Confessio Tetrapolitana: Bekenntnis der vier Städte Straßburg, Costnitz, Memmingen und Lindau, worin sie Sr. Kaiserlichen Majestät auf dem Reichstage zu Augsburg ihren Glauben dargelegt, 9. Juli 1530
Eingang
Deine geheiligte Majestät, Großmächtigster und Gnädigster Kaiser, hat befohlen, daß die Stände des heiligen Reiches, so viel es jeden angehe, und so viel jeder zur Beruhigung der Kirche Christi beizutragen hoffe, ihre Meinung von der Religion, so wie von den Irrthümern und Fehlern, welche gegen ihre Lehre sich eingeschlichen haben, in beiden Sprachen, lateinisch und deutsch, schriftlich abfassen und Dir überreichen zur Untersuchung und Prüfung, um desto leichter Mittel und Wege zu finden, die reine Lehre Christi wieder herzustellen, und alle Irrthümer auszurotten.
Diesem Befehl, der nicht nur aus einer, die Religion betreffenden und auf das Wohl der Kirche gerichteten Absicht hervorgegangen ist, sondern auch jene unvergleichliche Gnade und Leutseligkeit athmet und beweiset, wodurch Deine geheiligte Majestät die Liebe der ganzen Welt gewonnen hat, gehorchen wir, wie es billig ist, mit Freuden. [...]
Cap. 1. Vom Inhalte der Predigten.
Als man vor etwa zehn Jahren anfing, die Lehre Christi durch Gottes besondere Wohlthat etwas zuverlässiger und klarer, als vorher, hin und wieder in Deutschland vorzutragen, [...] haben wir, in Erwägung dessen, was der heilige Paulus schreibt, daß die von Gott eingegebene Schrift nützlich sei zu lehren, damit die Sünde, wo sie vorhanden ist, entdeckt und gestraft, und Jeder zur Gerechtigkeit gebildet werde, daß ein Mensch Gottes vollkommen sei und zu jedem guten Werke geschickt, indem uns die Furcht vor Gott und die gewisse, unserm Gemeinwesen drohende Gefahr uns dazu antrieb und alles Zögern verbot, endlich denen, die bei uns das Predigtamt verwalteten, befohlen, nichts anderes auf der Kanzel zu lehren, als was in der heiligen Schrift entweder wirklich enthalten sei oder sich darauf gründe. [...]. Denn wenn es wahr ist, was der heilige Paulus bezeugt, daß ein Mensch Gottes durch die heilige Schrift vollkommen und zu jedem guten Werke geschickt werde, so kann dem, der die Schrift gewissenhaft zu Rathe zieht, nichts an der christlichen Wahrheit, nichts an der heilsamen Lehre fehlen.
Cap. 2. Von der hochheiligen Dreieinigkeit und dem Geheimniß des Mensch gewordenen Christus.
[...] Dahin gehört, was die Kirche Christi von der hochheiligen Dreieinigkeit bisher geglaubt hat, daß nämlich der Vater, der Sohn und der heilige Geist dem Wesen nach Ein Gott sei und daß nur ein Unterschied der Personen Statt finde, daß auch unser Heiland, Jesus Christus, wahrer Gott, auch wahrer Mensch geworden sei, ohne Vermischung der Naturen durch Vereinigung derselben in Einer Person, so, daß sie in alle Ewigkeit nicht wieder getrennt werden. Auch in dem ist nichts geändert, was die Kirche nach der Lehre der heiligen Evangelien von unsrem Heilande, Jesu Christo, glaubt, der vom heiligen Geiste empfangen, dann von der seligen Jungfrau Maria geboren, zuletzt, nachdem er die Predigt des Evangeliums vollendet, am Kreuz gestorben und begraben, zur Hölle hinabgestiegen, am dritten Tage von den Todten zum ewigen Leben erweckt, und nachdem er die dazu erwählten Zeugen durch mancherlei Beweise davon überzeugt hatte, in den Himmel zur Rechten des Vaters erhoben ist, von wo wir ihn erwarten als Richter der Lebenden und der Todten. [...]
Da wir hierin nicht abweichen von den Vätern, und dem gemeinschaftlichen Bekenntniß der Christen, so glauben wir, es werde hinreichen, daß wir von unserm Glauben auf diese Weise Zeugniß gegeben haben.
Cap. 3. Von der Rechtfertigung und dem Glauben.
Was aber von der Art und Weise, wie wir der durch Christum geschehenen Erlösung theilhaft werden, und von den Pflichten des Christen gelehrt zu werden pflegt, davon sind die Unsrigen einiger Maßen abgewichen. Was wir in dieser Hinsicht angenommen haben, wollen wir versuchen, Deiner geheiligten Majestät ganz einfältig auseinander zu setzen, und zugleich diejenigen Stellen der Schrift, welche uns dazu genötigt haben, treulich anzuzeigen.
Erstlich hat man seit einigen Jahren behauptet, daß zur Rechtfertigung des Menschen seine eignen Werke erforderlich seien; die Unsern aber haben gelehrt, sie sei ganz und gar der Gnade Gottes und dem Verdienste Christi zuzuschreiben, und werde allein durch den Glauben erlangt. [...] da Paulus so ausdrücklich schreibt: „Nicht aus uns, noch aus den Werken,“ so erhellt hinlänglich, daß unsre Werke nichts dazu beitragen können, daß wir aus Ungerechten, wie wir geboren worden, Gerechte werden, indem wir, da wir von Natur Kinder des Zorns, und daher Ungerechte sind, nichts Gerechtes und Gott Wohlgefälliges zu leisten vermögen, sondern der Anfang unsrer ganzen Gerechtigkeit und Seligkeit von dem barmherzigen Gotte ausgehen muß [...]
