Martin Luther an Konrad Pellican zu Basel über die Angriffe von Hutten und Erasmus von Rotterdam auf ihn und seine Anhänger, 1. Oktober 1523
Antwort auf den Versuch Pellicans, zwischen Luther und Erasmus versöhnend einzuwirken. Über den Streit zwischen Hutten und Erasmus. Luther bedauert die Veröffentlichung seines Urtheils über Erasmus, und will sich gegen alle Schriften des Erasmus still verhalten, es sei denn, daß er die Sache angreife.
Martin Luther sendet seinem Freunde P. seinen Gruß.
Gnade und Friede dem Herrn! Bete vielmehr du für mich, liebster P., da dir jetzt mehr Muße geschenkt ist, und du mich an Gottseligkeit übertriffst. Ich wünsche in der That und bitte den Herrn Jesum, daß er dir, wie du begehrst, die Gabe der Sprache mittheilen möge zum Lobe sseiner Gnade.
Übrigens, daß du schreibst, ich solle mich nicht zum Zorne reizen lassen gegen Erasmus, das ist schon eher erlangt, als du darum gebeten hast. Ich wenigstens wollte, daß Hutten seine Beschwerde nicht veröffentlich hätte, viel weniger, daß Erasmus sie ausgewischt hätte. Wenn das heißt: mit dem Schwamme auswischen, ich bitte dich, was ist dann schmähen und lästern? Ganz vergeblich hofft Erasmus, durch seine Redekunst so alle guten Köpfe irre zu leiten, als ob niemand wäre, vielmehr als ob nur wenige wären, welche merkten, womit Erasmus umginge. Wenn Erasmus so für sich schreibt, so ist es wünschenswerther, daß er gegen sich schriebe. Denn er hat sich durch dieses Buch an seinem Namen und seinem Ansehen unglaublichen Schaden gethan, so daß mir der Mensch wirklich leid thut, der nie an die Sache herantritt, und so gegen die Fehle der Freunde schon zum zweiten Male wüthet, während er gegen seinen Feind Lee (Laeum) so gelinde war, und sonst alle davon abmahnt, selbst die Feinde zu schmähen, und dies sehr verabscheut. Ich habe immer erwartet, er würde die Sache handeln. Es ist leicht, gegen das Leben seine Redekunst zu beweisen. Ferner ist auch mein Brief herausgegeben worden, den ich privatim über Erasmus geschrieben habe, sodann auch der andere an Fabricius, was mich sehr übel verdrießt. Wiewohl ich mich seines Wortes schäme, wenn ich es öffentlich vertheidigen müßte, so ist es mir doch ärgerlich, daß durch diese ungestümen Angeber (ich weiß nicht, wen ich nennen soll) das öffentlich gemacht wird, was guten Freunden privatim geschrieben wird. Ferner, wie mir das Geschreibsel des Erasmus nichts schadet, wenn es wider mich ist, so werde ich nicht mehr Zuversicht haben, wenn es für mich ist. Ich habe einen, der die Sache vertheidigen kann, wenn auch die ganze Welt wider mich allein toben sollte; das nennt Erasmus an mir Hartnäckigkeit im Behaupten. Aber da ich sehe, daß der Mensch so fern ist von dem Verständnis christlicher Dinge (was ich bisher nicht gemeint haqtte, wiewohl ich es bisweilen vermuthete), so leide ich gern, daß er mich mit irgendeinem Namen nenne, welchen er will, bis daß er die Sache berührt. Denn ich habe mir vorgenommen, daß ich weder mein Leben noch meine Sitten in Schutz nehmen will, sondern allein die Sache, wie ich bisher gethan habe; es mag, wer da will, mich und meine Sitten heruntermachen. Ja, jenen Leuten verdanke ich klärlich mein Leben selbst in meinem Leide, und einen großen Theil der Freudigkeit meines Geistes, welche mich aufs greulichste schmähen und durchhecheln: So viel fehlt daran, daß ich durch des Erasmus Ruhm oder Namen getragen werden wollte. Ich habe Betrübnis und Furch bei meinem Lobe, aber Freude, wenn ich geschmäht und gelästert werde; wenn dies dem Erasmus wunderlich ist, so wundere ich mich nicht darüber. Er möge Christum lernen und der menschlichen Klugheit den Abschied geben. Der Herr erleuchte ihn und mache einen andern Mann aus Erasmus, und Er möge uns alle zugleich erhalten und mehren; das wünsche ich von Herzen, so viel es mir gegeben wird zu wünschen. Gehab dich wohl, mein P., und grüße den Erasmus, wenn er es leidet, in meinem Namen. Es ist in mir seine Bitterkeit gegen ihn, sondern in Wahrheit Barmherzigkeit; wenn er diese verachtet, und vielleicht mehr das hofft, was er gedenkt, so will ich gern auch diesen Wunsch verloren haben. Wittenberg, den 1. October 1523"1
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1aus: Walch, Georg. Dr Martin Luthers Sämtliche Schriften - Teil 1. Band 21. St. Louis, Mo, 1903.
Lat. Transkription, Quelle: Dr. Martin Luthers Werke - Briefwechsel. 3. Band. Weimar, 1933. Nachdruck 1969.
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