Eigenhändige Erklärung Kaiser Karls V. gegen Luther auf dem Wormser Reichstag, 19. April 1521
Nachdem Luther sich vor dem Wormser Reichstag am 17. und 18. April 1521 zu seinen Schriften bekannt und jeden Widerruf verweigert hatte, rief Kaiser Karl V. die Kurfürsten und einige Fürsten zu sich und fragte nach ihrer Meinung. Sie erbaten Bedenkzeit, worauf der Kaiser sagte: Gut, ich will euch aber zuerst meine Meinung zu erkennen geben. Darauf ließ er nachstehende Erklärung erst französisch, dann deutsch verlesen:
Ihr wißt, daß ich von den allerchristlichsten Kaisern der edlen deutschen Nation, den katholischen Königen von Spanien, den Erzherzögen von Osterreich und den Herzögen von Burgund abstamme, die alle bis zu ihrem Tode treue Söhne der katholischen Kirche gewesen sind ..., ihren Glauben verteidigend und ausbreitend zur Ehre Gottes, für das Heil ihrer Seelen ... Sie haben die heilige katholische Religion hinterlassen, damit ich in ihr lebe und sterbe ... Deshalb bin ich entschlossen alles zu halten, was meine Vorgänger und ich bis zum gegenwärtigen Augenblick gehalten haben, insbesondere was sie auf dem Konzil zu Konstanz[1] und anderen [Konzilien] angeordnet haben. Denn es ist sicher, daß ein einzelner Bruder in seiner Meinung irrt, wenn diese gegen die der ganzen Christenheit, wie sie seit mehr als tausend Jahren und heute gelehrt wird, steht, denn sonst hätte ja die ganze Christenheit heute und immer geirrt. Deshalb bin ich fest entschlossen, an diese Sache meine Reiche und Herrschaften, meine Freunde, meinen Leib, mein Blut, mein Leben und meine Seele zu setzen. Denn es wäre eine große Schande für mich und für euch, die ihr die edle und berühmte deutsche Nation darstellt, für uns, die wir durch besondere und einzigartige Auszeichnung zu Verteidigern und Schützern des katholischen Glaubens berufen sind, wenn zu unseren Zeiten und durch unsere Pflichtvergessenheit die Häresie, ja auch nur der Verdacht der Häresie oder einer Minderung der christlichen Religion zu unserer und unserer Nachkommen ewiger Unehre zurückbliebe. Nachdem ich die hartnäckige Antwort vernommen habe, die Luther gestern in unser aller Anwesenheit gegeben hat, erkläre ich euch: Es reut mich, daß ich es solange aufgeschoben habe, gegen diesen Luther und seine falsche Lehre vorzugehen. Ich bin entschlossen, ihn nicht weiter anzuhören, sondern ich will, daß er unverzüglich gemäß dem Mandat nach Hause geschickt werde. Das freie Geleit soll ihm, wie zugesagt, gehalten werden, aber er soll nicht predigen noch dem Volk seine böse Lehre vortragen, und jede Unruhe soll vermieden werden. Ich bin, wie schon gesagt, entschlossen, mich gegen ihn wie gegen einen notorischen Häretiker zu verhalten, und ersuche euch, daß ihr euch in dieser Sache so erklärt, wie es guten Christen ziemt und wie es eure Pflicht und euer mir gegebenes Versprechen verlangen.
Reichstagsakten, Bd. 2, S. 594—596
zit. nach: Geschichte in Quellen, Bd. III, München 1966, S. 125-136
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