Cap. 4. Von den guten Werken, die aus dem Glauben durch die Liebe hervorgehen.
Dieß aber wollen wir nicht so verstanden wissen, als wenn wir die Seligkeit und Gerechtigkeit in müßigen Gedanken der Seele, oder in einem Glauben ohne Liebe, den man gestaltlos nennt, setzen, da wir überzeugt sind, daß Niemand gerecht oder selig werden könne, wenn er nicht Gott über Alles liebt und ihm eifrigst nachahmt. „Denn welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes,“ wie in der Herrlichkeit des ewigen Lebens, so auch im Schmucke der Unschuld und der vollkommenen Gerechtigkeit; denn „wir sind sein Werk, geschaffen zu guten Werken.“ [...]. Und diese Liebe ist des ganzen Gesetzes Erfüllung, wie Paulus spricht: Das ganze Gesetz wird in Einem Worte erfüllt, in dem nämlich: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Denn Alles, was das Gesetz Gottes lehrt, zielt dahin und fordert das eine, daß wir endlich zum vollkommenen Ebenbilde Gottes erneuert, in jeder Hinsicht gut und zum Nutzen der Menschen bereit und geschickt sind, was nicht anders möglich ist, als wenn uns jede Tugend schmückt. Denn wer kann zur wahren Erbauung der Kirche und zum wahren Besten Aller, das heißt, nach dem Gesetze Gottes und zur Ehre Gottes Alles beginnen und vollbringen, wie es einem Christen gebührt, wenn er nicht überall ordentlich und richtig denkt und spricht und handelt, so, daß das ganze Chor der Tugenden bei ihm wohnt?
Cap. 5. Wem die guten Werke zuzuschreiben und wie nothwendig sie sind.
Da aber die, welche Gottes Kinder sind, mehr vom Geiste Christi getrieben werden, als selbst handeln, und von ihm und durch ihn alle Dinge sind, so darf keinem anderen, als eben diesem Geiste, dem alleinigen Spender aller Tugenden, zugeschrieben werden, was wir Gutes und Rechtes thun. Er thut uns schlechterdings keinen Zwang an, sondern er führt uns mit unserm Willen, und wirket so in uns das Wollen und das Vollbringen. Daher schreibt der heilige Augustinus sinnreich, Gott belohne in uns seine eignen Werke. Hiermit verwerfen wir die guten Werke nicht, sondern behaupten nur, daß Niemand selig werden könne, wenn er nicht durch den Geist Christi dahin gelangt, daß ihm keines der guten Werke mangelt, wozu ihn Gott erschaffen hat. [...].
Cap. 6. Von den Pflichten eines Christen.
Jetzt kann es auch nicht mehr zweifelhaft sein, worin die Pflichten eines Christen bestehen, und welcher Handlungen er sich besonders befleißigen müsse; derjenigen nämlich, durch welche Jeder für sich seinen Mitmenschen dienen kann, zuerst zum ewigen Leben, daß auch sie anfangen, Gott zu erkennen, anzubeten und zu verehren, sodann auch für das gegenwärtige Leben, daß ihnen nichts von dem fehle, was des Leibes Nothdurft fordert. Denn wie das ganze Gesetz Gottes, welches alle Gerechtigkeit aufs vollkommenste gebietet, in dem Einen Worte zusammengefaßt wird: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst, so muß auch alle Gerechtigkeit in der Beweisung solcher Liebe zusammengefaßt und ausgeübt werden. Daher darf durchaus nichts zu den Pflichten eines Christen gerechnet werden, was nicht einen Beitrag zum Wohl des Nächsten liefert, und jedes Werk ist um so mehr eine Christenpflicht, je mehr es das Beste des Nächsten befördert. Deßhalb rechnen wir, nächst den kirchlichen Aemtern, unter die wichtigsten Pflichten eines Christen die Verwaltung des gemeinen Wesens, daß man denen, die es verwalten, gehorsam sei, weil sie dadurch das allgemeine Beste befördern, ferner die Sorge für Weib, Kinder und Familie, die Ehrfurcht gegen die Aeltern, weil ohne dieß das Leben der Menschen nicht bestehen kann, das Treiben freier Künste und guter Wissenschaften, ohne deren Pflege wir sehr großer, dem Menschengeschlecht eigenthümlicher Vorzüge verloren gehen müßten. Doch darf man in diesen und anderen Geschäften des menschlichen Lebens nichts aufs Gerathewohl vor die Hand nehmen, vielmehr soll man gewissenhaft darauf achten, wozu man von Gott berufen wird. Das wird denn eines Jeden Pflicht, und zwar die vornehmste sein, was den Wittwen den größten Vortheil bringt.
Cap. 7. Vom Beten und Fasten.
Beten aber und andächtiges Fasten halten wir nichts desto weniger für heilige Werke, welche einem Christen sehr wohl anstehen, zu denen unsre Prediger ihre Zuhörer aufs fleißigste ermahnen. Denn das rechte Fasten ist gleichsam eine Entsagung des gegenwärtigen, bösen Lüsten stets unterworfenen, und eine Betrachtung des künftigen Lebens, das von Leidenschaften frei ist. Das Gebet aber ist eine Erhebung des Gemüthes zu Gott, und ein solches Gespräch mit ihm, das mehr als sonst etwas mit himmlischen Empfindungen entflammt und die Seele nach dem Willen Gottes bildet. Obgleich aber dieß heilige und einem Christen nöthige Uebungen sind, so dient man durch sie nicht eigentlich dem Nächsten, sondern man wird dadurch in den Stand gesetzt, dem Nächsten mit Erfolg zu dienen, daher darf man sie der heilsamen Belehrung, gottseligen Ermahnungen und Erinnerungen oder anderen Pflichten vorziehen, aus denen dem Nächsten sogleich ein Vortheil erwächst. Daher lehren wir von dem Erlöser, daß er des Nachts gebetet, am Tage aber gelehrt und Kranke geheilt habe. Denn wie die Liebe größer ist als Glaube und Hoffnung, so glauben wir auch, müsse das, was sich zunächst auf dieselbe bezieht, was den Menschen sicheren Nutzen bringt, allen anderen Verrichtungen vorgezogen werden. Daher schreibt auch der heilige Chrysostomus, das Fasten habe in der Reihe der Tugenden den letzten Platz.
