Der Mainzer Reichslandfriede Heinrichs IV., 6. Januar 1103
Am Ende seiner Regierung, nachdem sich der Kaiser mit seinen wichtigsten Gegnern, den Welfen und den Zähringern, ausgesöhnt hatte, schien die Möglichkeit zu bestehen, mit dem neuen Instrument des Landfriedens das durch die langjährigen Kämpfe verwüstete Reich zu befrieden. Wie die Großen des Reiches mit ihrem Schwur bekräftigten, sollten namentlich die Geistlichen, Kaufleute, Frauen und uneingeschränkt auch die Juden in den Genuß des Landfriedens kommen. Neu an den Friedensgesetzen im Reich, die nach dem Vorbild der französischen Gottesfrieden seit 1083 zuerst im Westen des Reichs (Lüttich und Köln) erlassen wurden, war die Ausdehnung der Strafen auf Körperstrafen und das Exil. Diese Strafen sollten ohne Unterschied alle Bewohner des Reiches treffen; auch Adelige wurden also mit verstümmelnden Strafen bedroht, die bis dahin nur auf Unfreie angewandt wurden. In einem Bericht über den Landfrieden, der auf einer Reichsversammlung in Mainz erlassen wurde, heißt es:
Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1103 setzte Kaiser Heinrich zu Mainz einen Frieden ein und bekräftigte ihn eigenhändig, und die Erzbischöfe und Bischöfe bekräftigten ihn eigenhändig. Der Sohn des Königs schwur und die Großen des ganzen Reiches, Herzöge, Markgrafen, Grafen und viele andere. Herzog Welf[1] und Herzog Berthold[2] und Herzog Friedrich[3] beschworen diesen Frieden bis Pfingsten und danach auf vier Jahre. Sie schworen, sage ich, Frieden den Kirchen, Geistlichen, Mönchen und Laien — Kaufleuten, Frauen (daß sie nicht mit Gewalt entführt werden sollten) und Juden.
Dies ist der Schwur: Keiner soll in jemandes Haus feindlich eindringen noch es durch Brand verwüsten. Keiner soll jemanden um Geldes willen fangen noch verwunden noch durchbohren noch töten. Und wenn einer das tut, der soll die Augen oder die Hand verlieren. Wenn einer ihn schützt, der soll die gleiche Buße erleiden. Wenn er in eine Burg flieht, soll sie drei Tage belagert und von den Schwurbrüdern zerstört werden. Wenn einer dies Gericht flieht, soll, wenn er ein Lehen hat, sein Herr es ihm nehmen; das Eigen sollen ihm seine Verwandten nehmen. Wenn einer einen Diebstahl begangen hat im Werte von 5 Schillingen oder mehr, der soll die Augen oder die Hand verlieren. Wenn er einen Diebstahl begangen hat im Werte von weniger als 5 Schillingen, der soll die Haare verlieren und mit Ruten fortgetrieben werden und das Gestohlene zurückgeben, und wenn er dreimal einen solchen Diebstahl begangen hat oder Raub zum dritten Male, soll er die Augen oder die Hand verlieren. Wenn dich auf der Straße dein Feind berennt, magst du ihm schaden, wenn du ihm schaden kannst; wenn er in jemandes Haus oder Hof flieht, soll er unverletzt bleiben.
Dieser Schwur dient den Freunden des Königs als Schild, den Feinden aber nützt er keineswegs.
Zit. nach: Joachim Leuschner: Das Reich des Mittelalters. Stuttgart 1971, S. 16-17. Einführung (kursiv) nach: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 1, Frühes und hohes Mittelalter 750-1250, hg. von Wilfried Hartmann, Stuttgart 2001, S. 321-322
Originalquelle: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum. Hrsg. von
Ludwig Weiland. Hannover 1893. (MGH Const. 1.) S. 125 f.
[2] Der Zähringer Berthold II. (1078-1111)
Fragestellungen:
1. Welches Gesamtkonzept verfolgen die Bestimmungen?
2. Wodurch wird die Durchsetzung abgesichert?
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