem-nach recht richten wurde), auch fur alle menschen und creaturen, das wir fur uns, die unsern und aller meniglichs halben in alle handlung und vermeint abschied, so ... wider gott, sein h. wort, unser aller seien hail und gut gewissen, auch wider den vorigen an-gezogen speierischen reichsabschied furgenommen, beschlossen und gemacht werden, nit gehellen [zustimmen] noch willigen, sonder aus vorgesatzten und andern redlichen, gegrundten ursachen fur nichtig und unpundig halten, das wir auch dawider unser notturft [das Erforderliche] offenlich ausgeen lassen und der ro. ksl. m., unserm allergnedigsten herrn in disem handel weiter grundlichen und wahrhaftigen bericht tun .. . [und] das wir uns nichtzdestweniger mitler weil gemelts gemainen und freien christlichen concilion oder nacionalversamlung vermittelst gottlicher hilf vermöge und inhalts des vilberurten vorigen speierischen reichsabschieds in unsern obrigkeiten, auch bei und mit unsern undertanen und verwandten also halten, leben und regirn, wie wir das gegen dem allmechtigen gott und ro. ksl. m., unserm allergnedigsten hern, als ainem christlichen kaiser hoffen und getrauen zu verantworten .. .
1) Vorhergegangen war am 12. April eine schriftliche Darlegung ihrer Gründe und am 19. April eine erste Protestation
zit. nach: Geschichte in Quellen Bd. III, bearb. von Fritz Dickmann, München 1966, S. 160-61
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