Cap. 8. Von den Fastengeboten.
Weil aber nur solche Seelen, welche voll Inbrunst und durch den Geist von oben angeregt sind, gehörig und mit Nutzen beten oder fasten können, so glauben wir, daß es besser sei, nach dem Beispiel der Apostel und der frühern, reineren Kirche durch fromme Ermahnungen dazu zu ermuntern, als es durch Gebote zu erzwingen, insbesondere durch solche, die Alles zur Sünde machen, wie man sichs in spätern Zeiten erlaubt hat, nachdem der Priesterstand nicht wenig ausgeartet war. So wollen wir auch den Ort, die Zeit, die Art und Weise zu beten und zu fasten, lieber dem heiligen Geiste, ohne den Niemand recht beten und fasten kann, zu bestimmen überlassen, als durch bestimmte Gesetze vorschreiben, besonders solche, die man nicht ungestraft übertreten könnte. [...]
Cap. 9. Von der Unterscheidung der Speisen.
Aus derselben Ursache ist auch jene für gewisse Tage vorgeschriebene Unterscheidung der Speisen nachgelassen, welche Paulus in einem Briefe an Timotheus eine Teufelslehre nennt.[...]. Denn was ist das für ein Fasten, oder was ist das für eine Enthaltsamkeit, wenn man nur die Art der Genüsse ändert, wie die zu thun pflegen, die jetzt für besonders fromm gelten, da der heilige Chrysostomus es nicht für ein Fasten erkennt, wenn man auch bis zum Abend ohne Speisen bleibt, wenn man mit der Enthaltsamkeit von Speisen nicht Vermeidung alles Schädlichen verbindet, und einen großen Theil der Zeit zur Beschäftigung mit geistlichen Dingen gebraucht.
Cap. 10. Daß im Beten und Fasten kein Verdienst zu suchen sei.
Ferner haben unsre Geistlichen über Fasten und Beten bessern Unterricht ertheilt, da man die Leute gewöhnlich lehrt, in diesen Handlungen Verdienst und Gerechtigkeit zu suchen. Denn so wie wir aus Gnade durch den Glauben selig werden, so werden wir auch gerecht. Und von den Werken des Gesetzes, zu denen auch das Gebet und das Fasten gerechnet wird, schreibt Paulus so: “ Christus ist euch überflüssig, die ihr durch das Gesetz gerecht werdet; ihr seid aus der Gnade gefallen; denn wir bewahren im Geist und Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit.“ Daher muß man beten, aber, um von Gott zu empfangen, nicht, um ihm etwas zu geben. Wir müssen fasten, damit wir desto aufgelegter seien zum Gebet, und das Fleisch beherrschen, nicht, um etwas bei Gott zu verdienen. Dieser alleinige Zweck und Nutzen des Gebetes und Fastens wird in der Bibel, so wie in den Schriften und durch das Beispiel der Kirchenväter empfohlen. In dieser Hinsicht steht unsre Sache so, daß, wenn wir auch mit noch so großer Andacht beten und fasten, und Alles, was uns Gott befohlen hat, vollbringen könnten, und nichts weiter von uns gefordert werden könnte, was kein Sterblicher bis dahin geleistet hat, wir uns dennoch für unnütze Knechte bekennen müßten. Wie sollten wir also von einem Verdienste träumen?
Cap. 11. Daß der einige Gott durch Christum angerufen werden müsse.
Dabei ist noch ein anderer Mißbrauch verworfen, daß man nämlich durch Gebet und Fasten auch das Wohlgefallen der Mutter Gottes, der Jungfrau Maria, und anderer Heiligen gewinnen will, um durch ihre Vermittelung und ihr Verdienst von Uebeln der Seele und des Leibes befreit und mit Gütern aller Art erfüllt zu werden. Denn unsre Prediger lehren, den alleinigen Vater im Himmel durch den alleinigen Mittler, Christum, anzurufen und um Alles zu bitten, da, wie er selbst bezeugt hat, er uns nichts versagen wird, um was wir ihn im Glauben und im Namen Christi bitten. Da also Paulus diesen einen Menschen, Jesum Christum, den Mittler zwischen Gott und den Menschen nennt, und Niemand uns mehr lieben, auch Niemand bei dem Vater mehr gelten kann, so pflegt man bei uns zu erinnern, daß man an diesem einen Mittler und Vertreter bei dem Vater genug habe.
Die Mutter Gottes aber, die heiligste Jungfrau Maria und alle Heiligen lehrt man zwar mit allem Fleiße zu ehren; das könne jedoch nur dann geschehen, wenn man sich dessen befleißige, was ihnen besonders am Herzen liegt, nämlich der Unschuld und Frömmigkeit, worin sie uns so herrliche Vorbilder gegeben haben. Denn da sie Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften lieben, so können wir nichts thun, das ihnen lieber wäre, als wenn wir, wie sie, Gott aufs inbrünstigste lieben und ihm nachahmen. Denn ihrem Verdienste schreiben sie ihre eigene Seligkeit nicht zu; viel weniger kommt es ihnen in den Sinn, uns dadurch zu helfen. Sie Alle sprachen, so lange sie hier lebten, mit Paulus: „Das Leben, das ich nun lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat; ich verachte nicht die Gnade Gottes.“ Wenn sie selbst nun Alles der Gnade Gottes und der Erlösung Jesu Christi zuschreiben, so können wir durch nichts ihr Wohlgefallen mehr erlangen, als wenn auch wir uns auf diese Hülfe verlassen.
Cap. 12. Vom Mönchswesen.
Aus derselben Ursache aber, weil unsre Rechtfertigung ganz auf dem Glauben an Jesum Christum beruht, wodurch uns Freiheit in allen äußerlichen Dingen gegeben ist, so haben wir auch bei uns die Fesseln des Mönchthums zu lösen gestattet. [...]
Nun steht fest, daß das Mönchthum nichts Anderes ist, als Knechtschaft unter menschlichen Satzungen, und durchaus eine solche, wie sie Paulus in den angeführten Stellen verdammt; denn die, welche in den Mönchsstand treten, widmen sich jenen menschlichen Anordnungen in der Hoffnung, sich dadurch Verdienste zu erwerben. Daher halten sie es für ein Verbrechen, sich von ihnen wieder zur Freiheit Christi zu wenden. Da aber unser Leib und unser Geist Gottes ist, und zwar aus zwiefachem Grunde, nach der Schöpfung und nach der Erlösung, so kann es den Christen nicht frei stehen, sich in den Dienst jener mönchischen Knechtschaft zu begeben, viel weniger, als leiblichen Knechten (Sclaven), ihre Herren zu ändern. Ueberdieß läßt sich nicht leugnen, daß durch solche Hingabe und solche Gelübde, nach den Geboten der Menschen zu leben, wie es immer zu geschehen pflegt, die Nothwendigkeit herbeigeführt werde, Gottes Gesetz zu übertreten. Das Gesetz Gottes verlangt, daß ein Christ der Obrigkeit, den Aeltern, den Verwandten und allen Anderen, die Gott mit ihm in Verbindung gebracht und ihm zugeführt hat, daß er ihnen Dienste leiste, nach Kräften diene, an welchem Ort oder zu welcher Zeit es auch sei, wenn ihr Bedürfniß es fordert. Ferner soll er eine solche Lebensweise erwählen, in welcher er das Wohl des Nächsten am besten befördern kann, und nicht den ehelosen Stand vorziehen, wenn es ihm nicht um des Himmelreichs willen, das heißt: zur Beförderung der Gottseligkeit und der Ehre Gottes, gegeben ist, sich selbst zu verschneiden und der Ehe zu entsagen. Denn es besteht jenes durch Paulus bekannt gemachte Gebot Gottes, welches menschliche Gelübde nicht aufheben können: Zur Vermeidung der Hurerei habe ein Jeder (Niemand wird ausgenommen) sein Weib und eine Jede ihren Mann. Denn nicht Alle fassen jenes Wort von der um des Himmelreichs willen zu wählenden Ehelosigkeit, wie Christus selbst bezeugt, der am besten wußte und am glaubwürdigsten lehrte, was die menschliche Natur vermag, und was dem Vater gefällt. [...]
Daher haben wir es Niemand wehren können, der das Mönchsleben, ohne Zweifel eine Dienstbarkeit des Satans, mit dem christlichen Leben vertauschen wollte; ebenso wenig Anderen aus dem geistlichen Stande, die Weiber genommen und eine Lebensart ergriffen haben, von der sich mehr Nutzen für den Nächsten und mehr Ehrbarkeit des Wandels, als von der früheren, erwarten läßt. Endlich haben wir auch denjenigen, die bei uns im Dienste des göttlichen Wortes geblieben sind, das Recht, sich zu verheirathen, obgleich sie Keuschheit angelobt haben, aus den angeführten Gründen gestattet, da der heilige Paulus, der ausgezeichnete Vertheidiger der wahren Keuschheit, einen verheiratheten Bischof gelten läßt. Denn mit Recht haben wir allen menschlichen Gesetzen dieß eine göttliche vorgezogen: Zur Vermeidung der Hurerei soll ein Jeder sein Weib haben u.s.w. Weil dieß Gesetz so lange verworfen war, so sind alle unerhörten Arten der Wollust (mit Züchten zu melden vor Deiner geheiligten Majestät, Großer Kaiser) auf die gräulichste Art in den geistlichen Stand eingedrungen, daß in diesem Betracht heut zu Tage keine Menschenclasse verabscheuungswerther ist.
Cap. 13. Von dem Amte, der Würde und der Macht der Kirchendiener.
Von dem Amte und der Würde des geistlichen Standes wird bei uns gelehrt, zuerst, daß die Kirche keine Macht habe, als zur Erbauung. Ferner, daß keiner dieses Standes für etwas Anderes zu halten sei, als wofür sich Paulus, Petrus und Apollos und ähnliche Personen wollten geachtet wissen, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse, von denen dieß insbesonder zu fordern sei, daß ein Jeder treu erfunden werde. Diese haben die Schlüssel des Himmelreiches, zu binden und zu lösen, die Macht, Sünde zu erlassen und zu behalten, jedoch so, daß sie nichts sind, als Diener Christi, denen dieses Recht allein zusteht. Denn wie er allein die Herzen erneuen kenn, so ist er es auch allein, der durch seine Kraft den Menschen den Himmel aufschließt und sie von Sünden losspricht. Beides wird uns nur dann zu Theil, wenn unser Herz erneuert wird, und unser Bürgerrecht im Himmel ist. [...]
Cap. 14. Von menschlichen Ueberlieferungen.
Was ferner die Ueberlieferungen der Väter und die heute von den Bischöfen und der Kirche bestätigten betrifft, so ist dieß die Meinung der Unsern.
Sie zählen zu menschlichen und zwar in der Schrift verworfenen Ueberlieferungen einzig und allein diejenigen, die mit dem Gesetz Gottes streiten, z.B. die von Speise und Trank, von der Zeit und von anderen äußeren Dingen, die das Gewissen binden, die den Ehestand denen verbieten, welche dasselbe zu einem tugendhaften Leben bedürfen u. dgl. m. Denn die mit der Schrift übereinstimmenden, die zur Beförderung guter Sitten und zum Nutzen der Menschen angeordnet sind, wenn sie auch nicht mit ausdrücklichen Worten in der Schrift enthalten sind, werden, weil sie aus dem Gebot der Liebe fließen, die Alles gebührend anordnet, mit Recht eher für göttlich, als für menschlich gehalten. Von der Art waren jene Vorschriften des Paulus, daß die Frauen nicht mit entblößtem, die Männer nicht mit bedecktem Haupte in der Gemeinde beten, daß die Communicanten auf einander warten, daß die in fremden Sprachen Redenden es in der Gemeine nicht thun ohne Ausleger, daß die Propheten ohne Verwirrung weissagen und die Zuhörer es beurtheilen sollen.
Dergleichen beobachtet die Kirche heutiges Tages viel mit Recht, und ordnet nach Gelegenheit Neues an. Wer das verwirft, der verachtet nicht der Menschen, sondern Gottes Ansehen; denn von ihm stammt jede nützliche Satzung her. Denn alles Wahre, was geredet oder geschrieben wird, das wird als Gebot dessen geredet und geschrieben, der die Wahrheit selbst ist, wie der fromme Ausspruch des heiligen Augustinus lautet. [...]
Cap. 15. Von der Kirche.
Nun müssen wir noch erklären, was wir von der Kirche und den Sacramenten denken. Die Kirche Christi also, die zuweilen auch Himmelreich genannt wird, ist die Gesellschaft derer, die sich als Christen bekennen und sich dem Glauben an ihn ganz und gar ergeben, denen aber bis an das Ende der Welt solche beigemischt sein werden, die den Glauben an Christum heucheln, aber nicht wirklich besitzen. Das hat der Herr sattsam gelehrt in dem Gleichnisse vom Unkraut, von dem Netze, das ins Meer geworfen wird, und faule Fische mit den guten heranzieht, von dem Könige, der zur Hochzeit seines Sohnes Jedermann einladen, nachher aber den, der kein hochzeitlich Kleid hatte, wieder hinauswerfen ließ; ferner, wenn die Kirche Christi Braut genannt wird, für die er sich selbst hingegeben, sie zu heiligen; ingleichen ein Haus Gottes, Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit, Berg Zion, Stadt des lebendigen Gottes, himmlisches Jerusalem, Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind. Dieses Lob kommt nur denen zu, die ernstlich an Christum glauben und daher wahrhaftig zu den Kindern Gottes gehören. Da unter diesen der Heiland wirklich regiert, so werden sie eigentlich seine Kirche und die Gemeinschaft, d.i. die Gesellschaft der Heiligen genannt, wie das Wort Kirche im apostolischen Glaubensbekenntnisse erklärt wird. Sie regiert der heilige Geist, von ihr ist Christus nie fern, sondern er heiligt sie, so, daß er sie sich selbst darstelle, als die keine Flecken noch Runzel hat; wer sie nicht hören will, der soll für einen Heiden und Zöllner gehalten werden. Da das, was sie eigentlich zur Kirche Christi macht, nämlich der Glaube an Christum, unsichtbar ist, ist sie selbst unsichtbar, kann aber aus ihren Früchten zur Genüge erkannt werden. Die vornehmsten dieser Früchte sind muthiges Bekenntniß der Wahrheit, aufrichtige Liebe gegen Jedermann, und muthige Verachtung aller Dinge um Christi willen. Dieß kann durchaus nicht fehlen, wo man das Evangelium und die Sakramente rein erhält. Da nun auch die Kirche das Reich Gottes ist, und Alles daher in derselben ordentlich zugehen muß, so hat sie verschiedene Aemter für ihre Diener; denn sie ist ein aus verschiedenen Gliedmaßen, deren jedes seine Geschäfte hat, zusammengesetzter Leib. [...].
Cap. 16. Von den Sacramenten.
Weil ferner die Kirche hienieden im Fleische ist, obgleich sie nicht nach dem Fleische wandelt, so hat es dem Herrn gefallen, sie auch durch das äußere Wort zu belehren, zu erinnern und zu ermahnen, und damit dieß desto bequemer geschehe, hat er auch gewollt, daß die Seinen eine äußere Gesellschaft unter sich halten sollten. Deßhalb hat er ihnen auch die heiligen Zeichen gegeben, die wir Sakramente nennen, unter denen die vorzüglichsten die Taufe und das Abendmahl sind. Diese, glauben wir, sind von den Alten Sacramente genannt worden, nicht bloß, weil sie sichtbare Zeichen der unsichtbaren Gnade sind, wie der heilige Augustinus sich ausdrückt, sondern auch, weil durch sie gleichsam ein Glaubensbekenntniß abgelegt wird.
Cap. 17. Von der Taufe.
Von der Taufe also bekennen wir, was die heilige Schrift an verschiedenen Stellen davon lehrt, daß wir durch dieselbe begraben werden in den Tod Christi, zu Einem Leibe verbunden, Christum anziehen, daß sie sei ein Bad der Wiedergeburt, die Sünde abwasche, und uns selig mache.
Dieß Alles verstehen wir aber so, wie der heilige Petrus es erklärt, indem er spricht: Mit diesem Vorbild stimmt die Taufe überein, und macht auch uns selig; sie ist nicht das Abthun des Unflathes vom Fleisch, sondern das Bekenntniß eines guten Gewissens vor Gott. Denn ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen, und wir werden aus Gnaden selig, nicht durch unsre Werke. Da aber die Taufe ein Sacrament des Bundes ist, den Gott mit den Seinigen schließt, indem er verheißt, er wolle ihr und ihrer Nachkommen Beschützer sein, und sie für sein Volk halten; da sie überdieß ein Zeichen der Erneuerung des Geistes ist, die durch Christum geschieht, so lehren wir, daß sie auch den Kindern mitzutheilen sei, aber so, wie sie ehemals unter Moses beschnitten wurden. Denn wir sind in Wahrheit Adams Kinder. Darum bezieht sich jene Verheißung eben sowohl auf uns, als auf die Alten: Ich werde dein und deines Samens Gott sein.
Cap. 18. Vom Abendmahl.
Von diesem hochwürdigen Sacrament des Leibes und Blutes Christi wird das, was die Evangelisten, Paulus und die heiligen Väter in ihren Schriften hinterlassen haben, bei uns mit aller Treue gelehrt, empfohlen und eingeprägt. Daher verkündigen die Unsren mit besonderem Eifer die Güte Christi gegen die Seinen, nach welcher er nicht weniger heute, als bei jenem letzten Abendmahl, allen, die sich von Herzen zu seinen Schülern bekennen, seinen wahren Leib und sein wahres Blut, wirklich zu essen und zu trinken, zur Speise und zum Trank für die Seelen, wodurch sie zum ewigen Leben genährt werden, im Sacramente gnadenvoll dargereicht, so, daß er in ihnen und sie in ihm leben und bleiben, und am jüngsten Tage zu einem neuen und ewigen Leben von ihm erweckt werden, nach seinem ewig wahren Worte: Nehmet und esset, das ist mein Leib, trinket Alle daraus, dieser Kelch ist mein Blut rc. Mit vorzüglichem Fleiß führen unsre Prediger die Herzen des Volkes von allem Streit und unnützen, vorwitzigen Untersuchungen auf das zurück, was allein nützt, und von Christo, unsrem Erlöser allein bezweckt ist, daß wir, von ihm gespeiset, in ihm und durch ihn leben, ein Gott gefälliges, heiliges und deshalb ewiges und seliges Leben, und Alle Ein Brot, Ein Leib seien, da wir Eines Brotes im Abendmahl theilhaft werden. Daher kommt es, daß das göttliche Sacrament im heiligen Abendmahl mit der größten Andacht und besonderer Ehrerbietung verwaltet und empfangen wird.
Aus dem, was sich wirklich so verhält, ersieht Deine geheiligte Majestät, Allergnädigster Kaiser, wie nunmehr unsre Widersacher verbreiten, daß die Unsren Christi Worte verändern und durch menschliche Auslegungen entstellen, und daß nichts als blos Brot und Wein bei unsrem Abendmahl ausgetheilt, mithin das Abendmahl des Herrn selbst von uns verachtet und verworfen werde. Denn bei uns wird immer mit dem höchsten Eifer gelehrt und ermahnt, daß Jeder bei einfältigem Glauben, mit Beseitigung aller menschlichen Erdichtungen und falschen Erklärungen die Worte des Herrn ergreife und dem, was sie sagen, sein Gemüth ohne allen Zweifel öffne, und die Sacramente selbst zur belebenden Nahrung für die Seele und zur dankbaren Erwägung einer so großen Wohlthat, und mit aller Andacht empfange. Dieß pflegt auch bei uns jetzt viel häufiger und andächtiger zu geschehen, als vormals. Zugleich aber haben sich unsre Prediger bisher immer erboten, und erbieten sich heute noch, mit aller Bescheidenheit und Wahrheit Rechenschaft von ihrem Glauben und ihrer Lehre zu geben, über Alles, was sie in Ansehung dieses Sacraments, als sonst glauben und lehren, und zwar nicht allein Deiner geheiligten Majestät, sondern einem Jeden, der es verlangt.
Cap. 19. Von der Messe.
Da nun Christus sein Abendmahl, das man nachher angefangen hat Messe zu nennen, also eingesetzt, daß nämlich in demselben die Gläubigen mit seinem Leibe und Blut zum ewigen Leben genährt, seinen Tod, durch den sie erlöset sind, verkündigen, ihm auf diese Weise danken, und solches Heil auch Anderen empfehlen; so haben unsre Prediger nicht umhin gekonnt, es für verwerflich zu erklären, daß man dieß hin und wieder vernachlässigt, und daß diejenigen, welche die Messe halten, Christum dem Vater als Opfer für Lebende und Verstorbene darzubringen sich bereden, und die Messe zu einem solchen Werke machen, wodurch fast einzig und allein die Gnade Gottes und die Seligkeit erworben werde, die Menschen mögen sonst glauben und leben, wie sie wollen. Daher hat sich auch der schändliche und im höchsten Grade gottlose Handel mit diesem Heiligthum eingeschlichen, und es ist dahin gekommen, daß heutiges Tages nichts einträglicher ist, als die Messe. [...]
Cap. 20. Von der Beichte.
Da aber auch das Bekenntniß der Sünden, das aus Frömmigkeit geschieht, von Niemand abgelegt werden kann, den dazu nicht Reue und wahre Betrübniß der Seele treibt, so kann man nicht durch ein Gebot dazu gezwungen werden. Darum haben auch weder Christus selbst, noch die Apostel selbst es gebieten wollen. Aus dieser Ursache ermahnen unsre Prediger, die Sünden zu bekennen, und zeigen, wie nützlich es sei, wenn Jemand bei einem christlichen und verständigen Mann im Stillen Trost, Rath, Belehrung und Ermunterung sucht, aber durch Gebote nöthigen sie Niemand dazu, sondern behaupten, daß solche Gebote der Gottseligkeit Eintrag thun. Denn die Verordnung, daß man dem Priester die Sünden beichten müsse, hat unzählige Seelen in schwere Verzweiflung getrieben, und bringt so manche Nachtheile, daß sie längst hätte abgeschafft werden müssen, und ohne Zweifel wäre abgeschafft worden, wenn die Vorsteher der Kirchen in den letzten Jahrhunderten von demselben Eifer wären erfüllt gewesen, wie der heilige Nestorius, Bischof von Constantinopel, der die Ohrenbeichte in seiner Kirche abschaffte, weil eine vornehme Frau, die häufig das Gotteshaus besuchte, als wollte sie dem Bußwerk obliegen, eines verbotenen Umgangs mit dem Diaconus überführt wurde. Dergleichen unzählige Verbrechen sind an verschiedenen Orten begangen worden. [...]
Cap. 21. Von den Gesängen und Gebeten der Geistlichen.
Aus derselben Ursache aber, damit nicht das, was vergeblich etwas Gottesdienstliches sein soll, zu einer Beleidigung Gottes werde, und zwar zu der allergrößten, geduldet werde, haben die Unsern in den Gesängen und Gebeten der Geistlichen Vieles verworfen. Denn es ist allbekannt, daß man von der ersten Einsetzung und dem Gebrauch der Väter abgewichen ist. Denn Niemandem, der die Schriften der Alten gelesen hat, ist es unbekannt, daß sie die Gewohnheit hatten, einige wenige Psalmen und ein Capitel der Schrift mit Nachdruck vorzulesen und zugleich zu erklären, da jetzt viele Psalmen, aber fast ohne Gedanken, abgesungen werden, aus der Lesung der Schrift aber nur die Anfänge der Capitel übrig geblieben sind, vielerlei aber dafür aufgenommen ist, was mehr zum Aberglauben führt, als zur Frömmigkeit. [...]
Cap. 22. Von Bildsäulen und Gemälden.
Auch gegen Bildsäulen und Gemälde haben die Unsern in Predigten geeifert, besonders darum, weil man angefangen hat, sie öffentlich zu verehren und anzubeten, und vergebliche Kosten darauf zu verwenden, die man dem hungrigen und durstenden und nackten Christus schuldig war, und weil man durch solche Verehrung und diese Kosten, obgleich beides mit dem Worte Gottes streitet, ein Verdienst vor Gott suchte.
Diesem Mißbrauch der Religion hat man auch das Ansehen der alten Kirche entgegengesetzt, der es ein Gräuel war, ein gemaltes oder geschnitztes Bild im Gotteshause zu sehen, wie es hinlänglich bewiesen wird durch eine That, welche Epiphanius, der Bischof zu Salamis in Cypern, von sich selbst erzählt. Als er das Bild Christi oder eines Heiligen, (dessen erinnerte er sich nicht mehr genau,) auf einem Vorhang in einer Kirche erblickte, ward er darüber so aufgebracht, gegen das Ansehen der Schrift und unsrer Religion das Bild eines Menschen in der Kirche hängen zu sehen, daß er den Vorhang sogleich zerriß und die Leiche eines Armen in denselben zu wickeln befahl. Den Brief, worin dieser Gottesmann das von sich selbst bezeugt, und der an Johannes, Bischof von Jerusalem, gerichtet ist, hat der heilige Hieronymus als rechtgläubig ins Lateinische übersetzt und auch nicht mit einem Worte dieses Urtheil des Epiphanius von Bildern als unrichtig getadelt. Hieraus kann man hinreichend schließen, daß weder der heilige Hieronymus, noch der Bischof von Jerusalem andrer Meinung von Bildern gewesen sind.
Denn was man zu sagen pflegt, daß durch Bildsäulen und Gemälde die Ungebildeten belehrt und erinnert werden, das ist kein hinreichender Grund, Gemälde und Bildsäulen zu dulden, zumal, wenn das Volk sie anbetet. Das alte Volk war ungebildeter, so, daß es mit mancherlei Ceremonien unterwiesen werden mußte; allein daß Bilder zur Belehrung und Ermunterung der Ungebildeten dienen sollten, hat Gott so wenig anerkannt, daß Gott vor allen Dingen verbot, dergleichen zu haben. Wollte man sagen, Gott habe Bilder verboten, die man anbete; so folgt eben daraus, daß, weil man vorlängst angefangen hat, sie alle anzubeten, des Anstoßes wegen alle aus den Gotteshäusern weggeschafft werden müßten. Denn in der Kirche muß Alles zur gewissen Erbauung angeordnet sein; am wenigsten darf man etwas dulden, das zum Falle dienen und keinen Nutzen schaffen könnte.
Wenn man einwirft, daß sie zur Erinnerung dienen, so antwortet der heilige Athanasius, indem er die Heiden widerlegt, die durch denselben Vorwand ihre Götzen vertheidigten: Sie mögen doch sagen, wie Gott durch Bilder erkannt wird, ob durch den Stoff, aus dem sie bestehen, oder durch die Form, die man dem Stoffe gegeben hat. Geschieht es durch den Stoff, wozu ist dann die Form nöthig, da, noch ehe sie gebildet ward, Gott aus dem Stoffe zu erkennen war, indem alles von seiner Herrlichkeit zeugt? Ist aber die dem Stoffe gegebene Form die Ursache der Erkenntniß Gottes, was bedarf es dann der Malerei und des Stoffes überhaupt, und wird Gott nicht weit besser aus den Geschöpfen, deren formen die Bilder sind, erkannt werden? Denn in der That, Gottes Herrlichkeit muß sich deutlicher offenbaren, wenn sie aus lebenden Wesen, vernünftigen und vernunftlosen hervorstrahlt, als auch solchen, die weder Leben, noch Bewegung haben. Wenn ihr also zur Beförderung der Gotteserkenntnis Bilder schnitzet oder malet, so ist es etwas ganz Unwürdiges, was ihr thut. So Athanasius. Lactantius sagt auch Vieles gegen diesen Vorwand. Denn dem, der fruchtbar an Gott erinnert werden kann, dienen außer dem Worte der Ermahnung viel wirksamer dazu die wirklichen und lebenden Werke Gottes, als jene leeren, von Menschen verfertigten Bilder.
Da nun Gott sein Urtheil über die Bilder in so vielen Stellen der Schrift sattsam bezeugt hat, so geziemt es uns Menschen nicht, von ihnen Nutzen zu erwarten, da Gott sie als gefährlich zu meiden befohlen hat, besonders, da wir selbst erfahren haben, wie hinderlich sie der Frömmigkeit sind. Den Gebrauch der Bilder an sich erklären zwar auch die Unsrigen für erlaubt, allein ein Christ hat zu untersuchen, was nützt und erbaut, und sich der Bilder da und so zu bedienen, daß sie Niemandem zum Anstoß gereichen. Paulus war bereit, sich den Genuß des Fleisches und des Weines zu versagen, wenn er einsähe, daß dieß auf irgend eine Weise der Wohlfahrt Anderer nachtheilig würde.
Cap. 23. Von der Obrigkeit.
Wir haben oben gezeigt, daß unsre Prediger den Gehorsam gegen die Obrigkeit unter die vornehmsten guten Werke zählen, und lehren, daß Jeder sich um so mehr befleißigen müsse, die öffentlichen Gesetze zu befolgen, je rechtschaffener und gläubiger er in seinem Christenthum sei. Sie lehren ferner, daß das Amt der obrigkeitlichen Personen ein so heiliges sei, wie nur eins von Gott den Menschen übertragen werden könne. Daher werden auch die, welche regieren, in der Schrift Götter genannt. Denn wenn sie ihr amt gehörig und ordentlich verwalten, so steht es um die Lehre und das Leben im Volke wohl; denn Gott pflegt unsre Angelegenheiten so zu ordnen, daß die Wohlfahrt und das Verderben der Unterthanen großen Theils von denen abhängt, die an der Spitze stehen. Daher werden obrigkeitliche Aemter von den besten und frömmsten Christen am würdigsten verwaltet. Daher haben die frömmsten Kaiser und Könige Bischöfe und andere geistliche Personen zu weltlichen Verwaltungszweigen zugezogen. Sie haben darin zwar verständig und gottesfürchtig gehandelt, aber es ist doch darin gefehlt worden, weil jene zur würdigen Verwaltung beider Aemter nicht geschickt sein konnten, und daher entweder bei der Leitung der Kirche in der Predigt des Wortes, oder bei der Verwaltung des gemeinen Wesens im Regiment zu wenig thaten.
Beschluß.
Das sind die Hauptpunkte, Allesunüberwindlichster und Gottseligster Kaiser, worin die Unsrigen, durch das ansehen der Schrift allein bewogen, die mit Recht allen anderen Ueberlieferungen vorzuziehen ist, von der allgemeinen Kirchenlehre abweichen. [...]
Da nun diese Angelegenheit so wichtig ist und so Vieles und Verschiedenes betrifft, und nicht mit Nutzen entschieden werden kann, bevor sie von Vielen geprüft und erforscht ist, so bitten wir Deine geheiligte Majestät und flehen sie aufs demüthigste an um Gottes und unseres Heilandes willen, dessen Verherrlichung Du gewiß vor allen Dingen suchst, daß Du eine allgemeine, freie und wahrhaft christliche Kirchenversammlung so bald als möglich berufen lassest, welches zur Beilegung der kirchlichen Angelegenheit Deiner geheiligten Majestät sowohl, wie anderen Fürsten des heiligen römischen Reichs bisher so nöthig geschienen, daß beinahe in allen Reichsversammlungen, die nach diesem in der Religion erhobenen Zwiespalt gehalten sind, die Commissarien Deiner geheiligten Majestät und anderer Fürsten des Reiches öffentlich bezeugt haben, daß auf keine andere Weise das, was in dieser Sache heilsam ist, zu Stande gebracht werden könne. Daher hat auch auf dem letztem Reichstag zu Speier Deine geheiligte Majestät Hoffnung erweckt, der römische Bischof werden nicht dawider sein, daß bald eine solche Kirchenversammlung gehalten werde. [...] Wir an unserm Theil werden gelehrig sein, ferne von aller Hartnäckigkeit, wenn wir nur die Stimme unsres Hirten Jesu Christi hören, und Alles, was man von uns verlangt, auf die Schrift, die Alles, was gut ist, lehrt, gebaut wird. [...]
Textzusammenstellung von Reinhard Neebe
Quelle: Böckel, Ernst Gottfried Adolf - Die Bekenntnisschriften der evangelisch-reformierten Kirche
http://www.glaubensstimme.de/doku.php?id=bekenntnisse:tetrapolitana
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